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„19 Uhr: Auftritt Oma“92-jährige Windeckerin mischt Festival der Rockband „Kärbholz“ auf

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau spricht auf der Bühne zum Publikum. Sie hält ein Mikrofon und ein Blatt Papier in der Hand.

Ihr großer Moment: Auf der Bühne in Windeck hielt Margret Severin eine kleine vorbereitete Rede.

Die 92-jährige Margret Severin aus Rosbach stand beim Festival der Band „Kärbholz“ auf der Bühne. Wie der besondere Auftritt zustande kam.

„Ich habe noch nie gesehen, wenn Kärbholz spielt“, sagte Margret Severin aus Rosbach eines Tages zu ihrem Enkel Sebastian. Der versprach ihr prompt, im nächsten Jahr mit ihr zum Konzert der Ruppichterother Band zu fahren und hielt Wort. Im vergangenen Jahr brachte er seine Großmutter in die RFT-Arena der Spielvereinigung (SpVgg) Hurst-Rosbach am Freibad. Dort gibt Kärbholz einmal im Jahr das „Heimspiel“ mit Vollgas-RocknRoll.

Der erste Ausflug gefiel Margret Severin dann so gut, dass sie es in diesem Jahr wieder tat. Diesmal brachte Enkel Christian sie hin und erlebte sein blaues Wunder: Margret Severin sonnte sich auf der Bühne im Beifall von 3000 schwarz gewandeten Kärbholz-Fans, die sie abfeierten.

92-Jährige wollte sich das Schauspiel in Rosbach einmal selbst anschauen

„Ich werde in Kürze 93 Jahre alt, so einen Jubel habe ich im ganzen Leben noch nie gehabt“, erzählt Margret Severin. „Es war überwältigend. Ich bin froh, dass ich das erleben durfte.“

Noch zu Lebzeiten ihres Mannes, der vor drei Jahren starb, hatte sie den jährlichen Auftrieb der Massen mit größtem Interesse verfolgt, der Rosbach für ein paar Tage in Klein-Wacken verwandelt. Das Erscheinungsbild der Konzert-Besucher störe sie nicht: schwarze Kluft, Tätowierungen. „Ich liebe junge Leute“, betont sie. „Die Kärbholz-Fans sind die friedlichsten Besucher“, ergänzte ihre Tochter.

Vor zwei Jahren wollte die Witwe sich „das Spiel“ einmal persönlich anschauen. „Ich habe mir nichts dabei gedacht, ich erschien in weißer Hose und weißem T-Shirt. Es war furchtbar heiß, und der erste Eindruck war, dass der Alkohol schon reichlich Wirkung zeigte.“ Weil der ein oder andere schlafend in der Böschung lag, wollte sie dann doch wieder gehen. Der Enkel beschwichtigte sie und meinte: „Jetzt sind wir hier, jetzt trinken wir ein Bier.“

Kärbholz-Festival: Zuschauer bildeten eine Gasse für Margret Severin

Margret Severin, mit Rollator unterwegs, berichtet, sie sei beeindruckt gewesen, wie nett die jungen Leute dann zu ihr waren. „Als ich zwei Radler intus hatte, wollte ich noch zur Bühne“, erzählt sie, und die Besucher hatten für sie auch schon eine Gasse gebildet. Doch dort wurde gerade umgebaut, und Sascha Solbach, Organisator von der SpVgg, versprach ihr, im nächsten Jahr dürfe sie auf die Bühne.

Eine Frau unterschreibt auf dem Arm eines Jugendlichen. Sie hält ein Bier in der Hand.

Die Windeckerin Margret Severin gab nach ihrem Auftritt zahlreiche Autogramme.

Eine Woche vor dem Konzert rief er Margret Severin an, um sein Versprechen einzulösen. „Nein, das tue ich mir nicht an“, sei ihr erster Reflex gewesen. Die Nachmittage werden ihr allerdings oft lang, und da wirkte das Angebot nach. Sie beschloss: „Quatsch, ich gehe doch hin.“ Sie griff zum Hörer und sagte dem Organisator zu. „Freitagabend, 19 Uhr: Auftritt Oma“, gab der durch.

Margret Severin setzte sich hin und schrieb eine kleine Rede. Enkel Christian brachte sie auf die Höhe der Zeit und zeigte ihr die bei Rockfestivals gebräuchliche Metal-Geste: Zeige- und kleiner Finger hoch. Auch ein schwarzes Shirt mit der Aufschrift „Metallica“ hatte er besorgt. Mit dem Auto wurde sie bis zur Bühne gefahren.

Rosbacherin mischt die Kärbholz-Fans beim „Heimspiel “souverän auf

Eine Cover-Vorband sang gerade „Wahnsinn“ von Wolfgang Petry. „Ich musste warten, war furchtbar nervös und habe nichts gecheckt“, berichtet Margret Severin schmunzelnd. Den Rollator stellte sie ab. Sie befürchtete ohnehin, die Leute würden sich fragen, was so eine Alte auf der Bühne mache. Sascha Solbach, der sie als älteste Besucherin vorgestellt hatte, gab ihr das Signal: „So, du kannst gehen.“

Rasender Applaus empfing sie. „Margret, Margret“, riefen die Zuschauer. Bekannte filmten den Auftritt, der sprachlose Rest der Familie verfolgte im Urlaub live ihre Sternstunde. Die mischte souverän die 3000 Kärbholz-Fans auf. Kein Wunder, Margret Severin begrüßte im perfekten Outfit die Band, sie habe die Hoffnung, sie noch oft in Rosbach begrüßen zu dürfen.

Sie winkte der Menge zu, machte das Zeichen, das der Enkel ihr beigebracht hatte, und merkte vor lauter Jubel nicht, dass die Band im Halbkreis um sie herumstand. „Ich war total überdreht, ich sah von oben nur Köpfe“, erinnert sie sich.

92-Jährige aus Rosbach soll im nächsten Jahr wieder auf die Bühne

„Margret, wir trinken jetzt erstmal ein Kühles“, beschloss Sascha Solbach und geleitete sie von der Bühne.   Unten angekommen, wurde sie von Zuschauern empfangen, die ihr Arme und Beine hinstreckten für ein Autogramm.

Sascha Solbach hat schon zugesagt, dass sie im nächsten Jahr wieder auf die Bühne darf. „Dann gehe ich mit Familie. Ich habe schon ein EKG machen lassen, der Arzt meint, mit meinen Werten könnte ich sehr alt werden, es steht kaum etwas im Wege.“ Der 93. Geburtstag kann kommen.