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Epilepsie verschwiegenSWB-Fahrer muss nach Geisterfahrt der Linie 66 Strafe zahlen

Lesezeit 2 Minuten

Vom Siegburger Bahnhof aus war die Linie 66 in Richtung Bad Honnef gefahren.

Bonn/Siegburg – Es waren Szenen „wie in einem Katastrophenfilm“, hatte später ein Fahrgast die Geisterfahrt beschrieben, der in der Nacht zum 22. Dezember 2019 mit der Straßenbahnlinie 66 von Siegburg in Richtung Beuel gefahren war. Denn kurz nach Fahrtbeginn, gegen 0.40 Uhr, wurde der Fahrer der Bonner Stadtwerke (SWB) nach einem epileptischen Anfall in Höhe von Mülldorf bewusstlos, und die Bahn fuhr führerlos weiter.

Bahnfahrer muss 2500 Euro Strafe zahlen

Die Geisterfahrt hat für den ehemaligen SWB-Fahrer jetzt juristische Konsequenzen. Per Strafbefehl wurde der 48-Jährige vom Amtsgericht Bonn zu 2500 Euro (100 Tagessätze à 25 Euro) Geldstrafe verurteilt, wie Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann am Mittwoch mitteilte. Dem Angeklagten wird fahrlässige Bahngefährdung sowie vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung vorgeworfen.

Laut Urteil hatte der Familienvater, der Anfang August 2019 von den Stadtwerken als Fahrbediensteter eingestellt wurde, seine epileptische Erkrankung verschwiegen.

An acht Haltestellen vorbei

Als Konsequenz seiner Bewusstlosigkeit war die Bahn an acht Haltestellen vorbeigefahren, deren Schranken teilweise noch nicht geschlossen waren. Der Versuch der Fahrgäste, die Waggons über Notbremsen zu stoppen, funktionierte nicht, da aus Sicherheitsgründen das Signal zunächst zum Fahrer geleitet wird. Aber der konnte nicht mehr reagieren.

Vom Siegburger Bahnhof aus war die Linie 66 in Richtung Bad Honnef gefahren.

Erst als zwei Passagiere, 29 und 26 Jahre alt, die Fahrerkabine aufgebrochen hatten, konnten sie unter telefonischer Anleitung der SWB-Leitstelle den Zug kurz vor der Haltestelle Adelheidisstraße in Beuel stoppen. Niemand der 20 Fahrgäste wurde verletzt. Der Fahrer hatte drei Monate vor der Unglücksfahrt seine praktische Prüfung abgelegt.

Der Epileptiker hatte in den Ermittlungen beteuert, dass er durch gute medikamentöse Einstellung zehn Jahre lang keinen Anfall erlitten und daher auch in Zukunft mit keinem Anfall gerechnet habe. Es sei eine mehr als fahrlässige Entscheidung, so der Ankläger, sich bei einer solchen Vorerkrankung als Straßenbahn-Fahrer zu bewerben, der für viele Passagiere verantwortlich sei.

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Trotz der dramatischen Bahnfahrt hatte sich der 48-Jährige drei Monate später, am 31. März 2020, hinter das Steuer seines privaten Autos gesetzt und erneut einen epileptischen Anfall erlitten. Auch diesmal hat der Mann Glück. Sein Fahrzeug krachte ungebremst gegen einen Ampelmast an der Kreuzung Kölnstraße/Am Josephinum. Der Angeklagte, der nur mit 35 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen war, blieb unverletzt. Auch andere Verkehrsteilnehmer kamen nicht zu Schaden. Nur der Ampelmast musste ersetzt werden. Kosten: 10 000 Euro. Erst danach wurde dem 48-Jährigen der Führerschein abgenommen. Laut Strafbefehl darf ihm vor Ablauf von zehn Monaten keine Fahrerlaubnis erteilt werden.

Der Strafbefehl ist noch nicht rechtskräftig. Falls der Angeklagte Einspruch einlegen sollte, würde ein Prozess vor dem Bonner Amtsgericht eröffnet.