GFO-KlinikenTroisdorf bekommt die erste Psychiatrie im rechtsrheinischen Kreis
Troisdorf – Knapp 18 Millionen Menschen deutschlandweit leiden unter einer psychischen Erkrankung, die Zahl der betroffenen jungen Leute im Alter von 18 bis 25 Jahre hat seit 2005 um 76 Prozent zugenommen. Die GFO-Kliniken wollen nun in Sieglar eine Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik einrichten. Die Pläne stellten Vertreter der Geschäftsführung sowie Ärzte und Pflegekräfte jetzt vor. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum anstehenden Projekt.
Warum gerade Troisdorf?
„Der Gesetzgeber sieht eine wohnortnahe Versorgung vor, die ist im rechtsrheinischen Kreisgebiet nicht gegeben“, sagt GFO-Verwaltungsdirektor Bertin Blömer. Troisdorf sei als große Stadt mit 75 000 Einwohnern hervorragend geeignet. Die Anforderungen, zum Beispiel dass eine solche Abteilung an einem Krankenhausstandort entsteht, erfülle das St. Johannes in Sieglar zu 100 Prozent. Auf der Wiese zwischen dem alten Schwesternheim und der Stroke Unit wird das vierstöckige Haus gebaut. 16 Millionen Euro investieren die GFO-Kliniken.
Wie wird die Belegung sein?
Vorgesehen sind 40 stationäre und 20 teilstationäre Plätze. Im Erdgeschoss soll die psychiatrische Intensivstation entstehen. Sie erhält eine abgetrennte Zone nach dem englischen Safewards-Modell für unruhige oder gefährdete Patienten, die ein besonderes Monitoring benötigen.
Die psychiatrische Abteilung erstreckt sich bis in die erste Etage. Patienten mit psychosomatischen Beschwerden werden in der zweiten Etage behandelt, in der dritten werden die Ambulanzen sein. Die psychosomatische Abteilung mit 40 Betten, die die GFO in Bonn-Kessenich im Klösterchen betreibt, wird aufgelöst und zieht nach Troisdorf.
Wann beginnen die Arbeiten?
Die Bauarbeiten sollten voraussichtlich im ersten Quartal 2020 beginnen, sagt Blömer. Bereits in der zweiten Jahreshälfte könnten die ambulante Versorgung und der teilstationäre Sektor eröffnet werden, in einem zweiten Schritt werde die Intensivstation dazukommen. Das ehemalige Schwesternwohnheim soll in der Übergangszeit als Tagesklinik und Ambulanz mitgenutzt werden. Frühestens 2021 soll die Psychosomatik aus Kessenich einziehen.
Wie ist das Behandlungsspektrum?
In der Ambulanz bekommen Menschen in einer akuten Krise 24 Stunden Hilfe. In der Tagesklinik, die in die offene Abteilung integriert wird und einen neuen Stellenwert bekommen soll, wie Florange erläutert, werde intensive psychiatrische Therapie geboten, die Patienten übernachten zu Hause. „Auch eine stationäre Behandlung im eigenen Wohnumfeld ist möglich.“
Die Krankheiten
Psychische Störungen wie Depressionen, Panikzustände oder Persönlichkeitsstörungen gehören zu den am weitesten verbreiteten Erkrankungen. Patienten erleben einen starken Leidensdruck und können ihre soziale Rolle nicht mehr ausfüllen.
Psychosomatische Erkrankungen haben seelisch-körperliche Zusammenhänge, durch die Patienten in akute Krisen geraten können. Oft können sie ihren Alltag dann nicht mehr meistern. (seb)
Diese sogenannte stationsäquivalente Versorgung ist relativ neu, eine Art Krankenhausbehandlung zu Hause. Für Patienten mit schweren akuten psychischen Erkrankungen ist die Intensivstation gedacht. Speziell geschultes Personal könne gewalt- und eskalationspräventiv einwirken, geschützte Räume wie ein Sinnesgarten mit Aktivitätsangeboten animierten zur Beschäftigung. Ziel ist es, diese Patienten zügig in eine andere Station oder die ambulante Weiterbehandlung zu entlassen, sobald sich ihr Zustand verbessert hat.
Geht von den Patienten eine Gefahr für die Anwohner aus?
„Nein“, sagt Dr. Barbara Florange, Chefärztin an den GFO-Kliniken Niederrhein. „Wir sind keine Forensik, wo Straftäter mit psychischen Erkrankungen behandelt werden. Was wir haben, sind sehr akute Krankheitsphasen, in denen der Patient eine Gefahr für sich selbst sein kann.“ Man wisse um die Sorgen der Bevölkerung und nehme sie ernst. „Wir sind uns bewusst, dass die Etablierung der Abteilung in einem Wohnumfeld für Ängste sorgen kann“, sagt Petra Hohmann, seit Anfang Juni Regionaldirektorin in Troisdorf. „Daher wollen wir den Anwohnern unser Konzept in einer Infoveranstaltung erläutern.“ Diese wird am 26. Juni, 18 Uhr, in der Cafeteria des St. Johannes Krankenhauses stattfinden.
Fachkrankenpfleger Markus Albat, der beim Aufbau der neuen Abteilung berät, arbeitet in Dinslaken. In der seit mehr als 30 Jahren bestehenden Klinik mit 170 stationären und fast ebenso vielen ambulanten Plätzen habe man gute Erfahrungen gemacht. „Sie liegt mitten im Stadtkern. Wir gehen mit den Patienten auf den Markt einkaufen und in die Eisdiele, sind voll in die Gemeinschaft integriert.“
Wie viele Menschen werden in der neuen Abteilung arbeiten?
Allein in der stationären Abteilung werden 100 Mitarbeiter beschäftigt sein, für die Ambulanz konnte noch keine genaue Zahl genannt werden. Rund 35 seiner Mitarbeiter aus Kessenich, so Neurologe und Psychiater Dr. Michael Langenbach, werden mit umziehen, auch Personal anderer Standorte habe Interesse für einen Wechsel signalisiert. Weiteres Fachpersonal wird gesucht. „Wir wünschen uns, dass wir ausreichend Mitarbeiter finden, die Interesse haben, diesen Bereich mit aufzubauen und zu gestalten“, sagt Maria Misz, Pflegedirektorin der Troisdorfer Krankenhäuser.
Mindestens sechs Wochen, bevor die ersten Patienten kommen, sollen die Mitarbeiter bereits Fortbildungen absolvieren, „so dass wir ein Team haben werden“, erläutert Grayzna Teichert, die die Psychiatrie am St. Johannes leiten wird. Denn der Job stellt besondere Anforderungen an das Personal, das sich in kritischen Fällen auch in einer Eins-zu-eins-Betreuung um die Patienten kümmern müsse, sagt Pfleger Albat: „Es ist viel Beziehungsarbeit. Diese Menschen haben häufig schlechte Erfahrungen gemacht und soziale Ausgrenzung erlebt.“ Daher sei eine Klinik nah an der Bevölkerung wichtig, die eine Entstigmatisierung ermögliche.