Biohof Hüsgen in HennefGemüsekiste bis vor die Tür – „Wir leben Bio“
Hennef – „Wir leben Bio.“ In einem kleinen Satz fasst Rita Hüsgen das große Motto des Familienbetriebs zusammen, der der älteste Bio-Betrieb im Rheinland ist.
Hofladen, Gärtnerei, Abokisten-Lieferservice: In Süchterscheid wird Bio nicht nur gelebt, auch geliebt. Im Hofladen greifen Kunden nach frischem Feldsalat, schnuppern an aromatischen Äpfeln, bekommen ein Stück sahnigen, würzigen Käse zum Kosten herübergereicht. Den hat Susanne Hüsgen gerade auf einer Messe entdeckt, „von einer Bioland-Käserei aus dem Allgäu, aus Heumilch gemacht und in einem Reifungskeller gelagert“.
Die Glastür geht auf und zu, Kunden mit Körben werfen begehrliche Blicke auf Brokkoli und Birnen, Susanne Hüsgen begrüßt fast jeden Neuankömmling mit Namen, wiegt feldfrisches Gemüse ab, empfiehlt aromareiche Sorten. Porree, Kürbis, Kohl, Zwiebeln, Sellerie Brokkoli und Zuckerhut aus eigenem Anbau locken; dazu Tomaten, Paprika und Gurken aus dem 2500 Quadratmeter großen Gewächshaus.
„Die deutschen Sommer sind einfach zu unsicher“
„Die deutschen Sommer sind einfach zu unsicher“, sagt die gelernte Gärtnerin und Baumschulistin, die „irgendwie reingerutscht“ ist in den Betrieb und gemeinsam mit ihrem Mann Hans-Ulrich Günther den Laden bewirtschaftet, seit sie den Hof 1998 zusammen mit ihrem Bruder Tillmann und dessen Frau Rita von Vater Helmut Hüsgen übernahm.
Als der promovierte Agrarwissenschaftler 1979 den damals gerade mal einen Hektar Land umfassenden Hof zum Biobetrieb machte, da hatte es der „Spinner“ nicht leicht. Die Bauern wollten kein Land abtreten, die Vermarktungsstrukturen fehlten, die Produktpalette des Bio-Pioniers war klein.
Heute bietet Susanne Hüsgen im Hofladen ein Vollsortiment an, von Wein über Brot von der DLS-Bäckerei in Hennef bis zu Milchprodukten, von losen Hülsenfrüchten, die aus großen Kästen in die Tüte geschaufelt werden, über Tee, Müsli und Marmelade bis zu Kosmetik. Selbst gezogene Stauden, Heil- und Gewürzkräuter sowie Gemüsejungpflanzen runden das Angebot ab; dafür kommen die Kunden sogar aus der Eifel und aus Köln.
„Vorsicht, das zappelt noch!“
Das Gemüse, das ihr Bruder auf mittlerweile rund neun Hektar zwischen Merten und Stadt Blankenberg selbst anbaut, liegt manchmal nur eine halbe Stunde nach der Ernte schon im Laden zum Verkauf. Sie gebe den Kunden dann oft eine Warnung mit, schmunzelt sie: „Vorsicht, das zappelt noch!“
Frische, regionale und saisonale Produkte, angebaut nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes, ohne chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel, ohne Gentechnik oder Hybridsaatgut: Das ist den Hüsgens wichtig. Und auch den Kunden. Zu den rund 300 Stammkunden des Hofladens kommen noch 1500 Bezieher der so genannten Hofkiste. Gemüse, Obst, Brot, Eier, Milch, Käse bis hin zu Pestos und Nudeln – alles wird nach den Wünschen der Kunden in grüne Klappkisten gepackt und einmal in der Woche bis vor die Tür gebracht.
Nicht nur Privatleute, auch Kindergärten und zunehmend Büros bestellen die Kiste; ein Bonner Auslieferer fährt sie aus, das Gebiet umfasst Windeck ebenso wie Leverkusen und den Kölner Stadtrand.
Vor 20 Jahren startete Rita Hüsgen das Experiment mit der Hofkiste, als die Kinder auf die Welt kamen und es schwierig wurde, auf die Wochenmärkte in der Region zu fahren. „Die ersten Kisten haben wir auf Biertischen gepackt“, erzählt die dreifache Mutter. „Als wir aber an die 100 Kisten in der Woche hatten, war klar, dass das so nicht mehr funktionieren konnte.“ Die Hüsgens rüsteten auf: Rollband, Computer und Scanner helfen jetzt dabei, die Bestellungen schnell und effizient an drei Stationen abzuarbeiten.
Ein Kunde hat telefonisch oder online zehn Äpfel, ein Paket Eier, Salat, ein Bund Radieschen und anderthalb Kilo Kartoffeln bestellt? Der Computer weist an, was an welcher Station in die grüne Klappkiste gepackt werden muss. Schwere Sachen wie Kartoffeln zuerst, an der nächsten Station mittelempfindliches Gemüse – Gurke, Kohlrabi, Brokkoli, am Schluss empfindliches Gut wie Salat, Trauben, Tomaten.
80 Prozent der Produkte kommen aus dem eigenen Anbau, der Rest wird dazu gekauft; für manches sei der Boden einfach zu steinig. „Wir haben über Jahre versucht, Möhren anzupflanzen, aber die waren immer krüppelig.“
Ein Partnerbetrieb bei Aachen versorgt den Süchterscheider Hof jetzt mit Karotten, „und der bekommt im Gegenzug von uns Salat“. Fünf Betriebe haben sich für die Liefer-Touren mit „Fremd-Gemüse“ zusammengeschlossen, aus wirtschaftlichen ebenso wie aus Umweltgründen. Auch in der Hofkiste gibt es fast ausschließlich Produkte der Saison, am liebsten aus der Region, aus Deutschland oder auch aus Europa.
Bananen und Avocado, ja, die bietet Rita Hüsgen auch an. Weil die Kunden das wünschen, und weil es keine Alternative gibt. „Aber warum soll ich Gewürze und Kräuter aus Übersee im Angebot haben, wenn wir doch selber eigene Sorten anbauen?“
Nachhaltigkeit ist ihr Thema. „Ich will die Region stärken, Transportwege dezimieren, den Menschen die Qualität vor der Haustür wieder näher bringen, ein gesundes Umfeld schaffen.“ In einem deutschlandweiten Netzwerk tauscht sie sich aus: Wer hat Erfahrungen mit Erdgasantrieb statt Diesel für die Transporter? Welche kompostierbaren Verpackungen sind empfehlenswert? „Ich sehe meine Aufgabe darin, wieder zum Pionier zu werden.“