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Immobilienfirma gibt einziges GebotPrächtige Villa Reuther in Hennef nach Erbenstreit zwangsversteigert

Lesezeit 4 Minuten
Ein weißes, historisches Gebäude

Nach einem Erbenstreit kam die Reuther-Villa unter den Hammer.

Schmuckstück unterm Hammer: Aufgrund eines Erbenstreits landete eine historische Hennefer Villa in einer Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht.

Drei Frauen bilden eine Erbengemeinschaft, zwei Schwestern und ihre Mutter. Unter anderem erhielten sie nach dem Tod des Vaters eines der auffälligsten historischen Gebäude der Stadt übertragen: die Villa Reuther. Doch es kam zum Zwist und das steinerne Schmuckstück nebst Kutscherhaus auf dem rund 2000 Quadratmeter großen Grundstück - Verkehrswert: insgesamt knapp 2,7 Millionen Euro - unter den Hammer.

„Eine solche Zwangsversteigerung habe ich noch nicht erlebt“, sagte die nicht unerfahrene Rechtspflegerin am Ende eines wahren Versteigerungskrimis. Üblicherweise gehen solche Termine in einer Stunde über die Bühne, bei der stadtbildprägenden, weißen Fabrikantenvilla im Zentrum Hennefs hieß es erst nach zweieinhalb Stunden „zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“.

Eine der beiden Schwestern beantragte die Zwangsversteigerung des Hennefer Anwesens

Es war eine der Schwestern, die die Zwangsversteigerung zwecks Aufhebung der Erbengemeinschaft bereits 2019 beantragt hatte. Seitdem gab es mehrere Termine, den letzten im Juli 2024, doch die Antragsstellerin ließ offenbar alle platzen. Auch diese Entscheidung von Amts wegen stand lange auf der Kippe. Am Abend zuvor scheiterte eine anwaltlich begleitete private Einigung.

Dem Vernehmen nach hatte die Schwester, die aus der Erbengemeinschaft ausscheren will, ihrer Mutter und der zweiten Schwester noch am Vortag ein Kaufangebot für das denkmalgeschützte Anwesen an der Frankfurter Straße vorgelegt. Sie bot 2,4 Millionen Euro, diesen vergleichsweise hohen Preis nannte ihr Anwalt im Gerichtstermin. Doch der anderen Seite, Schwester und Mutter, fehlten die Sicherheiten, so klang es bei der Versteigerung an. Sie befürchteten offenbar, das Geld nicht zu bekommen.

Schild an der Villa Reuther

Die Plakette an der Villa informiert über den Bau, ist aber nicht ganz genau: Der Anbau stammt laut Katasteramt von 1909, das Haupthaus von 1826.

Im Gerichtssaal war nur eine der Schwestern anwesend, begleitet von zwei Männern, der eine offensichtlich ihr Lebenspartner, der andere ihr Anwalt: „Ich wollte die Versteigerung nicht“, bekannte sie. Und fragte den gegnerischen Anwalt: „Kommt meine Schwester nicht?“ Der verneinte. Im Verlauf gab er zunächst die Anregung, ein neues Wertgutachten einzuholen. Später stellte er hierzu einen Antrag.

Das Gutachten sei vier Jahre alt, die Immobilienpreise sänken. Teile des Grundstücks seien zudem seitens des Katasteramts zudem nicht mehr als Frei-, sondern als Erholungsflächen ausgewiesen, begründete er seinen Vorstoß. Zudem seien Feuchtigkeitsschäden in der leer stehenden, 1826 errichteten Villa Reuther zu vermuten.

Wir brauchen kein neues Wertgutachten
Rechtspflegerin am Amtgericht Siegburg bei der Zwangsversteigerung der Villa Reuter in Hennef

Die Rechtspflegerin wunderte sich: Es sei doch eher zu erwarten, dass die Antragstellerin einen möglichst hohen Preis erzielen wolle, „außer, Ihre Mandantin möchte selbst kaufen“. Die vermuteten Schäden seien nicht nachgewiesen, sagte die Beamtin, die Umbenennung der Flächen habe keinen Wertverlust zur Folge. Üblicherweise würde ein solcher Antrag vor dem Termin und nicht erst im Saal gestellt. Ihr Fazit: „Wir brauchen kein neues Gutachten.“

Um Verfahrensfehler auszuschließen, ließ sie einen erfahrenen Kollegen hinzuholen, der ihre Einschätzung bestätigte: Der Antrag habe keine aufschiebende Wirkung, das Verfahren werde fortgesetzt. Dem Anwalt bleibe nur die Möglichkeit, nach Zuschlagserteilung Beschwerde einzulegen. Der Rechtspfleger fand deutliche Worte: „Irgendwann müssen Sie das Kriegsbeil mal begraben.“

Mutter und Schwester pflegen leer stehende Villa und Kutscherhaus im Hennefer Ortskern

Die zweite Erbin vermutete eine Verzögerungstaktik: „Sie wollten offenbar auch diesen Termin wieder platzen lassen.“ Eine Wohnung im Kutscherhaus sei vermietet, erklärte sie zum Thema mögliche Bauschäden, mit ihrer Mutter pflege sie die zweite Wohnung - und die Villa mit knapp 500 Quadratmetern Wohnfläche.

Ihr Rechtsvertreter wandte ein, dass ein neues Wertgutachten nur dann zulässig sei, wenn die Abweichung mehr als zehn Prozent betrage - „nach oben, nicht nach unten“. Das solle eine Immobilie vor der „Verschleuderung“ schützen.

Die potenziellen Kaufinteressenten im Saal, darunter ein junger Mann in feinem Zwirn mit Verrechnungsscheck über 270.000 Euro in der Hand, verfolgten das Hin und Her. Am Ende gab es lediglich ein Gebot. Das lag um fast 200.000 Euro über der gesetzlich festgesetzten Fünf-Zehntel-Grenze von 1,327 Millionen Euro.

1,5 Millionen Euro bot schließlich ein Immobilienunternehmen, in Hennef gegründet und mit neuem Firmensitz hinter dem Siegburger ICE-Bahnhof, für das Anwesen. Hinzu kommen bei Zuschlagserteilung noch die Gerichtsgebühren von etwa 12.000 Euro und die Grundsteuer. Was plant die Firma an der Frankfurter Straße? Dazu wollte der junge Mann nichts sagen. Nur so viel: Er werde sicherlich dort nicht selbst einziehen.

Die anwesende Erbin, die nach dem Antrag des gegnerischen Anwalts zwischenzeitlich den Saal verlassen hatte („Ich muss mir erst mal Luft machen“), zeigte sich trotz des Gebots weit unter dem Verkehrswert erleichtert: „Gut, dass das vorbei ist. Sie wollte es, jetzt hat sie damit zu leben“, sagte sie zum Anwalt ihrer Schwester.

Tatsächlich ist der Verkauf aber noch nicht vollzogen. Ob sie den Zuschlag auf dieser Basis erteile, müsse sie zunächst prüfen, sagte die Rechtspflegerin. Das brauche etwas Zeit und erfolge auf dem Schriftweg. Eventuell wird ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Reuther-Villa aufgeschlagen.