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Zulauf in Corona-PandemieHennefer Youtuber schauen 60.000 Abonnenten beim Zocken zu

Lesezeit 4 Minuten

Chihuahua „Archie“ ist das Maskottchen, das Emblem an der Mütze Markenzeichen des Youtubers Marc Sommerhoff.

Hennef – Wenn Marc Sommerhoff als „AldemarHD“ im Internet abtaucht, darf er nicht sterben. Der 35 Jahre alte Profispieler hat sich während der Corona-Pandemie auf dem Internet-Video-Portal Youtube ohne Absicherung in die virtuell frostigen Tiefen des Computerspiels „Subnautica – Below Zero“ gestürzt.

Seit einer Bruchlandung mit einer Forschungskapsel zum Start seiner Serie kämpft der Spieleprofi alle zwei Tage in einer feindlichen Umwelt ums Überleben. Etwa 1000 Zuschauer hat jede Folge schon am Tag ihrer Veröffentlichung. Mit einer kürzlich gestarteten Serie zum neuen Mittelalterspiel „Going Medieval“ kratzte er bereits nach drei Tagen an der 5000er-Marke.

Hennefer Youtuber hat 21 Millionen Aufrufe seit Start seines Kanals

21 Millionen Aufrufe hat der Kanal des Youtubers aus Hennef seit dem Start. Die Zahl der Abonnenten wächst und wächst. Mitte Mai hatten ihn 59.500 Freunde von Strategie- und Überlebensspielen fest abonniert, Mitte Juni schon 60.000. „Mir hat Corona einen beachtlichen Zulauf beschert“, freut sich Sommerhoff.

Er schämt sich wegen seines Erfolgs, weil er sieht, wie viele Existenzen in der Pandemie zerbrochen sind und wie wenige es schaffen, als Youtuber Fuß zu fassen. Der 35-Jährige hat nicht wenig Bammel, die gerade erarbeitete Chance für sein Leben zu verdaddeln. Zu oft hat ihn das Leben schon zurückgeworfen, und sein Werdegang war alles andere als hilfreich für eine „normale“ Karriere.

„In der Schule hatte ich Probleme wegen der Heuschnupfen-Medikamente, die mein Gehirn bei Prüfungen matschig machten“, entschuldigt Sommerhoff seinen Hauptschulabschluss zur neunten Klasse. Für ihn stand früh fest, dass er „irgendwas mit Computern“ machen will, zumal er es zu bestimmten Jahreszeiten nur zu Hause aushält, „mit Klimaanlage und 10.000 Mal Nase putzen“.

„Viel Spaß am Zocken“

Beruflich hat er es mal zum selbstständigen Legionellenbeprüfer im Auftrag der Firma eines Freundes gebracht. Doch das ist vorbei. Mit 29 Jahren erinnerte er sich daran, dass er mit zehn Jahren schon so „viel Spaß am Zocken“ hatte, dass er eigentlich Spieletester werden wollte und startete bei Youtube. Das war 2014. „Aber da war zunächst kein Geld zu verdienen.

Das System Let's Play

Computerspieler, die bei „Let’s Play“ veröffentlichen, lassen sich im Internet beim Spielen zuschauen. Fangemeinschaften sind für „Let’s Play“ (Englisch für „Lass uns spielen“) entstanden, die live oder geschnitten auf verschiedenen Plattformen zu finden sind. Eine davon ist Youtube, wo die Besitzer von Videokanälen mit Werbeeinblendungen Geld verdienen können. Firmen unterstützten „Let’s Player“ aus Werbegründen, etwa mit frühzeitigem Zugriff auf neue Spiele. (mfr)

Die Faustregel lautete: Mit 100.000 Abos kannst du davon Leben. 1000 Klicks bringen einen Euro.“ Schon zwei Jahre vorher hatte er auf diesem Kanal Dokumentationen hochgeladen. Doch er begriff schnell, dass das wegen des Urheberrechts keine gute Idee ist. „Ich habe alles gelöscht.“

Sein Aha-Erlebnis hatte er, als er Große der Computerspielszene spielen sah: „Gronkh“ und „Sarazar“. „Die waren einfach schlecht. Ich habe mir gesagt: Das kann ich zehn Mal besser.“ Und so startete er mit einem schäbigen Mikro, wie er heute findet, „Ultimate General: Gettysburg“. Sein Schlachtruf wurde „Ich bin der Beste!“ – ein prima Motivationsschub, der selbst bei schier hoffnungslosem Versagen noch Mut gibt.

Freundin übers Internet kennengelernt

Die Zahl der Zuschauer wuchs und wuchs. Seine ersten Videos schaut er aber nicht mehr gerne an. „Die Stimme war viel zu hoch und auch sehr auffällig. Euphorisch bin ich aber immer noch.“ Inzwischen klappt es auch finanziell. Seit Anfang 2021 ist Sommerhoff wieder selbstständig. Seine Partnerin hat er durchs Spielen im Internet kennengelernt, und sie unterstützt seine Arbeit mit Grafiken und plant die Videos.

Der Chihuahua „Archie“ ist zum Maskottchens seines Kanals geworden, den er von einem Computer auf einer Empore in seiner Wohnung in Hennef-Edgoven aus betreibt. Da sitzt er dann unter der holzverkleideten Deckenschräge und neben der Wand mit Schalldämmfliesen in den Farben seines Kanal-Emblems, das er auch als Abzeichen an der Mütze trägt und spielt. Er ist gutes und schlechtes Vorbild zugleich.

Seinen Fans liefert er immer eine Fülle an Hintergrundinformationen zu den Spielen. Er kennt die Tricks, was aus technischen Gründen nicht funktioniert, oder eben, weil er sich gerade mal ungeschickt anstellt. Aber das ist bei den Spielern zu Hause ja auch nicht anders. „Dieser Beruf macht mich von allem unabhängig – außer vom Internet.“

Arbeitstag beginnt im 16 Uhr

Seinen Tag beginnt Sommerhoff oft erst gegen 16 Uhr, denn seine Fans, die ihn live spielen sehen wollen, haben vor allem abends Zeit. An solche Uhrzeiten hat er sich gewöhnt, als er noch die Zeitung ausgetragen hat. Nachts um zwei ging er mit der frischgedruckten Ausgabe auf Tour.

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Dennoch schaut er jetzt zunehmend darauf, dass um Mitternacht Schluss ist. Dann werden virtuelle Tauchgeräte, Schwerter und Pferde aus Spielen wie „Valheim“, „Foundation“ oder „Mount and Blade“ einfach abgeschaltet.

Obwohl er es gewohnt ist, so viele Stunden am Computer zu verbringen, hat er während des Lockdowns Ausflüge in Parks, Kurzurlaube mit dem Auto und „die typischen Dinge, die man nicht machen kann oder sollte in diesen Zeiten“ vermisst. Aber: „Corona“, sagt er als Vergleich zu anderen, die ihre Existenz verloren haben, „hat mein Leben gerettet“.