Hat sie den Eindruck, dass ein Kleid oder ein T-Shirt nicht zum Typ passt, kommuniziere sie das auch.
„Lieblingskostüm“Hennefer Schneiderin fertigt individuelle Karnevalskostüme
„Das ganze Jahr über wird gearbeitet“, sagt Birgit Fischer. Dabei betreibt sie eigentlich ein Saisongeschäft. „Lieblingskostüm“ heißt ihr kleiner Laden in Süchterscheid. Die 56-Jährige näht individuelle Kostüme, etwa 40 Entwürfe hat sie in den vergangenen Jahren kreiert. Und die werden mit unterschiedlichsten Stoffen und Accessoires zu Unikaten zusammengestellt.
Die Förderschullehrerin startete vor sechs Jahren. Die Geschichte davor ist schnell erzählt: „Ich habe angefangen für mich persönlich zu nähen“, so Fischer, „aber das konnte ich schnell nicht mehr alles selber tragen.“ Also hat sie die ersten Outfits online versteigert. „Das lief so gut, da habe ich ein Jahr lang nur für diese Plattform geschafft.“
Dann kam ihr der Gedanke, sich selbstständig zu machen. Gut 150 Kostüme produziert sie seither jedes Jahr. „Jede Kundin und jeder Kunde wird individuell beraten“, erzählt sie, „ich verkaufe auch nicht jedem alles.“ Hat sie den Eindruck, dass ein Kleid oder ein T-Shirt nicht zum Typ passt, kommuniziere sie das auch, klar und deutlich, aber immer freundlich.
Deshalb verschicke sie so gut wie nie etwas. „Ich will die Menschen sehen.“ In ihrem Ausstellungsraum hat sie ausschließlich bunte, glitzernde Klamotten für Frauen. Männer stattet sie auch aus, aber da die Partnerinnen eh bestimmen, was der Mann zur Sitzung anzieht, besteht sie auf persönlichen Kontakt.
Gerade am Morgen war eine Kundin aus dem Schwarzwald im Laden
Ihre Kundschaft kommt aus einem Umkreis von rund 250 Kilometern. Am Morgen war eine Frau aus dem Schwarzwald da. „Die hat mich im Internet gefunden und sich auf den Weg gemacht. Sie hat im Hotel geschlafen, nur um sich bei mir einzukleiden“, berichtet sie nicht ohne Stolz. In die Schweiz hat sie schon mal was geschickt, wer aus Belgien, den Niederlanden oder Frankreich kommt, muss aber schon selber zu ihr kommen.
Hennef ist gut vertreten. Für die Damenkarnevalsgesellschaft Fidele Flotte hat sie Jeansmäntel gemacht, die Frauen der Großen Geistinger hat sie ausgestattet, die Blumenkinder aus Westerhausen stehen an, Vollblut Eulenberg hat Kleider bekommen. „Bunt ist ein zwingendes Muss“, erklärt sie ihren Stil, „und es muss immer was mit Glitzer dran.“
Aus dem Hobby ist ein richtiger Job geworden. Dabei hat sie eine feste Stelle, sie arbeitet in einem multiprofessionellen Team an der städtischen Förderschule an der Hanftalstraße. „Eigentlich könnte ich nur das eine wie nur das andere machen“, weiß sie, „aber ich liebe die Kinder genau so wie die Farben.“ Also sitzt sie oft in der Nacht an der Nähmaschine. „Im Moment komme ich zu nicht mehr als vier Stunden Schlaf.“
In den Wochen vor Karneval brummt ihr Telefon ständig, Kundinnen geben sich die Tür in die Hand. Sabrina Krupp aus Viersen kommt mit ihrer Mutter Irene Kamp aus Bergheim. „Ich habe nach schönen Kostümen gesucht und Birgit im Netz gefunden“, beschreibt die Jüngere, warum sie nach Süchterscheid gereist ist. Kamp ist echter Fan: „Ich habe schon zwei Hüte, jetzt brauche ich noch ein Kostüm dazu.“
Im ganzen Haus verteilt hängen fertige Kostüme auf Kleiderstangen
Fischer lässt T-Shirts und Hängerkleid anprobieren. Hier fehlt noch eine Applikation, dort Abnäher an der Seite. Also steigt sie schnell unters Dachgeschoss an die Nähmaschine und erledigt das sofort. Im ganzen Haus verteilt hängen fertige Arbeiten auf Kleiderstangen, im Keller ist der Lagerraum für Jeansjacken.
Vicky Tsianas aus Bornheim holt die ersten Röcke ab, die ihre Gruppe für den Sonntagszug benötigt. Sie hat schon vorher mehrfach bei „Lieblingskostüm“ eingekauft. Sie schmeißt sich in ihr Exemplar, ordert noch ein paar Petticoats und ist schon wieder durch die Tür.
Längst schon schafft Birgit Fischer nicht mehr alles allein. Ihre Tochter macht ihr die Haarreife, jeder ein Einzelstück. Ihre fantasievollen Hüte näht eine Schneiderin, aber ausschließlich mit ihren Stoffen, Accessoires und vor allem nach ihren Entwürfen. Ihr Markenzeichen: „Auf jedem Dreispitz und jeder Kappe muss eine Ente drauf sein.“
Die gelernte Einzelhandels- und Bürokauffrau nennt neben Ehrgeiz und Selbstbestätigung noch ein Motiv für den ganzjährigen Wahnsinn, bei dem es nur in der Fastenzeit eine Pause gibt. „Ich will die Menschen im Karneval besonders schön machen.“ Sie erinnert sich an eine Situation während der Corona-Pandemie: „In den menschenleeren Straßen Kölns kam mir eine Frau in einem meiner Kostüme entgegen. Das hat mich gerührt.“ Kontakt zu ihr ist möglich unter post@lieblingskostuem.de.