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Altglück gänzlich verlassenHennefs kleinster Ortsteil ist nun ein „Lost Place“

Lesezeit 4 Minuten
Ein Schild mit der Aufschrift Altglück hängt an einem Tor.

Altglück war lange der Stadtteil von Hennef mit nur einem einzigen Bewohner, inzwsichen ist der Wohnplatz aufgegeben.

Lange Zeit war Altglück der Stadtteil von Hennef mit nur einem Einwohner. Jetzt wohnt dort niemand mehr, wie die Stadt jüngst in ihren Zahlen meldete.

Die Briefkastenklappe ist leicht aufgebogen, ein paar Briefumschläge stecken noch drin. Einer ist auf den Boden gefallen, das Adressfeld ist dreckverschmiert, der Name aber noch erkennbar. Doch in den Meldedaten der Stadt Hennef ist es inzwischen amtlich: In Altglück wohnt niemand mehr.

Der Stadtteil liegt im Dollenbachtal, einem Zufluss des Hanfbachtals, unterhalb von Neuglück. Das Wohnhaus steht am Rande eines großzügigen Grundstücks, schöne Straßenlaternen ragen in dem parkähnlichen Areal empor. Eine kleine Kapelle steht auf dem riesigen Grundstück, auch einen Teich gibt es hier. Historische Bilder zeigen in den 1950er-Jahren eine herrschaftliche Villa, die damals aber abgebrochen wurde, als die Familie Mülhens das Anwesen erwarb.

Schon die Kelten sollen in ddem Örtchen in Hennef Erze abgebaut haben

Die Geschichte des Ortes reicht wohl bis in vorrömische Zeit zurück, wie es Reinhard Kieß und Klemens Dormagen in ihrem Buch „Von Wasserkunst und Pingen, Erzbergbau im Rhein-Sieg-Kreis und seiner Umgebung“ schreiben. Nach ihren Angaben haben Kelten dort Bleierze ergraben und eingeschmolzen. Ausgrabungen des Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland des Landschaftsverbands Rheinlands wiesen das nach.

Auch die Römer selbst sollen demnach Bleierze im Tagebau abgebaut haben. Unter Tage ging es zum ersten Mal Anfang des 12. Jahrhunderts. Eine Urkunde von 1122 belegt das. Damals verlieh Kaiser Heinrich der Abtei Siegburg die Rechte, Metallerze abzubauen. Zu jener Zeit hieß die Grube noch Silberkaule. Ein Stollen wurde angelegt, weitere Stollen und Querschläge kamen später hinzu. Der deutsche König Ruprecht von der Pfalz bestätigte 1401 die Urkunde.

Eine alte Zeichnung zeigt eine Bergwerksanlage.

Eine Lithografie von 1855 zeigt die Bergbauanlagen von Altglück.

Viele Jahrhunderte blieb es still in dem Tal. Auf einer Karte von 1789 wird ein altes Silberbergwerk erwähnt. Erst ab 1801 gab es wieder Betrieb im Bergbau, der nun Johann Petersgrube hieß. 1826 gehörte die Grube der Neuwieder Gewerkschaft Steffens & Co., wie der Uckerather Bürgermeister Heinrich Joseph Komp in seinen Erinnerungen schreibt. Kreisarchivarin Claudia Maria Arndt hat ihm einen Aufsatz in dem Buch „Vom Grubenfeld und Berghoheit, Erzbergbau um Rhein-Sieg-Kreis und seiner Umgebung, Teil 2“ gewidmet.

Schon 1837 kam die Stilllegung. 1846 förderte die Gesellschaft Rhodius aus Linz die Erze. Am 29. Dezember 1852 wurde an Donon, Aubry et Compagnie verkauft, nur vier Monate später folgte die belgische Gesellschaft Vielle Montagne. Zu diesem Zeitpunkt tauchte der Name Altglück erstmals auf. Erst nach 1850 gelang es, Zinkblende herauszulösen. Dieses Unternehmen aus Lüttich beutete Erzvorkommen in größerem Stil aus und gewann in Großgruben Zink-Bleierze. Zu Marketingzwecken, so würde es heute heißen, engagierten sie einen französischen Lithografen, von dem das Bild von 1855 stammt.

Eine Kapelle steht auf einem Grundstück im Wald.

Die Kapelle auf dem weitläufigen Grundstück wurde 1887 für eine Hochzeit errichtet.

Oberbergrat Conrad Heusler des Oberbergamtes Bonn beschrieb die „bei weitem wichtigste Blei- und Zinkerzgrube in diesem Bezirk“. Er verweist auf einen Pingenzug von rund 1000 Meter Länge aus alter Zeit, der aus römischen Betrieb deute. Der Abbau hatte übrigens schwerwiegende umweltschädliche Einflüsse auf die Gewässer durch die Erzwäsche. Die Vielle Montagne beantragte 1857 die Konzession für einen Sammelteich, die auch erteilt wurde.

Durch einen Damm wurde eine mehrere Morgen großer Stauweiher geschaffen, in dem sich das Wasser des Dollenbachs sammelte. Diese Anlage ist noch heute im Gelände zu erkennen. Allerdings liegen bei Stürmen umgestürzte Bäume über die Wege und im Wald.

Wie die Kreisarchivarin schreibt, sollen bis zu 200 Leute in Altglück ihr Auskommen gefunden haben. In alten Tabellen findet sich für 1863 die größte Fördermenge mit 6000 Tonnen Zinkblende und 200 Tonnen Bleierz. Über schlecht unterhaltene Gemeindewege wurde das Material zu einer Schmelzhütte oberhalb von Linz gebracht, später über Oberpleis nach Königswinter-Dollendorf.

1875 war endgültig Schluss mit dem Bergbau, vielleicht als Folge des deutsch-französischen Krieges von 1870/71. Spätere Versuche, den Abbau noch einmal aufzunehmen, scheiterten. Es blieben Halden, die das geübte Auge heute noch erkennen kann, sowie der Stauweiher und ein einstöckiger Fachwerkbau. Den erwarb Heinrich Berghausen, Blitzableiterfabrikant aus Köln, der 1880 auch den ersten Blitzableiter am Kölner Dom anbringen ließ.

Ein verlassenes Wohnhaus steht auf einem Grundstück im Wald.

Zuletzt wohnte ein einziger Mensch in Altglück.

Amtsbürgermeister Komp wurde 1887 zur Hochzeit von dessen Tochter Clementine eingeladen. Der Vater ließ eigens eine Kapelle bauen, die erhalten ist und neben dem plätschernden Bach aufragt. Komp versäumte die Trauung wegen einer Verletzung und machte später seine Aufwartung, fand kein gemütliches Wohnheim, sondern eine bunt ausgestattete Wohnung mit skurril gekleideten Bewohnern. 1888 heiratete die zweite Tochter Emilie, ein neues Wohnhaus entstand.

Anfang des 19. Jahrhunderts entstand eine überdimensionierte Villa

Ende des 19. Jahrhunderts findet sich der Ackerer Johann Dahm in Altglück, 1900 der Jagdaufseher Heinrich Klein. Im Adressbuch von 1910 ist Josef Höhner verzeichnet. 1906 starb Berghausen, Schwiegersohn Geiseler kaufte das Anwesen und ließ einen überdimensionierten Neubau errichten. Er musste verkaufen, an den Solinger Messerfabrikanten Ernst Kaufmann. Der musste das Gebäude Ende 1920er-Jahre zwangsversteigern lassen. Neuer Besitzer wurde Adolf Boge, Stoßdämpferfabrikant in Eitorf.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude stark beschädigt, Ende der 50er-Jahre taucht in der Geschichte Ferdinand Mülhens als Besitzer auf. Er ließ das Herrenhaus abreißen. Ein gewisser Schmitz, so schreibt Arndt, übernahm das Anwesen, ihm folgte Dr. Jürgen Schulte-Hillen, der das Provisorium durch eine Villa im Landhausstil ersetzen wollte. Viele Jahre wohnte dann nur ein einziger Mensch dort. Jetzt ist Altglück ein „lost place“.