Möglicherweise wurde der Angeklagte im Prozess eines brutalen Raubüberfalls von anderen Beteiligten fälschlich beschuldigt.
Landgericht BonnAngeklagter bestreitet brutalen Überfall in Hennef
Der Prozess vor dem Bonner Landgericht war für Punkt 9 Uhr terminiert. Alle Beteiligten waren vollzählig erschienen, nur der Angeklagte fehlte. Erst eine Stunde später meldete er sich telefonisch: Sein Zug sei steckengeblieben, da sei er wieder heimgefahren. Der Vorsitzende Marc Eumann ordnete an, den 32-Jährigen vorführen zu lassen. Als der Prozess schließlich gegen 11.30 Uhr beginnen konnte, gab der Mann zu Protokoll, er sei unschuldig.
Der verunglückte Prozessauftakt ist Teil einer Geschichte voller seltsamer Wendungen, bei der möglicherweise ein Unschuldiger auf der Anklagebank sitzt. Kern ist ein brutaler Raubüberfall vor fünf Jahren auf dem Schulhof einer Handelsschule in Hennef. Opfer wurde laut Anklage ein 27-Jähriger, den am 27. Juli 2017 eine damals 17-Jährige nachts dorthin bestellt hatte. Sie wollte für ihre Freundin fünf Euro eintreiben, die er dieser angeblich schuldete.
Opfer verprügelt und beraubt
Doch es war eine Falle. Der 27-Jährige wurde von hinten angegriffen und mit Faustschlägen gegen den Kopf in die Knie gezwungen. Es folgten Fußtritte zwischen die Beine, bis der junge Mann bewusstlos umfiel. Erst Stunden später wurde er gefunden. Seine Geldbörse mit Personalausweis und sein Smartphone fehlten. Da er hinterrücks angegriffen worden war, konnte er den Täter nicht identifizieren. Der Personalausweis wurde Monate später bei einem 29-Jährigen gefunden: Mit dem Dokument hatte er ein Konto eröffnet und Waren bestellt.
Dieser Mann und die beiden jungen Frauen wurden wegen schwerer räuberischer Erpressung sowie gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Vor der Bonner Jugendstrafkammer jedoch beteuerten alle drei, dass nicht der 29-Jährige, sondern ein anderer die Tat begangen habe, nämlich derjenige, der jetzt vor Gericht stand. Einst hätten sie gemeinsam Straftaten begangen, nun seien sie sich aber nicht mehr grün.
Keine objektiven Spuren
Die Bonner Richter konnten die Version nicht widerlegen und verurteilten das Trio im Oktober 2019 lediglich wegen Hehlerei. Anderthalb Jahre Haft erhielt der 29-Jährige. Die beiden Anstifterinnen, zur Tatzeit noch Jugendliche, mussten Sozialstunden ableisten.
Die Bonner Staatsanwaltschaft klagte daraufhin den 32-Jährigen an, obwohl es keine objektiven Spuren gab. Immerhin hatten ihn drei Personen belastet. Dass diese Aussagen nicht sehr zuverlässig waren, wurde jetzt schnell klar: Auch die beiden Frauen aus Hennef, heute 23 und 22 Jahre alt, waren nicht zum Prozess erschienen und wurden von der Polizei zwangsweise vorgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass die Jüngere hochschwanger ist, sie durfte nach Hause. Die andere schwieg.
Der Verdacht bleibt, dass das Trio vor Gericht einen Falschen beschuldigte. Aber zunächst muss die 10. Große Strafkammer noch ein Urteil über den jetzt Angeklagten sprechen.