Ärger oder NotDas sagen eine Mutter und ein Erzieher zum Kita-Streik in Rhein-Sieg
Rhein-Sieg-Kreis – Eigentlich gehen Sophia und Matteo in die städtische Kita Bismarckstraße. An diesem Donnerstag aber werden die Fünfjährige und ihr drei Jahre alter Bruder „den Vormittag in Restaurants verbringen“, wie Mutter Romina Demer erzählt. Zum dritten Mal in diesem Jahr bleibe die Kita wegen eines Streiks geschlossen, eine Notgruppe gebe es nicht.
In dieser Woche hat Familie Demer dafür keine andere Lösung gefunden, als dass der Vater die Kinder mit zum Kundendienst nimmt. Derweil schwindet das Verständnis für die Streikenden erheblich bei Romina Demer.
Improvisation ist oft gefragt
Eigentlich könne sie schon verstehen, wenn gestreikt werde. „Das kommt ja auch den Kindern zugute, wenn die Erzieherinnen zufrieden sind“, sagt Demer.
Doch sei die Betreuung der Kinder schon durch Corona immer wieder ausgefallen. Für einen Tag, wenn der Pooltest positiv gewesen sei, mitunter eine ganze Woche, wenn es Erkrankungen gegeben habe. Demer: „Im Moment kann ich die Wochen an einer Hand abzählen, wo die Kinder eine ganze Woche da waren.“
Oft schon war daher Improvisation gefragt: Spontane Heimarbeit oder Absprachen mit Freunden, um mehrere Kinder gemeinsam zu betreuen. „Bei der Größeren geht das schon ganz gut“, für Matteo aber seien mehrere Stunden bei Menschen, die er nicht so gut kennt, noch nicht möglich. Und auf familiäre Unterstützung könnten die Demers nicht bauen.
„Uns fehlt der persönliche Kontakt“
Als Mitarbeiterin im Personalwesen einer Bonner Werbeagentur kann sich die 28-Jährige die Zeiten im Homeoffice oder Büro „relativ gut selbst organisieren“. Am Donnerstag aber ist ihre Anwesenheit in Bonn erforderlich, und so wird ihr Ehemann die Kinder mitnehmen, wenn er Restaurantküchen wartet und montiert.
Per E-Mail seien die Eltern kurzfristig über den Ausstand und die Schließung der Kita informiert worden, beklagt die Mutter. „Es fehlt uns der persönliche Kontakt“: ein Aushang in der Kita, ein Gespräch mit den Streikenden über die Ziele der Arbeitsniederlegung. „Wenn man die Leidenschaft dahinter spüren könnte.“
Troisdorfer Kita-Leiter wirbt um Verständnis für den Streik
Christian Gau leitet die Troisdorfer Kita an der Niederkasseler Straße in Spich. Er beteiligt sich an dem Streik. „Es geht um den ganzen Berufsstand“, wirbt der Erzieher um Verständnis für die Streikenden – und zeigt es zugleich für die Eltern. Bessere Arbeitsbedingungen kämen indes auch den betreuten Kindern zugute.
Es geht um mehr als Geld
„Primär geht es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen.“ Die Forderungen seien nicht nur monetär, auch wenn eine bessere Eingruppierung de facto ein höheres Einkommen bedeute. Eine höhere Eingruppierung erkenne an, dass die Anforderungen an das Personal erheblich gestiegen seien.
So würden die Gruppen immer größer, sei die von ihm geleitete fünfgruppige Kita eigentlich „immer in der Überbelegung“. Gestiegen seien die Anforderungen auch durch die Aufgaben der Inklusion und nicht zuletzt durch die Pflicht zur Bildungsdokumentation. In der eigentlich dafür vorgesehenen Zeit sei das angesichts von anhaltend fehlendem Personal nicht zu leisten.
Hoffen auf mehr Wertschätzung
Und so hofft Christian Gau mit den anderen Streikenden darauf, dass mehr Anerkennung und Wertschätzung – auch im Portemonnaie – für ihre Arbeit helfen, ihren Beruf attraktiver zu machen und so dem gravierenden Fachkräftemangel zu begegnen.