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Tod einer SeniorinVom Mordvorwurf gegen einen Mann aus Königswinter blieb nicht viel übrig

Lesezeit 3 Minuten
Zwei Männer sitzen an einem Tisch, auf dem ein Mikrofon und ein Laptop stehen.

Verteidiger Martin Kretschmer mit dem Angeklagten beim Prozessauftakt in Bonn.

Der ursprünglich des Mordes angeklagte 33-Jährige wurde wegen Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Bewährung gab es nicht.

Vom Mordvorwurf blieb nicht viel übrig nach sechs Verhandlungstagen: Wegen Unterschlagung, Urkundenunterdrückung und unerlaubten Waffenbesitzes hat das Bonner Schwurgericht am Montag einen 33-Jährigen aus Königswinter zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Dem Mann war nach dem Tod einer 90-jährigen Witwe Raubmord vorgeworfen worden, doch auch die Staatsanwältin rückte schließlich in ihrem Plädoyer davon ab. Verteidiger Martin Kretschmer ging von Anfang an davon aus, dass sein Mandant in diesem Punkt unschuldig war.

Bonner Schwurgericht war auf Mutmaßungen angewiesen

Der Angeklagte und die Rentnerin lebten im gleichen Haus in Königswinter. Beide trafen sich gelegentlich abends bei ihr zu einem Bierchen, das sie spendierte, denn der Nachbar war in ständiger finanzieller Not. So auch am 15. Februar 2024, kurz vor ihrem Sterben: Er hatte seinen letzten Cent an einem Spielautomaten verloren und brauchte dringend Geld. Die Witwe aber gab ihm nichts.

Soweit ist die Sache klar, danach ist das Schwurgericht auf Mutmaßungen angewiesen. „Wir wissen es nicht genau“, sagte Vorsitzender Richter Klaus Reinhoff, denn der Angeklagte hatte geschwiegen. Die Kammer ging von folgendem „Szenario“ aus: Die 90-Jährige zog am Abend des 15. Februar ihr Nachthemd an, ging in das im Treppenhaus gelegene Bad, wo ihr schlecht wurde.

Gegen ihre Gewohnheit schloss sie deshalb die Badezimmertür nicht ab, kehrte in ihre Wohnung zurück, verriegelte auch diese Tür nicht und setzte sich auf ihr Bett. In diesem Moment muss sie einen Herzinfarkt erlitten haben, denn sie fiel rücklings um. Die Rechtsmedizin diagnostizierte den Infarkt bei der Obduktion der Leiche, konnte aber nicht mit Sicherheit sagen, ob er zu ihrem Tod geführt hatte.

Kurz danach sah dem Szenario des Gerichts zufolge der Nachbar die nicht verschlossene Tür, betrat die Wohnung, entdeckte die Tote, zog ihr drei Ringe ab, nahm ihr die goldene Kette vom Hals und klaute Bargeld und EC-Karte. Dabei hinterließ er am Nachthemd seine DNA-Spur. Richter Reinhoff: „Das muss nicht so sein, könnte aber eine Möglichkeit sein.“

Bonner Schwurgericht entschied im Zweifel für den Angeklagten

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Anklage geschrieben, der Beschuldigte habe die Frau mit einer weichen Bedeckung erstickt. Aber diese Annahme konnte die Rechtsmedizin nicht bestätigen. Eindeutig bewiesen ist, dass der 33-Jährige mit der Beute erst zu seiner Freundin gefahren ist, dann mit der Bankkarte an einem Automaten Zigaretten gezogen hatte und mit der Karte vergeblich versucht hatte, Geld abzuheben.

Am Ende kam – im Zweifel für den Angeklagten – nur eine Verurteilung infrage wegen Unterschlagung, also der Diebstahl bei der Toten, wegen Urkundenunterdrückung, also der Einsatz der fremden EC-Karte, und wegen unerlaubten Waffenbesitzes, weil bei ihm ein Messer gefunden worden war.

Für das Gericht blieb die Frage: „Was muss das für ein Mensch sein, der das macht, nämlich eine Tote bestiehlt, die seine Nachbarin war?“ Sie wurde nicht beantwortet, denn der mehrfach, auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte hatte sich nicht in die Karten schauen lassen. Reinhoffs Diagnose: „Das ist ein Zocker, der seine Emotionen im Griff hat.“