„Könnte mein Leben kosten“Taxifahrt zum Impftermin kostet Lohmarer Ehepaar 300 Euro
Lohmar – Zunächst herrschte Begeisterung, als der Brief mit dem auffällig großen Aufdruck „Gemeinsam stark gegen Corona“ in Durbusch eintrudelte. Dann machte sich Verzweiflung breit. Käthe und Egon Söhngen, 83 und 86 Jahre alt, hatten zwar einen Impftermin zugewiesen bekommen, aber in Kleve, mehr als 150 Kilometer entfernt an der niederländischen Grenze.
„Eine Taxifahrt dorthin hätte mindestens 300 Euro gekostet, pro Weg“, das brachte sie durch einen Anruf in Erfahrung. Mit dem zweiten Telefonat alarmierte Käthe Söhngen ihre Nichte. Die hatte Ende Januar für alle älteren Herrschaften der Verwandtschaft die Impftermine besorgt, in einem tagelangen Marathon am Telefon und am Computer. Sie hatte dies auch für den Lohmarer Onkel getan, erkrankt an ALS, halb gelähmt, Pflegestufe 5, und für die Tante, stark zuckerkrank, nach einem Unfall gehbehindert, Pflegestufe 2.
Um sechs Wochen nach hinten
Das kinderlose Paar, das kürzlich eiserne Hochzeit feiern konnte, hat die Corona-Zeit mit großer Vorsicht, Hoffen und Bangen bislang recht gut überstanden. Dem zunächst telefonisch anvisierten Impftermin am 13. März fieberten sie tagelang entgegen – bis das amtliche Schreiben dazu eintraf.
Die Nichte erreichte zwar, wiederum mit einigem Aufwand, dass der Irrtum bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein korrigiert wurde und ihre betagten Verwandten Termine im nächstgelegenen Impfzentrum in Sankt Augustin zugeteilt bekamen. Doch damit landeten Söhngens viel weiter hinten in der Warteschlange. „Jetzt sind wir erst fast sechs Wochen später an der Reihe, am 21. April, mit zweitem Termin am 12. Mai“, schimpft der Senior. „Das könnte mein Leben kosten.“
„So langsam verlieren wir das Vertrauen“
Das Paar, er arbeitete früher als Formgeber in der Industrie, sie als Angestellte im Finanzamt, fühlt sich nicht korrekt behandelt. „Ob die Leute in Düsseldorf überhaupt wissen, wo Lohmar liegt?“, fragt er.
In Kleve, so haben sie in der Zeitung gelesen, wurde der Impfstart wegen starken Schneefalls verschoben, die abgesagten Termine zeitnah nachgeholt, irgendwie dazwischen gequetscht: „Warum geht so etwas nicht auch in Sankt Augustin?“ Sie seien Menschen, die versuchten, sich selbst zu helfen, doch in diesem Fall seien sie ja auf offizielle Stellen angewiesen. „So langsam verlieren wir das Vertrauen“, sagt Käthe Söhngen. „Ich bin so sauer.“ Auch ihr Mann fühlt sich für dumm verkauft: „Noch sind wir klar im Kopf.“
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Ein kleiner Trost bleibt den beiden: Die Kosten für die Fahrt zum Impfzentrum in Sankt Augustin übernimmt die Krankenkasse aufgrund der hohen Pflegestufe von Egon Söhngen. Seine Ehefrau kann dann auch gleich mitfahren. „Wir haben zum Glück am selben Tag unsere Termine, kurz hintereinander“, berichtet sie.