Nach 53 JahrenTraditionsbäckerei in Lohmar schließt – keinen Nachfolger gefunden
- Rückblick 2021: Bei diesem Bericht handelt es sich um einen Text aus dem Archiv, der unsere Leserinnen und Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 2. Dezember 2021 veröffentlicht.
Lohmar – Der Abschied ist ihm nicht leicht gefallen, lange hat er den Ruhestand vor sich hergeschoben, gehofft, dass sich ein Nachfolger findet. Nun muss sich der Meister nicht mehr für morgens um 2 Uhr den Wecker stellen, was ihn freut. Einerseits. Dass der Laden zu macht, das sieht Karl Pelz mit Wehmut. „Das war mein Leben“, sagt der 68-Jährige. 53 Jahre lang, so lange arbeitet heute kaum noch jemand. Und schon gar nicht als Bäcker.
Karl Pelz hat nicht auf den Vater gehört
Mehr als vier Jahrzehnte war er im Ortsteil Heide, „Kalli“ ist hier eine Institution, buk Hunderte Helle für jedes Jugend-Fußballturnier, zehntausende Neujahrsbrezel, gehört zur Freiwilligen Feuerwehr Birk. Hätte er auf seinen Vater gehört, wäre er nicht in der Backstube gelandet.
„Der Beruf ist schwer“, sagte der aus Schlesien stammende Landwirt, der in der alten Heimat auch eine Mühle betrieb, dann als Flüchtling zunächst einen Hof im Bergischen pachtete, schließlich in Hochhausen wieder eigenes Land beackerte. Den Hof führte der älteste Sohn weiter, der, mit fast 70, nun ebenfalls ans Aufhören denkt.
Die Handwerksbäcker sterben aus
Nur noch 29 Handwerksbäcker
Die Handwerksbäcker sterben aus. In der Region Bonn/Rhein-Sieg schrumpfte die Zahl der Innungsbetriebe innerhalb der letzten 20 Jahre deutlich: Gab es im Jahr 2001 noch 140, waren es 2011 noch 90, aktuell gibt es 55. Davon haben 29 im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis ihren Sitz.Laut Innung reicht die Spanne von Einzelbetrieben bis zu großen Bäckereien, wie Gilgens in Hennef. Die Zahl der Filialen sei nicht bekannt, so Innungsgeschäftsführerin Ellen Siewert, die Anzahl der Verkaufsstellen ist nach ihrer Schätzung aber nahezu gleich geblieben, nur die Zahl der Produktionsstätten habe abgenommen. „Ein Verlust an Vielfalt“, beklagt Bäcker Karl Pelz. „Jeder Betrieb hat doch seine eigenen Rezepte.“Bei der Betriebsübernahme fehle es an Gründern, so Siewert. Vielfach würden Verkaufsstandorte von bestehenden Bäckereien übernommen. Kleine Bäckereien hätten es schwer, sich gegen die allgegenwärtige Konkurrenz aus der Industrie oder von Discountern preislich zu behaupten. Um Lehrlinge zu gewinnen, hätten viele Betriebe Partnerschaften mit weiterführenden Schulen geschlossen. (coh)
Verlust an Vielfalt
Laut Innung reicht die Spanne von Einzelbetrieben bis zu großen Bäckereien, wie Gilgens in Hennef. Die Zahl der Filialen sei nicht bekannt, so Innungsgeschäftsführerin Ellen Siewert, die Anzahl der Verkaufsstellen ist nach ihrer Schätzung aber nahezu gleich geblieben, nur die Zahl der Produktionsstätten habe abgenommen. „Ein Verlust an Vielfalt“, beklagt Bäcker Karl Pelz. „Jeder Betrieb hat doch seine eigenen Rezepte.“
Konkurrenz der Industrie ist groß
Bei der Betriebsübernahme fehle es an Gründern, so Siewert. Vielfach würden Verkaufsstandorte von bestehenden Bäckereien übernommen. Kleine Bäckereien hätten es schwer, sich gegen die allgegenwärtige Konkurrenz aus der Industrie oder von Discountern preislich zu behaupten. Um Lehrlinge zu gewinnen, hätten viele Betriebe Partnerschaften mit weiterführenden Schulen geschlossen. (coh)
„Kalli“ ging in die Lehre zu August Hofsümmer in Siegburg-Stallberg. Wechselte dann als Geselle nach Heide zu Balensiefer an der Franzhäuschenstraße, machte seinen Meister, übernahm den Betrieb nach dem tragischen Unfalltod der Brüder Balensiefer, überwarf sich mit dem Verpächter – und fuhr zwei Jahre nur noch Backwaren aus, die er bei Liesenfeld in Lohmar-Ort kaufte. Dann aber juckte es ihn in den Fingern, er baute einen eigenen Betrieb ebenfalls an der Franzhäuschenstraße, knapp 300 Meter weiter, ließ das benachbarte Fachwerkhäuschen liebevoll renovieren.
Knapp 20 Jahre versorgte Karl Pelz hier vor allem die weite Nachbarschaft mit Brötchen, Brot und Kuchen, „alles handgemacht, nichts gefroren gekauft“. 90 Prozent Stammkunden, schätzt er. Anfangs half dem Unverheirateten noch seine Schwester, die an Krebs starb. Auf seine langjährigen Verkäuferinnen habe er sich immer verlassen können – und auf seinen Gesellen, „200-prozentig“; das habe ihm ermöglicht, vor acht Jahren, nach dem tragischen Unfalltod seines Zwillingsbruders in den Bergen, etwas kürzer zu treten. Aufgrund der Langzeiterkrankung einer Kraft in der Backstube musste er in den letzten Monaten selbst wieder voll ran: „Sieben Tage in der Woche“.
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Die Abschaffung des Sonntagsbackverbots habe das „Handwerk kaputt gemacht“, so sieht er es. „Wir sollen möglichst 365 Tage im Jahr öffnen, das ist für einen Kleinbetrieb nicht zu schaffen.“ Einen Lehrling hat er schon seit fünf Jahren nicht mehr gefunden.
Der alte Geselle wechsele nun wohl den Beruf, wolle sich mit 50 nicht mehr selbstständig machen. Zwei der Verkäuferinnen gehen mit ihm in Rente. Ein solcher Betrieb sei nicht allein zu führen, meint Pelz: „Am besten von einem jungen Paar.“ Den Laden hat er gemeinsam mit seinem Team aufgeräumt, bevor er die Türen schloss. Ausräumen will er ihn erstmal nicht. „Vielleicht findet sich ja mit Hilfe der Handwerkskammer doch noch jemand“, hofft Pelz.
Ab und zu wird er sich aber doch noch den Wecker stellen für morgens um 2 Uhr. Denn jetzt hat der 68-Jährige mehr Zeit für sein Hobby: die Jagd an der Wahnbachtalsperre.