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Denkanstoß mit VersmaßUrsula Lungstrass ermahnt Spaziergänger heiter zur Sauberkeit

Lesezeit 3 Minuten

Die Mülltüten wechselt Ursula Lungstrass regelmäßig aus, die Dose für die Kippen, die ein Unbekannter aufhängte, leert sie.

Lohmar – „An den drei Eichen“ schweift der Blick über die liebliche Landschaft am Rande des Naafbachtales, nur um die Ruhebank herum und auf den Wegen sah es lange böse aus. Bis eine Spaziergängerin ein Gedicht aufhängte. Geschliffene Worte gegen Scherben, Zeilen gegen Zigarettenkippen, Humor gegen Hundehaufen – kann Sauberkeitserziehung so einfach sein?

Ursula Lungstrass lächelt und erklärt: „Besser ein Fingerzeig als ein erhobener Zeigefinger“, der rufe schnell Trotzreaktionen hervor. Sie bevorzugt den Denkanstoß mit Witz und Versmaß.

Das Gedicht „Hey, Du!“

Hey, Du!

Du kommst hier her, genießt die Bank,/

man sieht es an den Kippen./

Du scheinst – nach letztem Zug – sie dann/

leger ins Gras zu schnippen./

Warum versuchst du es nicht mal/

mit meinem Abfallsäckchen,/

es hängt gleich neben dir am Pfahl,/

erhalt es schön, dies Fleckchen./

Es kostet dich nur einen Schritt/

und etwas guten Willen,/

dann bleibt’s hier „clean“, komm, mach doch mit!/

Dann mag man gern hier chillen.

Die 67-Jährige ist vom Fach: Sie studierte einst Lehramt, spezialisierte sich dann auf die Erziehungswissenschaft, machte sich früh selbstständig im Weiler Grünenborn mit ihrem Studio für angstfreies Lernen. Und sie schreibt leidenschaftlich gern, Geschichten für Jung und Alt, Prosa und Lyrik. Alles mit leichter Hand. Aber (fast) nur für die Schublade. Für die Eltern ihrer Schüler verfasst sie jedes Jahr zu Weihnachten ein wortwitziges Werk, das durchaus ein größeres Publikum verdient hätte.

Nach jahrelangem Ärgern wurde die Spaziergängerin selbst aktiv

Die Diplom-Pädagogin schüttelt lebhaft ihre grauen Locken und schreitet aus. Sie ist gern unterwegs, dreht mit Hündin Bella täglich ihre Runden um den Weiler Grünenborn. Genießt die Pausen mit Ausblick auf den Bänken – und ärgerte sich jahrelang immer wieder über die Hinterlassenschaften einiger Mitmenschen.

Bis sie selbst aktiv wurde: Sie verfasste 24 muntere Zeilen unter der Überschrift „Lieber Naturfreund“, laminierte die Seite und fädelte sie auf einen Draht, den sie um den Eichenstamm wickelte. An der Bank befestigte sie eine Mülltüte. Das Ensemble wurde nach einiger Zeit ergänzt: Jemand, der sich nicht zu erkennen gab, hängte eine bemalte Blechdose auf mit der Aufschrift „Kippenmonster“. Die Naturfreundin streift die Latexhandschuhe über, leert die Dose und wechselt den vollen Müllsack gegen einen leeren.

Mittlerweile hängen schon mehrere Gedichte von Ursula Lungstrass im Wald.

Auf zur nächsten Bank. Ihre Aktion erregt Aufsehen. Immer wieder blieben Spaziergänger stehen, fotografierten die netten Appelle – und vervielfältigten die Zettel sogar, um sie ihrerseits in der Natur zu platzieren, erzählt sie auf dem Weg in Richtung Neuhonrath. „In Overath wurden meine Gedichte auch schon gesichtet“, berichtet Lungstrass erfreut.

Nur der Mann, der ihren Text verwenden und verfremden wollte, erntete ein klares Nein und den Tipp, doch lieber selbst etwas zu verfassen. „Da geht es auch ums Copyright“, sagt die Urheberin.

In ihrem Beritt sorgt die Frau, die einen Jagdschein hat, aber keine Waffe, selbst für Abwechslung, verfasste weitere Reime für den „Hundefreund“ und auch für die jüngere Generation, die sich gern hier trifft, Titel: „Hey, Du!“ (siehe Kasten).

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Offensichtlich wirkt die Kombi aus Augenzwinkern und Abfalltüte: Auf dem Weg, am Wegesrand und an den Rastpunkten ist in der Regel alles paletti.

Nur ganz selten kommen ihre nett verpackten Bitten nicht an, liege der Müll direkt neben der Tüte, würden Gedichte angekokelt oder gar abgerissen. Ursula Lungstrass reagiert darauf mit einem Achselzucken. Und macht einfach weiter.