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„Fräulein Jule“Bettina Roth eröffnet ersten „Unverpackt“-Laden in Rhein-Sieg

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Auf Kontakt und Austausch mit ihren Kunden freut sich Bettina Roth. Am Samstag eröffnet sie ihren Unverpackt-Laden in Wahlscheid.

Lohmar-Wahlscheid – Mit Spannung fiebert Familie Roth aus Mackenbach den nächsten Tagen entgegen: Tochter Jule wechselt in die weiterführende Schule. Und auch Mutter Bettina, ausgebildete Grundschullehrerin, sagt dem Klassenzimmer wohl endgültig adieu:

Am 1. September, dem Samstag, eröffnet sie in der Wahlscheider Straße 35 den ersten „Unverpackt“-Laden im Rhein-Sieg-Kreis. „Fräulein Jule“ heißt das Geschäft, für das die Tochter nicht nur Namenspatin stand, sondern auch Modell für den Scherenschnitt im Logo.

Alles ohne Pappe und Plastik: Festes Shampoo aus einer Hennefer Fabrik werden in Einmachgläsern präsentiert.

„Irgendwie unzufrieden“ sei sie zuletzt immer gewesen mit der Arbeit an der Schule, gesteht die 40-jährige Jungunternehmerin im Gespräch zwischen Regalen, die schon fertig eingeräumt sind, und leeren Schütten.

Noch sind nicht alle der 200 bis 250 Artikel eingetroffen, täglich treffen neue Waren ein. „Mehrheitlich Bio“, vor allem aber regional erzeugt und auf kurzen Wegen nach Wahlscheid gekommen: Die Kekse aus Hennef, der Kaffee aus einer Rösterei in Siegburg. Getreide und Mehl müssen nur von Neunkirchen-Seelscheid nach Wahlscheid gebracht werden. Und den Wein liefert ein Bio-Winzer von der Mosel. Der Sekt bildet in der Einwegflasche eine Ausnahme im Sortiment: „Sektflaschen sind Druckbehälter“, da haftet die Herstellerfirma nur für die erste Befüllung. Und die Sicherheit, dass kein Riss das Glas schwächt, kann bei Pfandflaschen eben niemand gewährleisten.

Dafür lässt sich die Zahnbürste im Regal daneben sogar kompostieren, kommen die Zahnputztabletten – „eines meiner Lieblingsprodukte“ – ganz ohne Tube aus Metall oder Kunststoff aus. Putz- und Spülmittel lassen sich aus einem Baukastensystem zusammenstellen, „festes Shampoo“ am Stück wird aus Einmachgläsern verkauft.

Abkehr vom Verpackungswahn

„Unbewusst habe ich wohl schon vorher Müll vermieden“, beschreibt Bettina Roth ihre Abkehr vom Verpackungswahn der Industrie; dazu gehört der Anbau von Gemüse im eigenen Garten, der Einkauf in Hofläden und von Flaschen ausschließlich im Pfandsystem. Vor einem Jahr traf sie die bewusste Entscheidung, möglichst nah an das Ziel „zero waste“ zu kommen – null Müll.

Llose aus der Schütte kommen Trockenfrüchte mit und ohne Schokoladenüberzug.

Doch schnell merkte sie, dass es da eine Grenze gab. „Bei Süßigkeiten oder Chips“, aber auch bei Mehl, Getreide oder Rosinen, Trockenobst, was die Kinder gerne mögen. „Ich stehe nicht mit dem Zeigefinger in der Küche“, betont sie. Aber alles in Tüten und Packungen, „das ging mir gegen den Strich“. Doch auch die Fahrt in Unverpackt-Läden nach Köln oder Bonn konnte ja nicht die Lösung sein. „Da blieb nur, selbst was aufzumachen“, zumal sie beim Aushelfen im Scheider Hofladen gemerkt hatte, dass ihr der Kundenkontakt immer Spaß machte.

Ein Workshop, den sie in Kiel in einem Unverpackt-Laden absolvierte, bestärkte die zweifache Mutter – Sohn Johann ist sieben Jahre alt – in ihrem Plan, als gut investiert sieht sie den Aufwand für die drei Monate währende Begleitung durch einen IHK-Gründungscoach an. „Das kostete Geld“, möglicherweise bewahre solches Fachwissen aber auch vor hohen und unnötigen Ausgaben.

200 bis 250 Artikel umfasst zum Start das Sortiment.

Seit dem 1. Juni ist Bettina Roth Mieterin des Ladenlokals an der Wahlscheider Straße 35; die ehemalige Metzgerei, die zuletzt ein Nagel- und Kosmetikstudio beherbergte, bietet 20 Quadratmeter Verkaufsfläche, zudem ein kleines Lager.

Auf das Angebot von Milchprodukten, von Gemüse oder anderer frischer Ware muss sie aus Platzgründen verzichten. Grüner Hingucker im Laden ist stattdessen eine kühn geschwungene Theke. „Die stand mal in einem Kino“, sagt die Besitzerin. Ein Schreiner aus Schönenberg hat das gute Stück aufgearbeitet und neu verkleidet. Natürlich mit Recyclingmaterial.

Auf den Kontakt und den Austausch mit ihren Kunden freut sich die Jungunternehmerin. „Es ist wichtig, eine Stammkundschaft aufzubauen“, weiß sie. Aber auch spontane Käufer will sie mit Unterstützung einer 450-Euro-Kraft bedienen können: Wer kein Behältnis dabei hat, wird bei ihr welche kaufen können.

Fräulein Jule, Wahlscheider Straße 35 in Lohmar-Wahlscheid, geöffnet Montag bis Samstag von 8.30 bis 13 Uhr. Nachmittags außer Mittwoch und Samstag von 15 bis 18.30 Uhr.