Die Lohmarer Heimatblätter erzählen auf 196 Seiten interessante und teils auch völlig skurrile Geschichten.
196 SeitenLohmarer Heimatblätter erzählen von Mofas in Kneipen und einer Gräfin im Altenheim
Auf dem Moped durch die Kneipe – Beklopptheit gilt ja im Rheinland als besonderes Markenzeichen, sogar als Auszeichnung. Einige Beispiele dazu stehen in den neuen Lohmarer Heimatblättern.
So kann „Brauhäuschen“-Wirt Ralf Maier von zwei jungen Männern erzählen, die einmal im Jahr mit Mopeds nach Italien fuhren. Wenn sie zurückkamen, ging es knatternd mit ihren 50-Kubikzentimeter-Kreidlern einmal quer durch die Kneipe an der Hauptstraße 111, vorne rein und hinten raus, wovon auch ein Foto kündet.
Zur Zeit der Dinosaurier lag Lohmar im Mündungsdelta eines Urflusses
Wolfgang Weber vom Heimatverein Lohmar (HGV) berichtet in der 196-seitigen Ausgabe, dass es in den 1970er Jahren noch 20 Kneipen in Lohmar-Ort gab, heute nur noch wenige. Da reiht sich in den Erinnerungen der Wirte und Gäste Anekdote an Anekdote. Und man merkt, dass Kneipengeschichte ein veritabler Teil der Ortsgeschichte ist.
Manchmal auch der Musikgeschichte. So in dem Abschnitt über die „Campingklause“ auf dem Campingplatz an der Agger. 1974 stand dort der Kelly-Bus der damals noch unbekannten Kelly-Family. Den ganzen Sommer fuhr die vielköpfige Familie täglich nach Köln, um in der Fußgängerzone Straßenmusik zu machen. Diese bekamen auch die Gäste der „Campingklause“ zu hören. Der kleine Angelo sammelte danach die Spenden ein.
Wie weit man in der Heimatgeschichte den Bogen spannen kann, belegt ein Blick in die Erdgeschichte: Vor 400 Millionen Jahren befand sich das Rheinland noch im Meer. Zur Zeit der Dinosaurier lag Lohmar im Mündungsdelta eines riesigen Urflusses. Vor 25 Millionen Jahren verschwand das Meer endgültig. Vor fünf Millionen Jahren verlagerte sich der Rhein zum größten Teil in sein heutiges Bett; Ton-, Kies- und Sandablagerungen blieben übrig.
Auch Zeitgeschichte findet man in den Lohmarer Heimatblättern
So auch das Sandloch am Birkenweg, dessen Sand von 1948 bis 1961 für die Bauwirtschaft abgetragen wurde. Und was kam dann ins Loch? Müll! So ehrfurchtslos, könnte man meinen, geht die heutige Menschheit mit ihrem Millionen Jahre alten Erbe um.
Auch Zeitgeschichte findet man in dem Band. So ein Interview von Wolfgang Röger mit Hausmeister Darwish Abdo. Der jesidische Kurde war 2000 wegen wachsender Anfeindungen mit seiner Frau Kudrat aus Syrien geflüchtet, wo er Lehrer war. In Deutschland wird sein Beruf nicht anerkannt, ab 2008 arbeitete er als Hausmeister der Jabachhalle, nun seit 2021 als Hausmeister des Lohmarer Gymnasiums. Von den vier Kindern des Ehepaars studieren derzeit zwei Medizin, die beiden anderen Pharmazie und Bauingenieurwesen.
Weiter zurück greifen Elisabeth Klein und Klaus A. Schneider, die von Amtsknechten, Fronhalfen und Erbenwaldförstern im Zusammenhang mit der Familie Kuttenkeuler vom 16. bis 18. Jahrhundert berichten.
Eine Gräfin verstarb 2010 in einem Lohmarer Altenheim
„Ein Holzhaus zieht um“, nennen Martina Furk und Klaus Lang ihren Beitrag über ein kleines 1932 gebautes Häuschen am Mühlenweg 12, in dem bis 2017 Liesel Düren wohnte. Das für den einstigen Siedlungsbau typische Gebäude ließ dann ein neuer Besitzer aus der Gegend Haiger Burbach südlich von Siegen Stück um Stück in Lohmar ab- und in seiner Heimat wieder aufbauen. Es ist mehr eine Familien- als eine Umzugsgeschichte. Erbaut wurde das Haus von Josef Gries. Er war damals das älteste von 16 Kindern der Familie Gries.
Viel Lesenswertes findet sich wieder in den Heimatblättern. Etwa auch von Hans Dieter Heimig über eine 2010 im Altenheim Lohmar verstorbene Gräfin oder von Norbert Rautenberg über das einstige Heidehaus in Lohmar-Heide. Stark vertreten ist auch die Naturpflege-Abteilung des HGV unter anderen mit dem Hobby-Enthomologen (Schmetterlingskundler) Edmund Stricker. Höchst interessant ist die ausführlich beschriebene Wanderung für Jung und Alt an 16 markanten Punkten vorbei, unter anderem im Wald zu Resten der V2-Abschussrampe aus dem Zweiten Weltkrieg.
Floß des berlebenskünstlers Rüdiger Nehberg steht in Lohmar
In Lohmar gibt es nun auch ein ganz interessantes Objekt des Abenteurers, Menschenrechtsaktivisten und Überlebenskünstlers Rüdiger Nehberg (1935-2020). Er überquerte 1992 mit einem großen selbstgebauten Floß den Atlantik vom Senegal nach Brasilien. Bisher stand es im Technikmuseum Speyer, wo man aber keinen geeigneten Platz mehr für das Floß mit dem Namen „The Tree“ hatte. Abenteurer und Extremsportlehrer Joey Kelly holte „The Tree“ dieses Jahr auf seinen Hof in Lohmar-Hohn, wovon ebenfalls ein Artikel in den Heimatblättern 2024 kündet.
Weitere Autoren im Band sind Peter Hennekeuser, Michael Kreuzer, Harald Bertsch, Michael Cieslik, Dr. Rita Tondorf, Willi Meurer, Erik Schmitz, Kurt Oberdörster, Erwin Rußkowski und Hans Heinz Eimermacher. Erhältlich ist das Buch, 196 Seiten, viele Abbildungen, für 14,50 Euro in der Lohmarer Buchhandlung LesArt und beim Heimatverein (HGV).