Lohmars neue Bürgermeisterin„Glaube nicht, dass ich als Frau härter attackiert werde“
Lohmar – Gerade erst hat sie die Bilder aufgehängt und den dicken, grünen Frosch platziert, da würde die neue Bürgermeisterin am liebsten wieder ausziehen aus dem Rathaus – 400 Meter weiter ins Stadthaus, wo die meisten Verwaltungsbeschäftigten arbeiten. Doch dort sei momentan zu wenig Platz, bedauert Claudia Wieja. Der Kontakt, der Austausch, das sei ihr wichtig, „ich muss mich ja bei vielen Themen erst mal schlau machen“.
Klar habe sie als Kommunalpolitikerin der Grünen nach vielen Jahren im Stadtrat Einblicke nicht nur in ihre Stammthemen – Schule und Jugend – gehabt. Und aus ihrer beruflichen Tätigkeit in der Wirtschaftsförderung beim Kreis bringt die 55-Jährige zusätzlich Erfahrungen mit. Dennoch habe der Wechsel an die Stadtspitze die Perspektive verändert und die Diskussionen am heimischen Esstisch gewürzt: „Es ist meine Verwaltung, vor die ich mich stelle.“
Die Position ihres Mannes sorgte für Gesprächsstoff
Der Kommunalpolitik gehe es oft nicht schnell genug, doch manche Abläufe bräuchten halt ihre Zeit. Pikant: Wieja ist mit Horst Becker verheiratet, mit dem starken Mann bei den Grünen, was den einen oder anderen im Rathaus nach ihrem Wahlsieg beschäftigte. Sie habe sich in den ersten Tagen bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wo es trotz Corona möglich war, persönlich vorgestellt, erzählt die Bürgermeisterin: „Das kam, glaube ich, ganz gut an.“
Klare Kommunikation gepaart mit freundlichem Lächeln öffnet Türen, das funktioniert auch im virtuellen Raum, wie das erste Bürgergespräch per Zoom zeigte; etwa 50 Menschen verfolgten es auf Facebook. Dass sie auch Zähne zeigen kann, spürte jüngst zum wiederholten Male der politische Gegner, die CDU-Fraktion. Die für sie ehrenrührigen Angriffe aus dem Fraktionsvorstand parierte Wieja mit einer Unterlassungsklage (wir berichteten).
Netzwerk der Bürgermeisterinnen
Wird sie als Frau auf diesem Posten und als erste grüne Bürgermeisterin in der Stadt härter attackiert? Sie überlegt kurz, schüttelt den Kopf: „Ich denke nicht.“ Bei den meisten Bürgern spiele das keine Rolle. Und auch in der großen Bürgermeisterrunde fielen die Parteifarben nicht ins Gewicht, die neuen könnten den erfahrenen jederzeit Fragen stellen: „Das ist total kollegial.“ Mit Alexandra Gaus, der grünen Bürgermeisterin von Windeck, habe sie sich intensiver kurzgeschlossen und – über die Kreisgrenze hinweg – mit der neuen Bürgermeisterin der Nachbarstadt Rösrath, ebenfalls eine Grüne.
Die Verantwortung, die der Rollenwechsel mit sich bringt, beschäftigt sie auch in der Freizeit, wo sie vor allem bei Spaziergängen mit Hündin Luna Entspannung sucht. Am schönsten sei der Gewinn an Gestaltungsmöglichkeiten: „Ich kann nicht nur Anträge stellen und hoffen, dass diese durchgehen, sondern selbst die Dinge vorantreiben, wie beim Bau von Grundschule und Kita in Birk, der zeitgleich erfolgen soll.“ Die große, grüne Fraktion im Rücken, die in der Koalition mit SPD und UWG eine komfortable Mehrheit im Stadtrat hat, erleichtert das „Regieren“.
Schulsanierung, Wohnungsbau, Altenheime, ärztliche Versorgung, Breitbandausbau, Radwege, ÖPNV, Förderung von Einzelhandel, Gastronomie, mittelständischer Unternehmen – das alles will die studierte Volkswirtin anpacken, viele Gespräche standen schon auf dem Programm: mit Investoren, Grundbesitzern, der Telekom.
In der Stadtverwaltung gehe es darum, alle gut durch die Corona-Krise zu führen: Im Homeoffice auch noch die Kinder zu beschulen, das sei belastend, „da wollen wir unseren Mitarbeitern entgegenkommen“. Wie schwierig es sein kann, Beruf und Familie unter einen Hut zu kriegen, weiß Wieja. Die Lohmarerin, die während des Studiums in Bonn gewohnt hatte, kam 1994 bewusst zurück, zog mit ihren vier Kindern in ein großes Backsteinhaus in Wahlscheid. Dort lebt sie heute noch.