Schlafstörungen und fehlende StrukturStationäre Jugendeinrichtung Lohmar im Lockdown
Lohmar – Woche Nummer 15 im Lockdown: Das Leben vieler Familien spielt sich daheim ab, auch dort, wo Zuhause etwas anderes bedeutet. In der Kinder- und Jugendhilfe Hollenberg in Lohmar hat sich das Leben durch die Pandemie verändert. Einige Jugendliche kommen gut mit der Reduzierung der sozialen Kontakte zurecht, andere weniger.
Probleme bereitet der Schulunterricht, denn es gibt nicht genügend Laptops für alle. Suaad ist 15 Jahre alt und lebt seit neun Jahren „Am Berg“, wie Bewohner und Mitarbeiter die vollstationäre Jugendhilfeeinrichtung am Donrather Dreieck nennen.
Mit weiteren Jugendlichen wohnt sie in Haus 3, wo Pädagoge Ralf Löwenstein nicht nur die Pubertierenden bei Laune halten, sondern auch deren Unterrichtszeiten koordinieren muss. „Besuch von außerhalb zu bekommen ist momentan schwierig“, sagt Suaad. Ihre Schwester lebe in einer Einrichtung in Siegburg und sei häufig der einzige soziale Kontakt außerhalb der Wohngruppe.
Fünfjährige leiden unter Schlafstörungen
Dieser gehört auch Louis an, ebenfalls 15. „Für mich macht der Lockdown keinen Unterschied, ich bin eh gerne für mich“, sagt er. Die Jugendlichen dürfen sich gegenseitig auf ihren Zimmern besuchen, ab 19 Uhr dürfen sie allerdings das Gelände nicht mehr verlassen. Anders als für die pädagogischen Fachkräfte gilt für die Heranwachsenden keine Maskenpflicht. „Wir mussten da abwägen zwischen Infektionsschutz und dem persönlichen Wohlbefinden“, sagt Susanne Heyd, seit wenigen Monaten Leiterin des Hollenbergs.
Doch nicht alle Kinder und Jugendlichen kämen so gut zurecht, schildert Heyd: „In der Kindergruppe gibt es eine Fünfjährige, die sehr darunter leidet, nicht mehr in den Kindergarten gehen zu können. Sie hat deutliche Schlafstörungen, träumt von Monstern unter dem Bett und ist weniger ausgeglichen.“
Die Mitarbeiter versuchten, den Kindern und Jugendlichen einen möglichst normalen Alltag zu bereiten. „Sie dürfen natürlich ihr Taschengeld ausgeben und sich in dem Rahmen bewegen, der gerade erlaubt ist. Ihnen ist bewusst, dass man auch ihnen ein Bußgeld auferlegen kann, wenn sie zu dritt unterwegs sind“, sagt Löwenstein.
Beim Schulunterricht gibt es deutliche Unterschiede
Dennoch schaffte es das Virus im Herbst auf den Hollenberg: „Ein Mitarbeiter hatte es und der hat leider auch zwei Mädchen angesteckt. Da musste die ganze Gruppe in Quarantäne.“ Den Pädagogen sei in Absprache mit dem Ordnungs- und dem Kreisgesundheitsamt eine sogenannte Pendel-Quarantäne gestattet worden. Sie durften sich zu Hause und in der Gruppe aufhalten.
„Wir haben in dieser Zeit viel Spielmaterial angeboten, auch mal Obst und was Süßes, um es den Kindern so bequem wie möglich zu machen und damit die Tage nicht zu lang werden. Das war ganz schön anstrengend, aber sie haben das alle toll hingekriegt“, lobt Heyd.
Deutlich werden Unterschiede beim Schulunterricht: Während Gymnasiast Louis auf einen eigenen Laptop zurückgreifen kann, muss sich Gesamtschülerin Suaad ein Gerät mit drei weiteren Gruppenmitgliedern teilen. Auf den Pädagogen Löwenstein kamen besondere Herausforderungen zu. „Jede Schule hat ihren eigenen Umgang mit dem Heimunterricht, nutzt andere Online-Plattformen. Ich muss jeden Tag die Nutzungszeiten des Laptops koordinieren – wenn jemand Deutsch hat, wird der gegenüber jemandem, der Sport hat, bevorzugt. Da muss man Prioritäten setzen.“
Den Jugendlichen fehlt ihre nötige Struktur
Auf einem Whiteboard im Flur von Haus 3 tragen er und seine Kollegen die Fächer und die jeweilige Abhängigkeit von einem Computer ein. Den Jugendlichen bei den Hausaufgaben zu helfen, bereite den Pädagogen die gleichen Schwierigkeiten wie sonst Eltern. „Mit Differenzialgleichungen kenne ich mich natürlich auch nicht aus“, räumt Löwenstein ein. Einige Jugendliche seien morgens kaum aus dem Bett zu bekommen. „Ihnen fehlt die Struktur, die sie brauchen, um im Alltag zurechtzukommen.“
Hinzu komme die miserable Internetverbindung. „Das liegt nicht nur am Netz – unser Server ist noch mal besonders geschützt, das verbraucht zusätzlich Daten. Mehr PCs machen die Situation nicht unbedingt besser“, schränkt Heyd ein.
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Auch der Hollenberg sehnt das Ende des Lockdowns herbei. „Wir sind alle froh, wenn eine neue Normalität einkehrt und die Dinge wieder berechenbarer werden“, betont Heyd. „Aber das ist vielleicht ausnahmsweise der Vorteil in der Gruppe: Dadurch, dass jeden Tag andere Pädagogen im Dienst sind, kann man sich immer über jemand anderes aufregen.“