Hat der Niederkasseler, der in einem Bus „Heil Hitler“ rief, eine rechtsextreme Gesinnung? Das versuchte das Jugendgericht zu ergründen.
Im LinienbusNiederkasseler Koch-Azubi muss für Hitlergruß Strafe zahlen und Brief schreiben
Der junge Mann im hellen, gebügelten Oberhemd hatte bislang strafrechtlich gesehen eine weiße Weste. Was in dem Koch-Azubi aus Niederkassel vorgeht, das wurde vor dem Jugendgericht nicht so recht deutlich. Der Niederkassler hatte im Mai in einem voll besetzten Linienbus „Sieg Heil“ gerufen, den Hitlergruß gezeigt und einen Passagier als „Scheiß Kanake“ beschimpft. Die „Ideologie des Nationalsozialismus“ teile sein Mandant aber nicht, versicherte sein Strafverteidiger.
Der Anwalt verlas eine geschliffen formulierte Erklärung, in der von moralisch verwerflichem Handeln und von Provokation die Rede war, am nächsten Morgen sei der Vorfall seinem Mandanten extrem peinlich gewesen.
Im Bus nach Lülsdorf war der Azubi von südländisch wirkenden Männern angepöbelt worden
An jenem besagten Abend hatte der 19-Jährige das Zündorfer Strandfest besucht, war sehr betrunken und mit seinem Freund auf dem Heimweg gewesen. Der Alkohol habe dessen „Fähigkeit, klar zu denken und angemessen zu handeln, stark beeinträchtigt“.
Der Angeklagte, der sehr bedröppelt wirkte, beantwortete die Fragen von Richter Dr. Alexander Bluhm zu seiner Person. Er lebt noch bei seiner Mutter, die Eltern sind getrennt, von seinem Azubilohn von knapp 1000 Euro brutto muss er nichts abgeben. Gefragt nach seinen Hobbys sagte er: „nur Zocken“, also Computerspiele.
Im Bus war er zunächst von mehreren jungen, „südländisch wirkenden“ Männern angepöbelt worden, er stieg daraufhin vorzeitig aus, vier folgten ihm und schlugen ihn zu Boden, Fahrgäste aus dem Bus halfen ihm auf, so dass er wieder einsteigen konnte. Das ist durch Zeugenaussagen belegt. Emotional aufgewühlt habe sein Mandant kurze Zeit später einen Fahrgast mit augenscheinlichem Migrationshintergrund rassistisch beleidigt, so der Verteidiger.
Der Angeklagte muss einen Entschuldigungsbrief schreiben
Der zeigte den Azubi an. Andere, darunter auch dunkelhäutige Fahrgäste, denen er den Hitlergruß gezeigt hatte, verzichteten auf eine Anzeige. Sie waren als Zeugen geladen, mussten aber in der Hauptverhandlung nicht mehr aussagen. Der 19-Jährige legte ein umfassendes Geständnis ab.
Dass er wütend und betrunken war, das könne seine Taten nicht erklären, sagte der Richter. Wenn er selbst angegriffen würde, käme es ihm „nicht in den Sinn, Heil Hitler zu rufen“, so Bluhm: „Halten Sie sich demnächst aus solchen Sachen raus.“
Das Jugendgericht verhängt vor allem erzieherische Strafen. So muss der Koch nun an den Anzeigenerstatter einen Entschuldigungsbrief schreiben, das sei nachhaltiger als nur mündlich, schlug die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe vor. Die Staatsanwaltschaft regte an, wegen des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole (1945 legte der Alliierte Kontrollrat die Strafbarkeit fest) zusätzlich eine Geldstrafe von 300 Euro zu verhängen. Dem folgte das Gericht.
Der Angeklagte zeigte sich einverstanden, das Urteil ist rechtskräftig.