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ZUEStadtrat in Niederkassel stimmt mit großer Mehrheit für Geflüchtetenunterkunft

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Ein Grundstück, Straßen, im Hintergrund ein See.

Auf diesem Grundstück an der Spicher Straße zwischen Niederkassel-Ort und Uckendorf soll die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes für bis zu 350 Geflüchtete entstehen.

Das Land wird in Niederkassel eine Unterkunft für bis zu 350 Geflüchtete bauen. Dafür hat sich der Stadtrat mit großer Mehrheit ausgesprochen.

Der Stadtrat hat den Weg für den Bau einer sogenannten Zentralen Unterbringungseinheit (ZUE) für bis zu 350 Geflüchtete auf Niederkasseler Stadtgebiet freigemacht. Die Politiker stimmten mit großer Mehrheit dafür, dass die Stadt einen entsprechenden Vertrag mit dem Land schließt. Für das Vorhaben votierten 29 Ratsmitglieder von CDU, SPD, Grünen und FDP, dagegen stimmt der Vertreter der AfD. Vier Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme: Marcus Kitz (CDU), Ulrich Buchholz und Sascha Essig (Grüne) sowie Eckart Rüther (BSW).

In Betrieb gehen soll der Containerbau nach jetzigem Planungsstand spätestens zum Ende des zweiten Quartals 2025 auf einem Grundstück zwischen Niederkassel-Ort und Uckendorf. Das mehr als 9000 Quadratmeter große Areal, das inzwischen der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) gehört, liegt in unmittelbarer Nähe des Niederkasseler Kreisverkehrs und wird von einer Kiesgrube, der L269 und der Spicher Straße begrenzt. Die Stadt verpachtet das Areal für zunächst zehn Jahre an das Land, das die Unterkunft für Geflüchtete betreiben wird. Der Kooperationsvertrag zwischen Stadt und Land enthält die Option auf eine Verlängerung der Pacht.

Stadt Niederkassel argumentiert mit Einsparungen von 26 Millionen Euro

Die große Mehrheit der Ratsmitglieder erhofft sich von der ZUE große finanzielle Vorteile für Niederkassel. Denn die Kosten für Bau und Betrieb werden vom Land übernommen. Trotzdem werden die in der ZUE aufgenommenen Geflüchteten komplett auf die Unterbringungsverpflichtung der Stadt angerechnet. In einer Kalkulation hatte die Stadtverwaltung vorgerechnet, dass sie während der zunächst zehnjährigen Vertragsdauer rund 26 Millionen Euro sparen wird. Würde die ZUE nicht gebaut, müsste die Stadt, die sich seit Ende vergangenen Jahres in der Haushaltssicherung befindet, diesen Betrag für den Bau und den Betrieb eigener Unterkünfte für die Geflüchteten aufbringen.

Vertreter von CDU, SPD, Grünen und FDP machten in der von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern besuchten Ratssitzung klar, dass der Bau der ZUE das kleinere von zwei Übeln ist. „Keiner von uns hat sich die Errichtung einer zentralen Unterkunft für Geflüchtete in Niederkassel gewünscht“, machte der Fraktionsvorsitzende Dano Himmelrath für die CDU deutlich. „Doch die aktuelle Situation erfordert, dass wir pragmatische Lösungen finden, um den Herausforderungen, die vor uns liegen, gerecht zu werden.“

Keiner von uns hat sich die Errichtung einer zentralen Unterkunft für Geflüchtete in Niederkassel gewünscht
Fraktionsvorsitzender Dano Himmelrath, CDU

Die Stadt werde auch in Zukunft Geflüchtete zugewiesen bekommen. Der Bau eigener Unterkünfte wäre für sie aber kaum zu stemmen. „Es wäre fahrlässig, sich gegen diese Lösung zu stellen, nur um kurzfristig Sympathien zu gewinnen, wenn dies langfristig zu deutlich größeren finanziellen Belastungen führen würde“, sagte Himmelrath mit Hinweise auf viele kritische oder sogar ablehnende Stimmen in der Bevölkerung.

SPD-Fraktionschef Friedrich Reusch erinnerte daran, dass es für die Stadt nicht nur aus finanziellen Gründen zuletzt immer schwieriger geworden sei, eigene Unterkünfte für Geflüchtete zu schaffen. „Und nun bietet sich die Gelegenheit, statt der Einrichtung weiterer dezentraler Standorte, deren Kosten zu Lasten der Stadt gehen, eine ZUE einzurichten, die voll in der Zuständigkeit, Verantwortung und Trägerschaft des Landes unterhalten wird.“

Nach den Zusagen der Bezirksregierung könne man davon ausgehen, dass beim Betrieb der Einrichtung die Einwände, Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst genommen würden und alles dafür getan werde, Missstände zu vermeiden. Dies zeigten die Erfahrungen an anderen ZUE-Standorten.

„Wir sind als Ratsmitglieder dem Wohl unserer Stadt und unserer Bürgerinnen und Bürger verpflichtet“, begründete FDP-Fraktionsvorsitzende Anette Wickel die Zustimmung der Liberalen. Würde sich der Rat gegen die ZUE aussprechen, kämen auf die Stadt in einer ohnehin schwierigen Situation weitere Kosten zu. Alle angeführten Argumente ließen auch für die FDP nur eine Entscheidung zu: „Wir stimmen für die Einrichtung einer ZUE.“

Niederkasseler Grüne setzen auf breite Diskussion in der Stadt

Ähnlich argumentiert auch die Mehrheit der Ratsmitglieder der Grünen. Deren Fraktionsvorsitzende Stephanie Mendel wünscht sich jetzt eine gemeinsame Diskussion mit Verwaltung, Parteien, Vereinen, Schulen, Kirchen, Organisationen, Firmen und Bürgerinnen und Bürgern darüber, „wie wir uns der Herausforderung gemeinsam stellen können, dass immer mehr Menschen hier Zuflucht und Schutz suchen, ohne in pauschalisierende Verdächtigungen oder in ungerechtfertigte Vorurteile zu verfallen.“

Keine Mehrheit fand ein Vorstoß der Grünen, beim Land darauf zu drängen, dass die Stadt Mitsprache bei der Art und Weise der Betreuung der Geflüchteten in der ZUE erhält. Eine solche Einmischung sei rechtlich nicht zulässig, argumentierte Sozialdezernent Carsten Walbröhl. Offenbar auch deshalb enthielten sich zwei Mitglieder der Grünen-Fraktion bei der Abstimmung.

Der Entscheidung des Stadtrates vorangegangen war eine Einwohnerfragestunde, die vor allem Gegner der ZUE nutzten. Wie schon eine Woche zuvor bei einer Bürgerversammlung begründeten mehrere von ihnen ihren Widerstand gegen den Bau der Einrichtung mit Behauptungen über angebliche Massenvergewaltigungen und andere Straftaten durch Geflüchtete sowie mit angeblich drohenden Versorgungsengpässen im Niederkasseler Einzelhandel.