LandgerichtTochter soll in Niederkassel mit Beil auf ihren Vater eingeschlagen haben
Bonn/Niederkassel – Verloren stand sie mitten im Bonner Schwurgerichtssaal, selbst ihre beiden Verteidiger bemerkten die Angeklagte nicht: klein, unauffällig, fast mädchenhaft in schwarzem Anorak und mit Mundschutz, in der Hand einen bordeauxroten Stoffbeutel.
Die 52-Jährige ist – und das ist sehr ungewöhnlich – auf freiem Fuß, obwohl ihr versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen werden. Die Gehörlose habe, so die Anklage, ihren Vater im Schlafzimmer mit einem Beil angegriffen und ihm mehrmals auf den Kopf geschlagen. Dann soll sie den 81-Jährigen, der in Lebensgefahr schwebte, liegen gelassen und sich in ihre Wohnung im gleichen Haus in Niederkassel zurückgezogen haben. Das soll in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 2021 passiert sein.
Vater ist nicht mehr aus dem Koma erwacht
Zwei Tage später wurde der Senior bewusstlos mit multiplen Verletzungen an Kopf und Gesicht in der Badewanne gefunden. Ein Sohn aus Köln hatte sich Sorgen gemacht, da der Vater sich nicht meldete. Der 81-Jährige, Vater von vier Kindern, ist aus dem Wachkoma nicht mehr aufgewacht. Am 22. Juli dieses Jahres, fast anderthalb Jahre nach dem Gewaltverbrechen, starb er in einem Porzer Krankenhaus an den Folgen der massiven Kopfverletzungen.
Kammervorsitzender Klaus Reinhoff erklärte am Montag zum Prozessauftakt, dass nun auch eine Verurteilung wegen Totschlags in Frage komme – Mindeststrafe immerhin fünf Jahre. Die Angeklagte, die von Geburt an gehörlos ist, schien der Hinweis nicht weiter zu berühren: Sie bestritt erneut die Tatvorwürfe vehement. „Übersetzt“ wurden die Gesten der 52-Jährigen, die keine Silbe von sich gibt, von zwei Gebärdendolmetschern. Da sich die Tochter nicht weiter äußert und der Vater nie ein Wort zu dem Geschehen sagen konnte, wird es ein aufwendiger Indizienprozess. Denn direkte Beweise gegen die 52-Jährige gibt es offenbar nicht. Ein dringender Tatverdacht liege nicht vor, so ihr Verteidiger Boris Krösing am Rande des Prozesses. Der Verdacht soll erst auf sie gefallen sein, als andere Möglichkeiten ausgeschlossen wurden, wie beispielsweise ein gewaltsamer Einbruch.
Drei Rechtsmediziner beauftragt
Die Tochter könne durch die häusliche Nähe die Tat unbemerkt begangen haben, führte der Staatsanwalt aus. Und die Tatwaffe, die Axt, gehöre zum Hausrat. Da Tochter und Vater wohl kein gutes Verhältnis hatten, wie andere Familienmitglieder berichteten, liege auch ein Motiv vor. Streit soll es gegeben haben, weil die Tochter aus ihrer Einliegerwohnung ausziehen sollte. Gestritten wurde auch über die Gefährlichkeit des Corona-Virus’, von dem der Vater sich bedroht fühlte und sich aus Angst abgeschottet hatte.
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Für das Gerichtsverfahren sind vorerst vier weitere Verhandlungstage geplant. Rund 30 Zeugen sollen gehört werden, neben Beamten der Kriminalpolizei und Nachbarn auch die Geschwister der Angeklagten. Allein drei Rechtsmediziner wurden mit verschiedenen Fragestellungen beauftragt, um den Fall aufzuklären.