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ZwangsversteigerungSchnäppchen mit gewaltigem Haken

Lesezeit 4 Minuten

Peter Lemke fiel einem Betrüger zum Opfer.

Niederkassel/Siegburg – „Meine Freunde sagen, es hätte sich für mich gelohnt – wegen des günstigen Preises“, sagt Peter Lemke. „Aber sie sehen nicht den ganzen Ärger und Rennerei, die ich wegen der Sache hatte.“ Für den Niederkasseler ist klar: „Nie wieder würde ich ein Haus aus einer Zwangsversteigerung erwerben.“ Davor habe er sich ein Limit gesetzt, wie weit er steigern wollte. Doch die unvorhersehbaren Kosten, die danach kamen, hätten seinen Finanzrahmen weit überschritten.

Lemke ersteigerte am Amtsgericht Siegburg ein fast neues, gepflegtes Einfamilienhaus in einem Lülsdorfer Wohngebiet. Zunächst sah die Sache ganz einfach aus: Der gerichtlich bestellte Gutachter hatte den Wert der Immobilie auf 261 000 Euro taxiert, der Hammer fiel schon bei 181 000. Ein Schnäppchen – aber eins mit einem gewaltigen Haken.

2013 wurden am Amtsgericht Siegburg 215 Zwangsversteigerungs-Verfahren eröffnet. „Von der Eröffnung bis zur tatsächlichen Versteigerung dauert so ein Verfahren durchschnittlich ein Jahr“, sagt Peter Büllesfeld, Richter am Amtsgericht. Genügend Zeit für in Geldnot geratene Hauseigentümer, sich nach einer anderen Bleibe umzuschauen. Sollte man jedenfalls meinen. Doch es kommt oft vor, dass die Alteigentümer zu allen möglichen Tricks greifen, um das Haus nicht verlassen zu müssen.

Voreigentümer zog nicht aus

Das erlebte auch Peter Lemke: Der Voreigentümer machte keine Anstalten auszuziehen. Sechs Monate wohnte er weiter in dem Haus, das ihm nicht mehr gehörte. „Ich hatte zwar durch den Zuschlag am Amtsgericht einen Räumungstitel, aber der nutzte mir gar nichts“, berichtet Lemke. Dreimal musste er mit dem Gerichtsvollzieher anrücken. Zuerst täuschte der Mann vor, er selbst wohne gar nicht in dem Haus, sondern habe es vermietet. Als „Beweis“ legte er einen Mietvertrag vor, der sich als gefälscht herausstellte. Ein andermal gab er an, er würde mit Frau und Kindern in dem Haus wohnen. So schnell eine neue Bleibe zu finden, sei ihm nicht zumutbar. Zum Glück konnte Lemke den Mietvertrag für seine alte Wohnung verlängern, sonst hätte er sich als Hauseigentümer ein neues Dach über dem Kopf suchen müssen.

„So etwas kommt gelegentlich vor“, sagt Richter Büllesfeld. „Die Schuldner legen im Zivilverfahren Mietverträge vor, die aber nicht von einem Mieter unterschrieben sind, sondern in Wirklichkeit von einem Freund oder Bekannten, der ganz woanders wohnt.“ Letztlich komme man solchen Täuschungsversuchen zwar auf die Schliche, aber dadurch ziehe sich das Verfahren weitere Monate hin.

Auf das Verhalten des Schuldner achten

Rechtspfleger Bernd Rotscheroth von der Abteilung Zwangsvollstreckungen am Amtsgericht empfiehlt, schon während des Verfahrens auf das Verhalten des Schuldners zu achten. „Wenn er alle möglichen Anträge stellt, damit das Verfahren eingestellt wird, sollte man sich als Kaufinteressent genau überlegen, ob man sich das antut.“ Das seien aber nach seiner Erfahrung nur Einzelfälle.

Im vorliegenden Fall war der Schuldner nach sechs Monaten bereit, das Haus zu räumen. „Reines Glück“, meint Lemke: Der Voreigentümer war zeitgleich wegen Betrugs vor dem Amtsgericht angeklagt. „Die Urteilsverkündung in dem Verfahren stand kurz bevor“, so Lemke. „Er wusste, dass er nicht mehr nur auf Bewährung verurteilt wird, wenn er keinen guten Willen zeigt.“

Wenige Tage nach dem Sinneswandel – Lemke hatte in der Zeit vergeblich auf sechs Monatsmieten à 950 Euro gewartet, die Stornokosten des Umzugsunternehmens für die abgeblasenen Räumungstermine beliefen sich auf 2500 Euro – kam es eines Morgens im Januar zum Übergabetermin.

Doch dann kam noch eine böse Überraschung: Der Alteigentümer hatte alles im Haus abmontiert und weggeschafft. „Normalerweise gilt: Alles, was nach unten fallen würde, wenn man das Haus im Geiste auf den Kopf stellt, gehört dem Voreigentümer.“ Doch hier wurde noch viel mehr mitgenommen: unter anderem die fest installierte, maßgeschneiderte Einbauküche, die Markisen und alle Armaturen, sogar Fußleisten. „Der Kerl gönnte mir auch gar nichts“, ärgert sich Lemke, „die Fußleisten habe ich später im Mülleimer wiedergefunden.“ Im Beisein des Gerichtsvollziehers habe der Vorbesitzer unterschrieben, das ganze Zeug bis nachmittags 17 Uhr wiederzubringen. „Natürlich tauchten um 17 Uhr weder er noch die fehlenden Gegenstände auf!“

Logisch, dass der ganze Ärger ein Nachspiel vor Gericht hatte. Es endete mit einem Vergleich: 600 Euro, so der Vorschlag, solle der Schuldner an Lemke zahlen. „Schlagen Sie ein“, habe ihm der Anwalt geraten, „bei dem Kerl ist sowieso nicht mehr zu holen.“ Von der Richterin sei zum krönenden Abschluss noch der Tipp gekommen, ein Haus doch lieber gleich beim Makler zu kaufen. Das sei zwar teurer, aber im Allgemeinen mit deutlich weniger Ärger verbunden. Lemke: „So klug bin ich jetzt auch.“