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GeflüchtetenunterkünfteKommunen in Rhein-Sieg investieren Millionen Euro in Security

Lesezeit 4 Minuten
Container für Flüchtlinge in Lohmar

Die städtische Unterkunft am Lohmarer Dammweg wird von einem Sicherheitsdienst bewacht.

Gewalt in Unterkünften für Geflüchtete ist ein drängendes Thema. Vom Land gibt es einiges an Förderung – nicht für Sicherheitsdienste.

In einer Unterkunft für Geflüchtete in Kerpen wurde unlängst ein junger Syrer getötet, auch in Lohmar gab es in der Vergangenheit schon gravierende Vorfälle, 2020 kam es am Dammweg zu einer tödlichen Attacke, 2016 warf in einer Unterkunft an der Hauptstraße ein Mann seine Kinder aus dem Fenster. Sicherheitsdienste sollen für Ruhe und Frieden sorgen. Das kostet die Kommunen allerdings viel Geld.

Nur ein Teil der Aufwendungen für Geflüchtete, dazu zählen neben dem Wohnen auch die medizinische Versorgung und das Taschengeld, wird vom Land Nordrhein-Westfalen erstattet. Die Pauschale laut Flüchtlingsaufnahmegesetz liegt bei monatlich rund 1000 Euro pro Person.

Lohmar rechnet mit Kosten von rund einer Million Euro in den kommenden vier Jahren

Mit etwa 250.000 Euro pro Jahr rechnet Lohmar nur für die Security, eine Million Euro werden schätzungsweise für die kommenden vier Jahre fällig: Die Stadt muss den Auftrag europaweit ausschreiben. Nach Beginn des Ukrainekriegs, als sehr rasch viele Geflüchtete untergebracht werden mussten, sei eine solch aufwendige Ausschreibung für den Sicherheitsdienst nicht nötig gewesen, hieß es in der vergangenen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses.     

Abends und nachts sollen jeweils zwei Kräfte dafür sorgen, dass außerhalb der Besuchszeiten keine unangemeldeten Dritten auf dem Gelände und in den Unterkünften verweilen, keine illegalen Aktivitäten stattfinden und die Nachtruhe eingehalten wird. Stündliche Kontrollgänge gehören dazu, das Personal soll deeskalierend eingreifen und ist berechtigt, Personalien zu überprüfen und Platzverweise auszusprechen.

Kommunen müssen dauerhafte finanzielle Belastungen einplanen

Die Kommunalpolitik bemängelte mehrheitlich allerdings die wenig aussagekräftige Vorlage des Beigeordneten Andreas Behncke, in der zum Beispiel die Einsatzzeiten fehlten, und vertagte den Punkt. Es entstehe aber keine Lücke, der derzeitige Auftragnehmer bleibe bis zu einer endgültigen Entscheidung vor Ort, versicherte Bürgermeisterin Claudia Wieja.

Lohmar ist nicht die einzige Kommune, die hier wohl dauerhaft finanzielle Belastungen einkalkulieren muss.Troisdorf fährt einen ähnlichen Kurs, in den beiden größten Wohnheimen mit 150 beziehungsweise 180 Plätzen ist von 18 bis 6 Uhr ein Sicherheitsdienst eingesetzt, Kosten im Jahr 2024: insgesamt 490.000 Euro.

Siegburg setzt an einer größeren Unterkunft am Siegdamm eine Nachtwache von 21 bis 7 Uhr ein, jeweils ein Mann und eine Frau. Außerdem fahre ein weiterer Mitarbeiter, der sogenannte Revierdienst, in der Zeit von 21 bis 6 Uhr alle Unterkünfte unregelmäßig mehrmals an, „alles ohne jegliche Bewaffnung“, teilte Stadtsprecher Jan Gerull mit. Zu den Kosten wolle die Stadt keine Angaben machen, da die Neuausschreibung des Auftrags kurz bevor stehe.     

In Niederkassel ist Sicherheitspersonal Tag und Nacht im Einsatz

In Neunkirchen-Seelscheid, wo derzeit zwei größere Unterkünfte geplant werden - eine am Höfferhof, eine in Hochhausen -, werde „die Betreiberin der Unterkunft, die Entwicklungsgesellschaft des Kommunalunternehmens der Gemeinden Much und Neunkirchen-Seelscheid, gemeinsam mit dem Sozialamt für jede ihrer Unterkünfte ein Schutzkonzept“ entwickeln, hieß es aus dem Rathaus.

Hausmeister und Sozialarbeiter seien regelmäßig vor Ort. In Hochhausen zum Beispiel sehe man aufgrund der Belegungszahl (132) und der Belegungsstruktur (ausschließlich anerkannte Asylbewerber) aktuell keinen Bedarf für einen Sicherheitsdienst. Dieser könne bei Bedarf aber jederzeit beauftragt werden.

Tag und Nacht ist hingegen in Niederkassel Sicherheitspersonal im Einsatz, jeweils zwei Personen in Rheidt an der Unterkunft Eifelstraße und in Mondorf auf dem Gelände des früheren Mobau-Stahlhandels an der Rudolf-Diesel-Straße. Das sagte Stadtsprecher Markus Thüren. Da dieser Auftrag in Kürze ausgeschrieben werden müsse, wolle er zu den Kosten nichts sagen. Nimmt man die Berechnungen aus Lohmar zur Grundlage, dürfte es sich um einen Millionenbetrag handeln - pro Jahr.  

Lohmar erhofft sich eine Entlastung durch den Bau der geplanten Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE), die komplett vom Land NRW finanziert wird - inklusive Sicherheitsdienst. Die Zahl der dort untergebrachten Menschen, bis zu 310, wird auf die Quote der Stadt angerechnet. Derzeit könnten Lohmar noch weitere 161 Geflüchtete zugewiesen werden. Ohne die ZUE drohten nach Berechnung des Beigeordneten Mehrkosten von insgesamt etwa vier Millionen Euro pro Jahr.

Auch in Niederkassel will das Land eine ZUE bauen. Doch bleibt zunächst ein Bürgerentscheid abzuwarten. Die Gegner einer Großunterkunft kritisieren unter anderem die Gefahren für die Sicherheit.


22 Menschen sind ausreisepflichtig

Je größer die Unterkunft, desto höher der Bedarf an Betreuung und Bewachung. Aber auch der Status der Geflüchteten kann Konfliktpotenzial bergen. In Lohmar leben beispielsweise 52 Geduldete, 22 davon seien unverzüglich ausreisepflichtig, heißt es in einer Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der CDU. Abschiebungen lägen in der Hand des Rhein-Sieg-Kreises. Wie viele Intensivtäter und psychisch Auffällige unter den Geflüchteten sind, dazu könne man keine Angaben machen. In der Schwebe ist das Thema Bezahlkarte: Der Kreis befürworte eine einheitliche Regelung, die Sozialdezernenten-Runde Anfang Juni werde sich damit befassen.