WM 2022Boykottieren oder übertragen Gastwirte in Rhein-Sieg die Spiele in Katar?
Rhein-Sieg-Kreis – Noch rund sechs Wochen dauert es, bis am 20. November das erste Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar angepfiffen wird. Das Public Viewing in Europa findet diesmal wohl mit der Glühweintasse in der Hand statt – aufgrund des Klimas im Wüstenstaat musste das Turnier in die Wintermonate verlegt werden.
Das ist jedoch nicht das einzig Ungewöhnliche an dieser WM: Um das Gastgeberland hat sich eine heftige Kontroverse entwickelt. Menschenrechtsverletzungen, gerade gegenüber Frauen und Menschen aus der queeren Community, tausende Gastarbeiter, die beim Bau neuer Stadien teils unter ungeklärten Umständen gestorben sind: Die WM in Katar steht in heftiger Kritik und Rufe nach Boykott werden laut.
In Frankreich etwa haben Städte wie Lille, Straßburg und Reims beschlossen, die Spiele nicht öffentlich auszustrahlen. Einige Gastwirte aus der Region, etwa in Köln, haben angekündigt, ihrem Beispiel zu folgen.
Gastwirte in Rhein-Sieg: Zwischen Moral und Wirtschaftlichkeit
Auch im Rhein-Sieg-Kreis stehen viele Besitzer von Gaststätten und Sportkneipen vor einer schweren Entscheidung. Übertragen sie die WM in Katar trotz der Berichte über erhebliche Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland? Oder boykottieren sie das Turnier und verzichten, trotz finanzieller Schwierigkeiten durch die Corona-Pandemie und die steigenden Energiepreise, auf wertvolle Zusatzeinnahmen?
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Die Antworten auf diese Frage fallen ganz unterschiedlich aus. „Wir finden die menschenunwürdigen Bedingungen zum Beispiel beim Stadionbau überhaupt nicht gut“, sagt Roger Sieger, Chef mehrerer Gaststätten in der Region, unter anderem in Troisdorf. „Wir werden die Spiele zwar übertragen, machen aber keine besondere Werbung dafür und werden unsere Öffnungszeiten auch nicht für die WM anpassen. Vielleicht ist die Nachfrage auch überhaupt nicht da – es finden ja viele Leute schlimm, was in Katar passiert.“
Gastronom aus Siegburg: Einnahmen sind in Krisenzeiten überlebenswichtig
Auch Augustin Bagaric, Inhaber des Restaurants „Sion im Carré“ ist die Entscheidung nicht leicht gefallen. Er hat in den letzten Jahren immer wieder Public Viewing-Events veranstaltet, zu denen viele Besucher kamen. „Meiner persönlichen Meinung nach ist es schlimm, was in Katar passiert“, sagt er. „Aber die Leute wollen die Fußballspiele gerne sehen, also haben wir auch diesmal ein Public Viewing mit weihnachtlicher Atmosphäre geplant.“
Für andere Kneipeninhaberinnen und -inhaber wiegen die wirtschaftlichen Aspekte eindeutig schwerer. Eine Gaststättenleiterin aus dem Rhein-Sieg-Kreis, die anonym bleiben möchte, findet klare Worte: „Ich habe eine Fußballkneipe; es wäre ein riesiger Verlust, wenn ich die Weltmeisterschaft nicht zeigen würde. Und irgendwie muss ich meine Familie ja ernähren. So viele Leute freuen sich auf die WM, warum sollte man ihnen das kaputt machen, nur weil die FIFA mit der Vergabe an Katar einen Fehler gemacht hat?“
WM in Katar: Kneipenbesitzerin aus Siegburg sieht Diskussion pragmatisch
Sie sei sich jedoch sicher, dass der Fußball-Weltverband den Austragungsort der großen Turniere in Zukunft sorgsamer auswählt: „Aus dieser Geschichte hat die FIFA mit Sicherheit gelernt. Ich denke nicht, dass so etwas wie jetzt mit Katar nochmal passiert.“
Doch es gibt auch einige, auf deren Planung die Kontroversen um die WM keinen Einfluss haben. Eine Kneipenbesitzerin aus Siegburg zum Beispiel sieht die Sache ganz pragmatisch: „Wenn das Fernsehen die Spiele überträgt, zeigen wir sie auch“, sagt sie. „Ich stehe dieser Debatte völlig neutral gegenüber.“