Geschäfte sollen „Stille Stunden“ anbieten, die Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen den Einkauf erleichtern.
Inklusion beim EinkaufenEinzelhandelsverband Bonn/Rhein-Sieg wirbt für „Stille Stunde“ im Supermarkt
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Supermärkte sind voller Reize – einzelne Läden setzen dem sogenannte stille Stunden entgegen, an denen es ruhiger zugeht.
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Wer in einem Supermarkt einkauft, wird in der Regel schon am Eingang mit Reizen überflutet: Backwaren und Parfums verströmen Duftwolken, das Marktradio beschallt mit Musik und Werbespots, hell leuchtende Strahler setzen die Ware ins rechte Licht und auf Displays und Bildschirmen laufen in Endlosschleifen Videos. Für die meisten, die ihren täglichen Bedarf im Supermarkt decken, ist das kein Problem. Für Rebecca Lefevre allerdings ist einkaufen unter diesen äußeren Bedingungen mehr als eine Herausforderung. Die Limburger ist Autistin und hat ADHS und Reizüberflutung kann bei ihr zu einer massiven psychischen Überlastung führen.
Für Menschen wie Rebecca Lefevre bieten einige wenige Supermärkte inzwischen sogenannte "Stille Stunden" an. Zu bestimmten Zeiten werden in den Geschäften dann Lautsprecher und Displays ausgeschaltet, Lichter gedämmt und Kundinnen und Kunden gebeten, auf laute Gespräche oder Telefonate zu verzichten. Der Einzelhandelsverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen möchte, dass auch Märkte in der Region künftig verstärkt solche Einkaufszeiten anbieten, in denen es ruhiger und reizarmer zugeht, auch um einen Beitrag zur Inklusion von Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen zu leisten.
Kick-off-Treffen im Siegburger Kreishaus
„Auch wir im Handel wollen nicht immer nur nach der Barkasse gucken“, sagt Jannis Vassiliou, der Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes. Inklusion sei eine gesellschaftliche Aufgabe, der sich auch seine Branche stellen wolle. Vassiliou hatte jetzt Supermarktbetreiber, kommunale Wirtschaftsförderer und Vertreter von Stadt- und Gemeindeverwaltungen aus dem Rhein-Sieg-Kreis ins Siegburger Kreishaus geladen, um sie zusammen mit Rebecca Lefevre für das Thema "Stille Stunde" zu sensibilisieren.
Lefevre selbst hat vor zwei Jahren in der Schweiz erstmals eine solche reizarme Einkaufszeit erlebt. „Für mich war sofort klar, das brauche ich“, schildert sie. Seitdem rührt die gelernte Werbekauffrau zusammen mit dem von ihr gegründeten Verein „Gemeinsam zusammen“ ehrenamtlich die Werbetrommel für das Projekt. Unter anderem hat sie alle Landkreise angeschrieben, um das Thema auch dort bei Politik und Verwaltung zu platzieren. Einer dieser Briefe landete auch im Siegburger Kreishaus, weshalb auch Landrat Sebastian Schuster an der Kick-off-Veranstaltung des Einzelhandelsverbands teilnahm.
Menschen, die massiv unter Reizüberflutung leiden, sind eine große Zielgruppe und deshalb für Wirtschaft und Handel relevant, argumentiert sie. Für sie Bedingungen zu schaffen, die ihnen den Besuch eines Supermarktes ermöglichen, sei deshalb im ureigenen Interesse des Handels. „Es sind nicht nur Autisten und Menschen mit ADHS. Wir sind viele“, sagt Lefevre. Auch für Menschen mit Migräne, chronischem Erschöpfungssyndrom, Schädel-Hirn-Trauma, Hörbehinderung könnten stillen Stunden einen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe leisten.