Urlaub in CoronazeitenSehnsuchtsorte der Redaktion – Und wohin zieht es Sie?
Rhein-Sieg-Kreis – Alassio, italienische Riviera
Es hat wohl damit zu tun, dass ich mit meinen Eltern vor etwa 50 Jahren Ferien im Fischerdorf Laigueglia verbrachte, die flirrende Hitze genoss und mich immer wieder ins Meer stürzte. Ein Rhythmus, der mir gefiel und mich treiben ließ – an einem der letzten Tage über die Promenade nach Alassio, wo die Budello parallel zum Strand mit mehrstöckigen Altbauten Schutz vor der Sonne gab und fast alle Klischees bedient wurden: rauchende und streitende Marktfrauen, Kindergeschrei, dröhnende Radios, der Geruch von Sonnenmilch, frischem Obst, Vanille und Espresso. So nahm ich den Süden wahr.
Zehn Jahre später ging es mit Freunden nach Alassio, fast immer im Herbst, wenn die Strände wieder frei sind von Liegestühlen und hohen Preisen, genug Raum bleibt für Boule, lange Spaziergänge am Strand – dann stürzte ich mich wieder ins Meer.
Mit bis zu 50 Personen – Alter: von einem Jahr bis 90 Jahre – fallen wir jeden Oktober in Alassio ein, unsere Kinder und deren Kinder sind auch dabei. Nicht alle treffen wir jeden Tag. Die Vertrautheit bleibt in der großen Gruppe und lässt doch alle Freiheiten.
Jeder macht, was er will, flanieren oder wandern, shoppen, schmökern, Musik hören. Oder: gar nichts tun – sich treiben lassen, was für ein Luxus! Ob dies gemeinsam auch anderswo möglich wär? Nein, nicht für mich und nicht für Stefan, nicht für Uschi, Sue und Bart.
Die Serie „Sehnsuchtsorte“
Ab in den Süden, der Sonne hinterher, Gipfel stürmen oder lieber ans Wasser und Leinen los? Die zurückgewonnene Reisefreiheit erlaubt es uns, dahin zu kommen, wo wir aufatmen, glücklichen Momenten des Lebens nachspüren können. Zum Auftakt der Sommerserie „Sehnsuchtsorte“ erzählen drei Redakteure, wohin sie unbedingt (wieder) reisen wollen.
Haben Sie auch ein Lieblingsreiseziel? Wo zieht es Sie hin? In unserer Sommerserie „Sehnsuchtsorte“ geben wir Leserinnen und Lesern Gelegenheit, ihren favorisierten Urlaubsort vorzustellen. Die Beiträge werden in loser Reihenfolge veröffentlicht.
Schreiben Sie uns per Post oder per E-Mail, am besten mit einem Urlaubsbild und einem Porträt von Ihnen. Unser Fotograf kommt aber auch gern für eine Aufnahme und ein Repro zu Ihnen nach Hause. Die Adresse: Rhein-Sieg Rundschau/Rhein-Sieg Anzeiger, Neue Poststraße 15, 53721 Siegburg. (kh)
Wenn wir abends herunterblicken auf Strand und Gassen, die Lichter angehen, die Haut von der leichten Brise verwöhnt wird, stellt sich eine angenehme Müdigkeit ein, sind Träume zum Greifen nah. Das mag manch wohlhabenden Engländer im frühen 19. Jahrhundert nach Alassio gezogen haben: nicht mehr arbeiten, nicht mehr frieren, auch nicht im Winter. In Villen im Park der Winde richteten sie sich kommod ein.
In der Villa Pergola, wo Hitchcock drehte, im Hanbury Tennis Club, in der englischen Bibliothek mit Gemälden von Richard West wird diese Zeit lebendig. Und sie lässt mich träumen von den vergangenen 50 Jahren. Ja, es stimmt: Die italienische Riviera ist das „Treibhaus der Sehnsüchte“.Reinhard Bernardini
Argentinien
Da standen wir nun am Flughafen von Santiago de Chile, warteten auf den Nachtflug nach Europa. Dreieinhalb Wochen waren wir durch Chile und Argentinien gereist. Und versprachen uns kurz vor dem Start: Das soll nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir dort waren.Mehr als ein Jahr hatten wir der Reise entgegengefiebert, die lang gehegte Träume erfüllen sollte.
Dann zwangen uns die Unruhen in Chile nur wenige Tage vor der Abreise zum Umplanen, nach kurzem Zwischenstopp in Santiago wechselten wir von der einen Seite des Kontinents auf die andere. Und waren tief beeindruckt vom achtgrößten Land der Erde.
Das quirlige Buenos Aires, das doch unmittelbar vor dem Stadtzentrum mit Sumpf und großen Echsen aufwartet und mit Tangolokalen wie im Film, wo Ventilatoren an der Decke langsam kreiseln. Wir reisten in die Pampa und zu den Wasserfällen von Iguazú, brachten 30 Stunden im Bus nach Patagonien hinter uns.
Die Begegnung mit mächtigen Walen vor der Valdés-Halbinsel zählt sicher ebenso zu den Höhepunkten dieses Urlaubs wie eine Wanderung am Fuß des Aconcagua, des mit fast 7000 Metern höchsten Berges der westlichen Hemisphäre. Mehr als einmal glaubte ich, in einem Traum unterwegs zu sein. War ich wirklich hier, an Orten, die ich bisher nur als fast mythisch verklärte Namen kannte?
Immer wieder tauchen seither Erinnerungen auf, begleitet von dem schmerzhaften Bedauern darüber, dass eine weitere Reise nach Lateinamerika wohl eine vorerst unerfüllte Sehnsucht bleiben wird: Die Grenzen sind für Touristen geschlossen, furchtbar wütet die Pandemie unter der Bevölkerung.
Corona stürzt Menschen in Armut und gefährdet die ohnehin fragile Stabilität in den Ländern des globalen Südens. Was bleibt, ist die Hoffnung auf bessere Zeiten. Und der Blick auf die Weltkarte an der Wand in unserer Küche.
Zeeland, Niederlande
Da ist er wieder, der salzige Geruch der Nordsee, das Getöse des Meeres beim Sturm, der die Einkaufstaschen nach hinten drückt, wenn ich aus dem Schatten der Dünen trete und mit voller Wucht von den Böen durchgeschüttelt werde. Zeeland, immer wieder muss es Zeeland sein.
Mindestens zwei Mal im Jahr zieht es mich dorthin – am liebsten in eines der Schlafhäuschen am Strand. Ungeschützt der Wucht der Natur ausgesetzt, türmt sich nach einer Orkannacht der Sand auf der Terrasse, hat es unablässig gerappelt und geklappert. Und doch war der Schlaf erholsam.
Am Morgen rauschen die Wellen an den Strand, die Gischt treibt über den breiten, von der Ebbe frei gelegten Sandstreifen, die Möwen kämpfen sich voran, ihre Schreie sind die Musik zu meinem Tee, den ich auf der Holzbank genieße.
Nur wenige Spaziergänger gehen an der Wasserlinie entlang, Angler versuchen ihr Glück, ein Pferd galoppiert vorbei, mit seiner Reiterin auf dem Rücken. Die Sonne strahlt zwischen den grauen und weißen Wolken hindurch, ihr gleißender Schein pickt die Frachter, die aus der Schelde-Mündung kommen, farbig heraus.
Seit Jahrzehnten sehne ich mich nach diesem Landstrich. Es sind die satten Wiesen. Es ist das mittelalterliche Middelburg mit seinen gut erhaltenen Bauten, das quirlige Domburg, es sind die kleinen Cafés und vielleicht vor allem die größte Erfindung der Gastronomie Europas, die Strandpavillons. Hinter Glasscheiben geschützt schmeckt der leckere Kaffee noch mal so gut, wärmt die Sonne viel angenehmer, ist das Gefühl von Weite und Freiheit noch stärker als auf der Holzbank vor dem Strandhäuschen.
Am Abend, nach einem anstrengenden Tag voller Strandwanderungen und vor sich hinperlendem Nichtstun, versinkt der rotglühende Feuerball scheinbar im Wasser – da will ich hin, wieder und wieder.