Zahlreiche Geschäfte im Rhein-Sieg-Kreis verkürzen derzeit ihre Öffnungszeiten. Das ergab eine Umfrage des Einzelhandelsverbands in der Region. Das sind die Hauptgründe für die Betriebe, früher zu schließen.
UmfrageWieso zahlreiche Geschäfte im Rhein-Sieg-Kreis früher schließen
Jan Müller schließt seine Bäckerei in Niederkassel-Ranzel schon um 17 Uhr. „Wegen des Personalmangels ging es nicht anders“, erklärt der Bäckermeister. Mit den Gesellen Frank Burger und Bryan Cogle steht er jeden Morgen ab vier Uhr in der Backstube. Er würde gern einen weiteren Geselle einstellen, aber „der Markt ist leer“. Deshalb hilft seine Frau Jennifer oft aus. Allerdings fehlt sie dann im Laden.
Ein weiteres Problem seien die deutlich gestiegenen Preise für Energie und Material. „Wir müssen auf die Kostens schauen“, so Müller.
Ein Viertel der befragten Betriebe in Rhein-Sieg schließen früher
Corona, Energiekrise, zu wenig Personal und zu wenige Kunden: Die Mitglieder des Einzelhandelsverbands (EHV) Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen nennen mehrere Gründe dafür, warum sie die Öffnungszeiten ihrer Geschäfte verkürzen. Das ergab eine Umfrage des Verbandes unter seinen Mitgliedsbetrieben.
Von den 75 Betrieben, die sich an der Umfrage beteiligten, hatten 25 Prozent bereits weniger lang geöffnet. Weitere 18,7 Prozent ziehen das zumindest in Betracht, haben es aber noch nicht getan.
„Weil dann eh nichts mehr passiert“, neigt ein Befragter dazu, schon um 18 Uhr zu schließen; von einer grundsätzlich zurückgehenden Kundenfrequenz berichten auch andere Händler. Auf die Frage nach den neuen Öffnungszeiten, erklärten nur fünf von 33 Betrieben, dass sie nach 18.30 Uhr geöffnet blieben.
Edeka-Markt in Neunkirchen-Seelscheid schließt zwei Stunden früher
Noch sei es nur eine Minderheit der befragten Händler, die ihre Öffnungszeiten änderten oder einschränkten, sagt Jannis Vassiliou, geschäftsführender EHV-Vorsitzender. Dennoch gelte es, „die Probleme der Händler ernst zu nehmen.“ Vor allem wegen der massiv steigenden Energiekosten bei sinkender Konsumlaune brauche der Handel „schneller auf den Weg gebrachte Entlastungspakete“. Die genannten Faktoren stellten für alle Händler „eine existenzielle Gefahr“ dar.
„Wegen Energiekrise und Fachkräftemangel“ hat auch Heiner Kötter die Öffnungszeiten seines Edeka-Marktes in Seelscheid um täglich zwei Stunden verkürzt. Der Supermarkt an der Zeithstraße ist derzeit nicht mehr von 6.30 bis 21 Uhr geöffnet, sondern nur noch von 7.30 bis 20 Uhr. „Wir sind bei Edeka in einem Energiepool und daher gut aufgestellt, aber wir wollen auch unseren Beitrag zur Einsparung leisten“, sagt Kötter. Schwerer aber wiege für den Betrieb mit 60 Angestellten, dass „uns zwei bis vier Leute fehlen“. Die Fleisch- und Käsetheke ist deshalb nur bis 18 Uhr geöffnet.
Neunkirchen-Seelscheid: Edeka Kötter findet keinen Nachwuchs
„Wir haben zwei hervorragende Auszubildende, die uns bestätigen, dass der Job im Einzelhandel besser ist als sein Ruf. Aber in den letzten zwei Jahren ist es uns nicht gelungen, Nachwuchs zu gewinnen“, sagt Kötter, der demnächst auf einer Ausbildungsmesse um Azubis werben will. Vor der Reduzierung der Öffnungszeiten hatte er die Umsätze analysiert. „Zwischen 20 und 21 Uhr ist es grenzwertig, gerade im ländlichen Raum.“
Kötter bedauert, „dass die Discounter vor Ort nicht mitziehen. Aber wir haben nun einmal einen anderen Anspruch, wie wir unseren Kunden gerecht werden.“
Metzgerei aus Much fordert mehr Verständnis für die Branche
Die Metzgerei Fedder in Much hat ihre Öffnungszeiten um eine halbe Stunde täglich reduziert; damit passe man sich den meisten Läden auf der Hauptstraße an. Montags ist außerdem Ruhetag, zunächst wegen der Baustelle im Mucher Zentrum, die seit dem Frühjahr die Kundenfrequenz senkte, nun aber auch wegen der Energiekrise. „Alle reden über die Bäckereien, an die Metzger denkt keiner“, sagt Dorothee Fedder. „Dabei haben wir enorme Energiekosten, verursacht durch Kühlhäuser und Theke, Kutter und Kochanlagen.“
Auch das Familienunternehmen, zu dem ein Partyservice gehört, hat ebenfalls mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Drei Verkaufswagen lässt es deshalb schon längere Zeit ungenutzt. „Wir haben nicht genügend Leute. Es fehlen uns ein, zwei Kräfte, und das vorhandene Personal wollen wir nicht dauernd mit Überstunden belasten“, so Fedder.