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„Würde ist keine Floskel“Leiter der GFO-Intensivstation Michael Thelen im Interview

Lesezeit 3 Minuten

Auf der Intensivstation leiden viele Patienten derzeit unter Covid-19.

Rhein-Sieg – In den GFO-Kliniken mit den Standorten St. Johannes Sieglar und St. Josef Troisdorf stehen 19 Intensivbetten zur Verfügung, Patienten mit schweren Verläufen von Covid-19 bilden die größte Gruppe. Mit Michael Thelen, dem Leiter der Intensivstation in Troisdorf, sprach Dieter Krantz.

Wie hat Corona die Arbeit verändert?

Michael Thelen: Die Anspannung und Belastung haben deutlich zugenommen, und natürlich kämpfen auch wir mit einem gravierenden Mangel an Pflegekräften. Wir würden uns – wie alle Intensivstationen – über neue Kolleginnen und Kollegen freuen.

Michael Thelen

Was müssten die mitbringen?

Thelen:Mit beatmeten, schwerkranken Menschen zu arbeiten fordert körperliche Kraft, eine hohe Konzentrationsfähigkeit, verbunden mit einem genauen Zeitmanagement und der Fähigkeit, „um die Ecke“ zu denken. Damit meine ich, Gefahren im Voraus zu erkennen und diese zu „umschiffen“. Und das alles in belastender, schweißtreibender Schutzausrüstung plus FFP2-Maske, die das Atmen erschwert.

Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Thelen: Pflege selbst kann nicht in einem Satz erklärt werden. Der Großteil unserer pflegenden Mitarbeiter hat die Fachausbildung für die Intensiv- und Anästhesiepflege, somit eine langjährige Berufserfahrung. So erlernt man, völlig hilflosen Patienten in allen Dingen des Lebens zu helfen. Beatmung, Nierenersatz, also Dialyse, künstliche Ernährung und Kreislaufmonitoring sind nur einige unserer technischen Möglichkeiten. Spezielle Lagerungstechniken, Wundversorgung und Hygienekonzepte sind Tätigkeiten direkt am Menschen. Die Vielfalt der Pflege wird in dicken Lehrbüchern beschrieben, und nicht umsonst haben Intensivpflegende eine fünfjährige Ausbildung absolviert.

Immer wieder gibt es Kritik an der „Apparatemedizin“ . . .

Thelen: Uns allen ist ein Kernsatz aus Sicht der Patienten wichtig: „Für dich ist dies nur ein Arbeitstag, ich jedoch werde mich mein ganzes Leben daran erinnern.“ Für uns heißt das, man braucht nicht nur technische und pflegerische Kenntnisse, sondern auch Herz für diese Arbeit. Wenn ich sehe, dass Kolleginnen, die vielleicht 60 Kilo wiegen, doppelt so schwere geschwächte Menschen allein aus dem Bett mobilisieren, bin ich schon stolz darauf, ein Teil dieses Teams zu sein. Für den Patienten heißt das, „ich habe Vertrauen zu dieser Person“, sonst geht das nicht. Das Zwischenmenschliche ist hier das eigentlich Menschliche.

Das ist sicherlich für Sie und Ihre Kollegen auch seelisch belastend.

Thelen: Vieles kann man körperlich und seelisch nicht alleine. Ohne den starken Zusammenhalt innerhalb meiner Kollegen und Berufsgruppen wäre das alles nicht zu schaffen. Deshalb möchte ich mich für die Achtsamkeit untereinander und auch mir gegenüber von Herzen bedanken. Schließlich sind auch wir Pflegenden und Mediziner nur Väter, Mütter und Kinder. Wir wissen, dass wir nicht nur Lungen und Nieren behandeln, sondern den ganzen Menschen mit seinen Sorgen und Nöten.

... und die Sorgen der Angehörigen gleich mit.

Thelen: Dass die Familien mitleiden und in dieser schweren Zeit nur sehr eingeschränkt ihre Lieben besuchen dürfen, ist auch für uns nur schwer zu ertragen. Wir würden den Angehörigen gerne das von alleine entstehende „Kopfkino“ ersparen: Was machen die nur mit meinem Partner. Leider müssen wir uns mit Isolationsmaßnahmen den Erfordernissen dieser Erkrankung anpassen und hoffen auf das Vertrauen der Familie, darauf, dass wir alles tun, was medizinisch, pflegerisch, menschlich, technisch und moralisch richtig und notwendig ist. Die Würde unserer Patienten zu wahren ist keine Floskel, sie ist uns ein hohes Gut.

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Können die Angehörigen noch etwas tun?

Thelen: Ich habe dazu eine Bitte. Sollten Sie einen Angehörigen auf einer Intensivstation haben, geben Sie den Pflegenden große Bilder von zu Hause mit. Ob Familie, Hund oder Katze, alles, was für den Kranken zu Hause wichtig ist, hilft, die Motivation zu halten, wieder gesund zu werden. Um gesund zu werden, braucht man ein Ziel vor Augen.