Jawort in der KriseViele Paare in Rhein-Sieg heiraten trotz Corona – oder erst recht
Rhein-Sieg-Kreis – Ganz schön allein blieben in den vergangenen zwölf Monaten manche Männer und Frauen, die den „Bund fürs Leben“ schlossen: „Zeitweilig durften nur die Paare selbst ins Trauzimmer“, berichtet Heinz Stamm vom Mucher Standesamt; dann mussten Familie und Freunde vor der Tür bleiben. Und mehr als einen Hochzeitsplan warf die Pandemie vorerst einmal völlig über den Haufen.
Komplett abgesagt hat im März 2020 der Troisdorfer Standesamtsleiter Udo Rodarius alle Termine, bis auf ein paar „Nottrauungen zu dritt“. Die meisten hätten wie auch die Termine von April und Mai noch 2020 nachgeholt werden können, andere Heiratswillige schoben um ein Jahr.
Zahl der Trauungen waren in Troisdorf 2020 nur etwas niedriger
Gleichwohl lag in der größten Stadt des Rhein-Sieg-Kreises die Zahl der Trauungen nur „etwas niedriger“ als in anderen Jahren. Vielleicht habe dazu aber auch beigetragen, dass Verlobte aus anderen Kommunen nach Troisdorf kamen, weil am Wohnort noch weniger möglich war. Die Schließung deutscher Botschaften im Ausland trug ihrerseits zu Absagen bei: Ehepartner aus dem Ausland konnten keine Visa beantragen und daher nicht einreisen.
„Verhalten“ nennt Udo Rodarius die Situation bei den Reservierungen für 2021, die Brautpaare warteten noch auf die Öffnung der Lokalitäten. In den Trauzimmern auf Burg Wissem und im Rathaus sind derzeit zehn Personen erlaubt. Feierlichkeiten vor dem Trauzimmer sind ebenso unmöglich wie Sektempfang oder Rosenspalier von großen Verwandtschafts- und Freundeskreisen.
Mit nur einer Person aus einem fremden Haushalt und Kontaktbeschränkungen auch im privaten Rahmen ist eine Hochzeit zu Pandemiezeiten je nach Sichtweise eine Chance, ohne viele Gäste zu feiern oder der Zwang, die Gästeliste immer weiter zu kürzen.
Heiraten in Corona-Zeiten: Die Freunde warteten draußen
Diese Beschränkungen auf der Burg Wissem waren für Vera und Philipp Klein aus Hennef kein Hinderungsgrund für eine angemessene Hochzeit: „Das war trotz der Corona-Bedingungen total schön“, sagt Vera Klein, geborene Brochhaus. „Verschieben, das stand für uns nie im Raum.“ Die beiden und acht ihrer Gäste durften beim eigentlichen Akt in der Burg Wissem dabei sein, Eltern, Großeltern und Trauzeugen. Schon die Geschwister mussten draußen bleiben.
„Zum Jawort durften wir die Masken abnehmen und uns küssen“, erinnert sich Klein. Draußen standen Freunde mit gebührendem Abstand, ließen Luftballons steigen, und der Bräutigam musste seine Frau durch ein ausgeschnittenes Herz tragen.
Es habe an nichts gefehlt, sagen die Frischvermählten. Mit einem Cadillac von 1926 fuhr das Paar über die breite Burgallee und zurück nach Hennef. „Ich habe zwischenzeitlich gehadert, wie wir das an dem Tag machen“, erinnert sich Vera Klein.
Eine Woche vorher kam die rettende Idee für die Feier. Keine große Tafel, sondern kleine Gruppen kamen nacheinander zu Kaffee und Kuchen vorbei. Am Abend waren sie dann zu zweit allein, mit Tapas vom Spanier.
In den Trauzimmern wird um jeden Sitzplatz gefeilscht
Anderswo ist es weniger entspannt. „Es wird um jeden Sitzplatz gefeilscht“, berichtet die Siegburger Standesamtsleiterin Bettina Eisen. Viele Diskussionen müssen sie und die drei Kolleginnen deshalb führen, aktuell dürfen zehn Personen ins Trauzimmer oder in die Aula im Stadtmuseum.
„All inclusive“, betont die Amtsleiterin: Brautpaar und Standesbeamtin mitgerechnet. Auch Kinder werden gezählt. Und damit, so erklärt Bettina Eisen, seien die Siegburgerinnen benachbarten Kommunen noch voraus. Einen „Trauungstourismus“ wollten sie aber nicht. Schließlich bedeute der Kontakt zu den wechselnden Gesellschaften auch für die Beamtinnen zusätzliches Risiko.
Deutliche Zurückhaltung bei den Heiratswilligen hat man in den vergangenen Monaten auch beim Niederkasseler Standesamt registriert. Viele Hochzeiten, die ursprünglich für Januar, Februar oder März geplant waren, seien in der Hoffnung auf Lockerungen bei den Corona-Beschränkungen ins späte Frühjahr oder in den Sommer verschoben worden, berichtet Stadtsprecher Markus Thüren. Im Januar fand im Rathaus deshalb keine einzige Trauung statt, im Februar waren es gerade einmal drei und im März fünf.
Manche Paare haben Angst vor der Notsituation in der Pandemie
„Sehr kurzfristig“ hätten sich dennoch etliche Paare angemeldet, berichtet der Mucher Standesbeamte Heinz Stamm. „Am liebsten von heute auf morgen“, wollten sie heiraten, in Sorge angesichts der Bedrohung durch Corona.
Das hat Udo Rodarius ebenfalls erlebt: Die Angst, im Krankenhaus Partner oder Partnerin nicht besuchen zu dürfen, keine Auskünfte zu bekommen oder im allerschlimmsten Fall mit dem Nachlassgericht streiten zu müssen, ließ manchen nach 20 Jahren „wilder Ehe“ doch noch nach dem Trauschein streben.
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„Warum sollte man in so schwierigen Zeiten heiraten?“ hat auch Bettina Eisen etliche Paare gefragt, die langjährige Beziehungen amtlich machten. Und auch wenn sie nicht immer offene Antworten bekam, so glaubt sie doch „dass das viele schon bewegt hat“. 208 statt 259 Trauungen im Jahr zuvor gab es 2020 insgesamt: Paare, die 2019 ihre Feiern geplant und gebucht hatten. Andere, die den Termin zunächst verschoben hatten in der Hoffnung auf eine bessere Situation – und es dann irgendwann doch leid waren, erneut zu verschieben. „Jedes Paar hat seine eigene Geschichte“, sagt Bettina Eisen.
Geküsst aber wurde – und wird – auch in Coronazeiten nach der Trauungsformel: „Es wird dann schwierig“, räumte Heinz Stamm aus Much ein, dass Küssen mit Maske wenig gefühlig sei. „Der Spuckschutz steht zwischen Standesbeamtin oder -Beamtem und Brautpaar, nicht zwischen den Verlobten“, betonte Udo Rodarius. Und die Maske dürfe das Paar zum Jawort ebenso abnehmen wie zum Kuss.