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VR-Bank Rhein-Sieg Chef„Ich habe den Vorstoß gemacht, Krawattenpflicht abzuschaffen“

Lesezeit 4 Minuten

Holger Hürten ist der neue Vorstandvorsitzende der VR-Bank Rhein-Sieg.

Rhein-Sieg-Kreis – Ein Bankdirektor ohne Krawatte! Nicht nur an Weiberfastnacht verzichtet Holger Hürten auf den Binder. Redakteurin Cordula Orphal sprach mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden der VR-Bank Rhein-Sieg über Bekleidungsvorschriften, Bargeld und die Filiale der Zukunft.

Herr Hürten, waren Sie als Kind eher ein Sparfuchs, oder haben Sie die Groschen am Kiosk verjubelt?

Hürten: Ich bin am Weltspartag geboren, da war mein Weg schon vorgezeichnet (lächelt). Mein Elternhaus hat mich geprägt, das dörfliche Umfeld, mein Vater war Handwerker, meine Mutter Zahnarzthelferin. Sparen stand hoch im Kurs, Dinge auf Pump zu finanzieren galt als unanständig. Mir hat es an nichts gefehlt, ich habe aber schon zu Schulzeiten gern gejobbt, unter anderem für eine Spedition Stapel von Kirchenzeitungen zu 84 Verteilstellen in Düsseldorf gebracht. Ich kannte mich in Düsseldorf beinahe besser aus als jeder Taxifahrer.

Ihre erste große Anschaffung vom eigenen Geld?

Ein Mini-Cooper. Den habe ich auch selbst unterhalten.

Sie haben nach dem Abitur als Auszubildender bei der VR-Bank angefangen. Ihr Traumberuf?

Auf der Realschule habe ich mal ein Metall-Praktikum in einem Maschinenbaubetrieb gemacht, das war nichts für mich. Später auf dem Gymnasium meinten die Lehrer, eine Ausbildung sei eine gute Grundlage für ein Studium. Die Kleiderordnung in der Bank hat mich nicht gestört. Obwohl ich ein Rockmusikfan war, es bis heute bin, mein erstes Konzert waren AC/DC in Köln, die Karte ein Geschenk meines Onkels. Meine Eltern haben nur den Kopf geschüttelt.

Sie haben nie den Arbeitgeber gewechselt, waren früh Geschäftsstellenleiter, hatten Sie da schon den Bankdirektor im Blick?

Das mit dem Vorstandswunsch kam viel später. Dabei waren Josef Ludwig und Theo Hauber meine Vorbilder. Dass ich schon mit 26 Jahren die wichtige Geschäftsstelle Sieglar leitete, war eine große Auszeichnung. Eine Situation ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Ein aufgebrachter Kunde wollte unbedingt „den Chef“ sprechen, als er mich sah, meinte er aber, nein, nicht den, und zeigte auf den Kassierer, einen äußerst korrekten, seriösen, älteren Mitarbeiter, der für mich immer den „Bankbeamten“ verkörperte, eine Bezeichnung, die meine Großmutter gern verwendete. Davon abgesehen, bin ich auch als junger Chef ernst genommen worden. Für den Vorstand bewirbt man sich im Übrigen nicht. 2007, ich absolvierte gerade einen Qualifizierungslehrgang, begannen die Perspektivgespräche. 2014 wurde ich in den Vorstand berufen, 2019, als Vize, habe ich den Vorstoß gemacht, die Krawattenpflicht abzuschaffen.

Kam das gut an?

Nicht bei allen. Wir sind ja damals als VR-Bank-Band sogar mit einheitlichen, orangefarbenen Bindern aufgetreten. Ich halte die Kleiderordnung für verstaubt, die Genossenschaftsbank will den Kunden auf Augenhöhe begegnen, wir sind keine „Bankbeamten“, sondern Finanzdienstleister. Wir können doch froh sein, dass die Kunden zu uns kommen. Uns vertrauen. Ich lebe ja dort, wo unsere Kunden wohnen, da möchte ich mich beim Einkaufen nicht hinterm Milchregal verstecken müssen. Der Markt indes ist viel schwieriger geworden, vor allem durch die lange Niedrigzinsphase und das veränderte Kundenverhalten sowie nicht zuletzt die zunehmende Digitalisierung im Bankgeschäft. Wir wollen aber präsent vor Ort bleiben, bodenständig, so, wie es der Kunde wünscht.

Wie passt dazu Ihre digitale Filiale am Bahnhof Troisdorf?

Wir probieren dort viel aus – sozusagen ein großangelegtes Experiment. Nicht das erste in unserer 130-jährigen Geschichte. Die VR-Bank hatte den ersten Geldautomaten im Rhein-Sieg-Kreis. Es ist ein Spagat: Wir müssen mit der Zeit gehen und ein breites Spektrum anbieten, sonst sind wir weg vom Markt. Die Videoberatung zum Beispiel wird sehr gut angenommen. Da investieren wir jetzt in die Technik.

Der Vorstand der VR-Bank ist rein männlich. Ist das noch zeitgemäß?

Nein, wir müssen als Vorstand für mehr Diversität sorgen auf der mittleren Führungsebene, im Aufsichtsrat, auch bei uns. Eine Arbeitsgruppe kümmert sich um die Frage „Wie sieht die Arbeitswelt von morgen aus?“, wie flexibel, wie mobil werden wir arbeiten, welche Möglichkeiten kann der Arbeitgeber Genossenschaftsbank bieten, Beruf und Privatleben zu vereinbaren? Die aktuelle Krise mit Homeoffice und Homeschooling wirkt als Beschleuniger.

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Wird es in 25 Jahren noch Filialen mit Angestellten geben, haben wir noch Bargeld im Portemonnaie?

Beides ja. Wenn auch weniger.

Haben Sie einen Überblick über all Ihre Finanzen?

Recht genau. Ich besitze selbstverständlich auch ein Sparbuch, weniger wegen der Zinsen, eher als Symbol, dass es wichtig ist, Geld zur Seite zu legen, um sich später etwas leisten zu können. Dabei habe ich immer 100 bis 150 Euro in Scheinen, Münzen nur im Auto, als Parkgeld. Heute habe ich aber mein Portemonnaie vergessen.