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Walter Kiwit wird 90 Jahre„Das Verhältnis mit Landrat Franz Möller war ideal“

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Den Michaelsberg hat Walter Kiwit von seiner Terrasse aus stets im Blick.

Rhein-Sieg-Kreis – Bis ins Siebengebirge blickt Dr. Walter Kiwit von der Terrasse seines Siegburger Hauses aus, er sieht den Michaelsberg und den Schlauchturm des Kreisfeuerwehrhauses mit dem Wetterhahn. Den hat der frühere Oberkreisdirektor zum 60. Geburtstag vom Kreis geschenkt bekommen. Kiwit blickt auf ein spannendes und recht sorgenfreies Leben, doch hat ihm ein Oberschenkelhalsbruch im Oktober viel an Bewegungsfreiheit genommen. Und Geduld ist nicht seine Stärke. „Es geht mir zu langsam“, sagt der Jurist, der am Dienstag sein 90. Lebensjahr vollendet.

Von 1983 bis 1994 war er Chef der Kreisverwaltung mit seinerzeit 1400 Beschäftigten. Ein flächendeckendes Rettungswesen war ihm wichtig, ebenso hat er sich um den Aufbau eines Katastrophenschutzes Verdienste erworben. Wichtigstes Thema damals aber: das Ende der Bonner Republik, die Folgen des Berlin/Bonn-Gesetzes, der Ausgleich für den Umzug von Parlament und Teilen der Regierung nach Berlin.

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 Die Spitze der Kreisverwaltung: Oberkreisdirektor Walter Kiwit mit Landrat Franz Möller und dessen Ehefrau Ilse – und mit Frithjof Kühn (von links), der zunächst Kämmerer war, bevor er Kiwit auf den Chefsessel folgte. 

35.000 Arbeitsplätze beim Bund waren in der Region gefährdet, massive Rückgänge beim Konsum und für die Geschäftswelt zu befürchten. Landrat Dr. Franz Möller konnte aber viel rausholen für Bonn, den Rhein-Sieg-Kreis und den Landkreis Ahrweiler – mit Unterstützung des Oberkreisdirektors Walter Kiwit und einer überparteilich prominent besetzten Arbeitsgruppe.

Der hart verhandelte Ausgleichsvertrag, verabschiedet im April 1994, ließ die Hoffnungen auf wirtschaftliche Erholung wachsen, nun ging es an die Umsetzung. Aber nicht mit Kiwit: „Ich halte nichts davon, wenn später auf halber Strecke die Pferde gewechselt werden.“ So verabschiedete sich der Verwaltungsfachmann mit 63 Jahren auf eigenen Wunsch vorzeitig in den Ruhestand – und machte den Chefsessel im Kreishaus frei für einen jüngeren, aber erfahrenen Nachfolger: Kämmerer Frithjof Kühn.

Walter Kiwit und Franz Möller waren elf Jahre das Top-Gespann des Rhein-Sieg-Kreises

Elf Jahre lang waren Kiwit und Möller das Top-Gespann im Kreishaus. „Unser Verhältnis war ideal“, erzählt Kiwit dieser Tage bei einem Hausbesuch. „Ich war allein für die Verwaltung zuständig, er für Politik und Präsentation. Wir waren sehr unterschiedlich, haben uns aber nichts getan.“ Auch wenn Möller gern schon morgens um 7 Uhr in sein Büro am Langen Eugen bat, von wo aus er als CDU-Bundestagsabgeordneter arbeitete.

„Eine unchristliche Zeit“, knötterte Kiwit – und kam manchmal extra fünf Minuten zu spät. „Das ist noch keine Verspätung.“ Abends ging es weiter in der Bonner NRW-Landesvertretung mit den Ausgleichsberatungen. Kiwit galt als fleißiger Verwaltungsexperte, war eine Autorität, ohne autoritär auftreten zu müssen. Frühstarter konnte Kiwit aber auch sein: So setzte er in der Kreisverwaltung mit Monika Lohr die landesweit erste Gleichstellungsbeauftragte ein, es gab unter ihm das erste kreiseigene Frauenhaus. Und: Er installierte einen Frauenförderplan. Wenngleich er im Rückblick bekennt: „Da hatte man mich wohl ein wenig gedrängt, denn eigentlich mochte und mag ich keine Frauen, die Probleme damit haben, Frau zu sein.“

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Für Ehefrau Ursula und die zwei Söhne ließen ihm Beruf und Ehrenämter später zugegebenermaßen zu wenig Zeit.

Hohes Ansehen genoss der CDU-Mann über politische Grenzen hinweg. Sein Verhältnis zu Heinz-Josef Nüchel, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag, war hervorragend – sehr gut aber auch seine Kontakte zum SPD-Fraktionsvorsitzenden Horst Hufen und zum SPD-Vizelandrat Kurt Müller. Dass auch die FDP nicht ohne Einfluss blieb, zeigt die Verpflichtung von Dr. Hermann Tengler, der 1988 die neu geschaffene Position des Wirtschaftsförderers im Kreishaus übernahm – auf Empfehlung des FDP-Kreistagsabgeordneten Andreas Pinkwart, heute Landeswirtschaftsminister. Kiwit: „Wirtschaftsförderung war eigentlich Aufgabe der Kommunen, ich ließ mich aber davon überzeugen, dass es besser sei, bei diesem Thema mit einer Stimme zu sprechen.“

Was beim Strukturwandel im Ruhrgebiet nicht klappte, sollte sich im Rhein-Sieg-Kreis besser entwickeln. In den Ausgleichsverhandlungen mit dem Bund hatte die Hälfte der gefährdeten Arbeitsplätze in der Region gehalten werden können, für die andere Hälfte musste Ersatz geschaffen werden – was Tengler und Kühn auch anschoben.

Besondere Bedeutung für den Wandel von der Verwaltungs- in eine Dienstleistungs- und Wissenschaftsregion sollte die Ansiedlung der Telekom in Bonn haben, der andere Firmen folgten, als nicht minder wichtig sollten sich die Fachhochschulen in Sankt Augustin, Rheinbach, Hennef, Alfter und Bad Honnef erweisen – ambitionierte Ausbildungsstätten für Spezialisten, wie sie dringend benötigt wurden.

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Neben dem Bonn-Berlin-Ausgleich hatte Kiwit es in seinen fast 25 Jahren im Siegburger Kreishaus mit einem weiteren Großprojekt zu tun: der Kommunalen Neuordnung. Die war 1969 von der Landesregierung beschlossen worden und führte zu einem neuen Gebilde in der Region, dem „Halskrausenkreis“ rund um Bonn mit Städten und Gemeinden beiderseits des Rheins. Ein klarer Fall für Kiwit, der damit schon bei der Bezirksregierung Köln betraut war, von wo Oberkreisdirektor Paul Kieras ihn 1970 als Dezernent in die Kreisverwaltung holte. „Das war keine einfache Geschichte, der Druck war groß“, sagt Kiwit. Doch über den Rhein wurden Gemeinsamkeiten gefunden – zahlreiche Zusammenschlüsse folgten, erst beim Deutschen Roten Kreuz, dessen Vorsitzender beim Kreisverband er lange war, bei der Landwirtschaft, bei den Kreishandwerkerschaften. Nicht zu vergessen: der jährliche Prinzenempfang im Siegburger Kreishaus, eingeführt vom Nichtkarnevalisten Franz Möller aus dem Emsland. „Dieser Empfang hat den Gemeinschaftssinn sehr belebt.“ Als jeckes Revier für Kiwit blieb der Kinderprinzempfang übrig.

Das Familienleben kam für Kiwit oft etwas zu kurz, doch ließ es sich der gesellige Westfale nicht nehmen, auch nach 23 Uhr manchmal noch in privater Runde aufzuschlagen. Er ließ Freundschaften nicht vertrocknen. Seine Frau Ursula habe ihn stets unterstützt. So wie auch dieser Tage, als sie von Kiwit auf die Frage nach dem Datum der kirchlichen Hochzeit gebeten wurde: „Zieh doch bitte mal den Ehering aus und schau nach.“

Walter Kiwits Kurzbiographie

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Walter Kiwit und Ehefrau Ursula bei ihrer Hochzeit. 

Walter Kiwit wurde am 27. Juli 1931 in Wanne-Eickel, heute Herne, geboren. Dort war sein Vater Wilhelm vier Jahre Oberbürgermeister – und wurde im April 1933 entlassen, weil er die von den Nazis gehisste Fahne am Rathaus abhängen ließ. Die Familie zog nach Köln, später nach Bocholt, wo ein Onkel Kiwits in der Nähe einen Bauernhof mit Brauerei hatte. Dort packte der Junge kräftig mit an.

Später studierte er Rechtswissenschaft in Münster und Freiburg, arbeitete als Werkstudent. Dabei geschah ein schwerer Betriebsunfall. Eine Maschine zertrümmerte mehrere Glieder an vier Fingern seiner rechten Hand. Mit 360 Mark Schmerzensgeld und der Bahnkarte „Primavera Siciliana“ machte sich Kiwit für vier Wochen auf nach Italien. Auf Sizilien bestieg er den Ätna: „Als ich wieder zurückkam, hatte ich keine Absätze mehr an den Schuhen.“

Kiwit promovierte, war tätig in den Rathäusern von Neubeckum und Erftstadt sowie bei der Bezirksregierung in Köln. 1970 kam er als Dezernent ins Siegburger Kreishaus, wurde Oberkreisdirektor. Kiwit ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse.

Schwimmen und Skifahren, Bücher über Kultur und Geschichte interessieren ihn, Reisen führten ihn nach Namibia, Indien, Japan und Neuseeland. Noch immer hat er ein Faible für die Landwirtschaft. Das Obst von seiner Streuobstwiese in Windhagen (Rheinland-Pfalz) lässt er zu hochprozentigen Tropfen destillieren, weshalb er sich auch „Schnapsbrenner“ nennt. Einen weiteren Titel pflegt er ebenfalls: „Oberster Bulle im Rhein-Sieg-Kreis“, schließlich war er auch Vorsitzender der Züchterzentrale Rhein-Sieg.

Mit Ehefrau Ursula hat er zwei Söhne. Zwei Schwiegertöchter und vier Enkel komplettieren die Familie. Diamanthochzeit hatten Ursula und Walter Kiwit am 26. Juni 2021. Wichtiger als die standesamtliche Heirat ist beiden aber der Tag der kirchlichen Trauung, und die jährt sich zum 60. Mal am 27. Januar 2022. (gvn)