Eine Delegation der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg war in den Niederlanden, um sich Anregungen zu innovativen und kreativen Lehrkonzepten zu holen.
Moderne LernorteAn der Hochschule in Sankt Augustin hat die Zukunft des Lernens schon begonnen
Die alte Telefonzelle erlebt eine Renaissance. In der Bibliothek der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) stehen im Januar 2024 schalldichte Kabinen, die jederzeit ungestörtes Sprechen ermöglichen. Sie sind allerdings grau und nicht im früher bekannten gelben Ton. „Lernen muss Spaß machen. Und dazu gehört auch, dass das Umfeld stimmt“, berichtet Professor Marco Winzker. Der Elektroingenieur ist Vizepräsident der H-BRS und zuständig für die Bereiche Studium, Lehre und Weiterbildung.
Die Hochschule bekommt bald einen 6000 Quadratmeter großen Anbau. Das entsprechende Grundstück, ein Teil des ehemaligen Sportplatzes des Rhein-Sieg-Gymnasiums, hatte die Hochschule bereits im März 2022 von der Stadt erworben. Nun wird das gesamte Konzept des Standortes in Sankt Augustin mit seinen rund 6000 Studierenden neu überdacht.
„So eine Entscheidung muss gut überlegt sein“, betont Winzker. Deshalb wurde ein achtköpfiges Kompetenz-Team zusammengerufen. Zwei Studenten, zwei Vizepräsidenten, Kanzlerin Angela Fischer und Ute Schmitz, Leiterin des Baudezernates der H-BRS, sowie eine Dekanin und der Bibliotheksleiter fuhren gemeinsam in die Niederlande, um sich dort Anregungen zu innovativen Hochschulbauten und kreativen Lehrkonzepten zu holen.
An der Hochschule in Sankt Augustin sollen die Menschen beim Studium mitgenommen werden
Die Technische Universität in Delft, sowie Hochschulen in Rotterdam, Utrecht und Wageningen standen auf dem Reiseplan. „Zuvor haben einige von uns schon die Universität in Bochum sowie die Hochschule in Lemgo besichtigt“, so der 59-Jährige. Überall hätte es „wirklich gute Ideen für den Lernalltag geben. Wir können nun das herauspicken, was am besten zu uns passt.“
Reines Frontallernen sei inzwischen pädagogisch nicht mehr sinnvoll. „Ein Lehrender, der vor gut hundert Studierenden doziert, redet zwar viel, spricht vielleicht einen großen Teil seiner Zuhörenden gar nicht an“, so Winzker über den früheren Alltag bei der Wissensvermittlung. Man müsse die „Menschen mitnehmen und gemeinsam zum Ziel des Studienabschlusses kommen.“
Deshalb sei der Fokus jetzt mehr auf Aktivierung zum Lernen, mehr gemeinsam Dinge entwickeln. „An der Universität Utrecht haben wir einen Seminarraum gesehen, an dessen Wände viele Whiteboards hingen“, berichtet Winzker über eine sinnvolle Lösung. In einem Seminar können sich problemlos kleine Gruppen bilden und Ideen untereinander diskutieren und notieren. Diese Ergebnisse würden später allen vorgetragen.
An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin wird das Wissen zeitgemäß vermittelt
Auch die Bestuhlung in Hörsälen sei oft nicht mehr zeitgemäß. Gelenke an den Sitzen könnten dafür sorgen, dass Zuhörer sich „schnell umdrehen, um mit ihrem Nachbarn oder Hintermann reden zu können“, so Winzker. Stühle mit Rollen würden dies ebenfalls ermöglichen. Die Kommunikation untereinander müsse im Vordergrund stehen und nicht das reine zuhörten. „Das ist zeitgemäße Wissensvermittlung.“
Und dazu gehört auch, dass die Bürgerinnen und Bürger zur Hochschule kommen können, wenn sie an der modernen Wissensvermittlung teilhaben wollen. „Vorgesehen sind flexible, offene und moderne Arbeitsräume mit viel Platz für Kommunikation, zahlreiche Labore für die Forschenden und auch ein Bürgerlabor. Ganz bewusst soll es in dem Gebäude aber keine klassischen Einzel- und Doppel-Büros geben“, erläutert Dezernentin Ute Schmitz.
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg will die Menschen nach Corona auf den Campus zurückholen
Wie die Hochschule in Zukunft aussehen wird, kann man jetzt schon in der Bibliothek sehen. Sie gleicht einem gemütlichen Aufenthaltsraum. Sitzbänke mit hohen Lehnen ermöglichen das Nutzen von Laptops, ohne dass Nachbarn sehen, was man dort gerade liest. An großen Tischen kann aber auch gemeinsam gelernt werden. „Während der Corona-Zeit war das eigene Zuhause oft die einzige Möglichkeit, zu studieren“, sagt Winzker. „Wir wollen jetzt die Studierenden aus der Anonymität des heimischen Zimmers in die Gemeinschaft der Hochschule zurückholen.“