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KinoabenteuerProgrammkinos aus Hennef und Sankt Augustin zeigen Arthaus statt Blockbuster

Lesezeit 4 Minuten
Kneipe/Café

In der Studio-Kino-Lounge in Sankt Augustin herrscht Wohnzimmer-Atmosphäre. Im Café kann man sich vor Filmbeginn noch entspannen.

Es muss nicht immer der Blockbuster sein: Auch abseits der großen Multiplexe bieten Betreiber ihren Kunden großes Kino. Zwei Beispiele.

„Viele sagen, sie hätten nie vermutet, dass hier ein Kino drin ist“, erzählt Ulrich Henke. Der Filmliebhaber betreibt sein Programmkino nämlich in einem kleinen Gebäude. Die Studio-Kino-Lounge im Haus Mülldorf liegt direkt an der Bonner Straße in Sankt Augustin.

Der 75-Jährige hatte seinen ersten Kontakt zur Filmwelt schon zu Schulzeiten. Ein technikaffiner Kumpel aus seiner Parallelklasse habe einen 16-Millimeter-Projektor der amerikanischen Armee besessen. „Für zehn Pfennig Eintritt haben wir dann im Biologiesaal der Schule Filme vorgeführt“, erzählt Henke, der anschließend Theaterwissenschaften in Köln studiert hat. Nachdem er längere Zeit an einer Realschule Kunst und Englisch unterrichtet hatte, bekam er 1993 als 45-Jähriger das Angebot, das kleine Kino zu übernehmen.

„Kein Massenprodukt“: Programmkinos zeigen keine großen Blockbuster

„Ein Jugendtraum ist in Erfüllung gegangen“, sagt Henke. Seine Aufgabe sei es gewesen, das Kino wieder auf Vordermann zu bringen. Trickfilmfestivals des Innenministeriums hatten seit den späten 70ern immer wieder Kundschaft angezogen. „Doch als die Bundesregierung in den 90ern nach und nach umzog, gingen diese Festivals den Bach runter. Dann hat die Stadt mich gefragt.“

Seitdem hält er also den Betrieb des Programmkinos aufrecht. „Kein Massenprodukt“, das ist das Motto. Meistens zeigt die Studio-Kino-Lounge nur einen Film am Tag, montags und donnerstags ist ohnehin geschlossen. Wer Hollywood-Blockbuster sehen möchte, ist dort auch fehl am Platze. Aktuelle Filme kommen wegen verschiedener Auflagen erst spät oder gar nicht ins Angebot. Momentan läuft zum Beispiel der neue Wim Wenders-Film aus Japan. „Ansonsten zeigen wir viele europäische Filme“, erzählt der Inhaber.

21 Menschen passen in 50 Quadratmeter-Saal

Von digitalen Tickets hat sich Ulrich Henke nach der Corona-Zeit verabschiedet. Wer einen Film bei ihm schauen möchte, muss im Vorfeld telefonisch einen Platz reservieren. 21 Menschen finden in dem Saal Platz, vorher kann man sich im Café entspannen und einen Drink genießen. Mit HD-Beamer und 5.1-Dolby-Digital-Anlage bekommt man echte Kinoqualität geboten. „Ich bekomme viele Komplimente für den Ton in so einem kleinen Saal“, merkt Henke an. Mit etwa 50 Quadratmetern herrscht dort schon eine Art Wohnzimmer-Atmosphäre.

Kinosaal der Studio-Kino-Lounge in Sankt Augustin. Wohnzimmer-Atmosphäre auf etwa 50 Quadratmetern.

Kaum größer als ein Wohnzimmer. In der Studio-Kino-Lounge in Sankt Augustin kann man es sich auf 50 Quadratmetern richtig gemütlich machen.

Der 75-Jährige steht im Austausch mit einer Handvoll von Verleihern, die dann kleine Köfferchen mit Festplatten anliefern, auf denen der Film gespeichert ist. Werbung werde vor dem Film nicht gespielt, die Zuschauerzahlen seien dafür zu gering. „Das weiß das Publikum auch sehr zu schätzen. Der Film geht sofort los“, betont Henke. Für die Aufrechterhaltung so eines kleinen Kinos seien auch die Fördergelder ein wichtiger Beitrag. Zum wiederholten Male wurde die Studio-Kino-Lounge im Jahr 2023 mit dem Kinoprogrammpreis NRW ausgezeichnet.

Auch Hennefer Kur-Theater spricht hauptsächlich Ältere an

Auch das Kur-Theater Hennef hat in diesem Jahr zum wiederholten Mal ein Preisgeld erhalten. Petra Stratmann und Daniel Huys sind Vorstandsmitglieder des Vereins, der das Hennefer Programmkino seit März 2003 ehrenamtlich betreibt. Die Beiträge der 1300 Mitglieder sorgen für den Erhalt des beliebten Theaters. „Die Hennefer lieben das Kino total. Viele haben hier ihren ersten Film gesehen“, schwärmt Stratmann.

Daniel Huys (links) mit seinen Kindern und Petra Stratmann im Vorführraum des Kur-Theaters Hennef.

Daniel Huys (links mit seinen Kindern) und Petra Stratmann im Vorführraum des Kur-Theaters Hennef.

Genau wie im Sankt Augustiner Kino besteht auch im Kur-Theater das Zielpublikum nicht aus jungen Leute, die die Inhalte meist nur noch streamen. „Es sind die über 30-jährigen, die sich für das Programm interessieren“, merkt Huys an. Deshalb braucht es Lösungen, um langfristig auch jüngere Generationen für das Kur-Theater zu begeistern.

So hatte Stratmann jüngst die Idee, eine E-Sports-Veranstaltung auf der großen Leinwand zu übertragen. „Man muss sich immer was überlegen“, meint die 67-jährige. Mit bis zu 200 Sitzplätzen und einem deutlich größeren Saal kommt das Vereinskino schon deutlich imposanter daher. Und auch ein echtes Retro-Feeling versprüht das Gebäude, das vor fast 90 Jahren erbaut wurde.

Altes Gemäuer glänzt mit Retro-Charme, wirkt sich aber auch negativ auf den Sound aus

Ausgestattet ist das Theater mit einem modernen 7-Kanal-Soundsystem: drei Frontlautsprecher, zwei an den Seiten und zwei Rücklautsprecher, dazu ein Subwoofer. Der sogenannte Center-Lautsprecher ist dabei hinter der Leinwand verbaut. „In den 90er-Jahren gab es hier nur eine Mono-Box“, erinnert sich Huys.

Kinosaal.

Der Kinosaal im Hennefer Kur-Theater ist auf dem neuesten Stand der Technik.

Durch die vielen reflektierenden Flächen im Saal, klinge der Sound aber nicht so steril wie in anderen Kinosälen, erklärt Sebastian Binz. „Bei bestimmten Frequenzen fängt der Raum dann an zu vibrieren und man hört Töne, die nicht zum Film gehören“, so Binz aus dem Vereinsvorstand. Deswegen messe ein Techniker einmal pro Jahr die Anlage neu ein und beseitige die Frequenzen, die eine Vibration auslösen.

Auch sonst ist das Lichtspielhaus auf dem aktuellsten Stand der Technik: Seit 2022 setzt das Team um Daniel Huys einen 4K-Projektor ein, um die Filme zu zeigen, was eine viermal höhere Auflösung als bei einem HD-Projektor erlaubt. Auch die Filme werden nur noch in Ausnahmefällen auf Festplatten angeliefert, sondern werden mittlerweile online verschickt.

Trotzdem setzt das Kino hin und wieder auf Tradition. Letztens wurde in einem Special ein Stummfilm stilecht auf original 35-Millimeter-Film gezeigt. Huys: „Da waren etliche Kratzer auf dem Film und der Ton hat geeiert. Mir war das schon total peinlich, aber dem Publikum scheint es gefallen zu haben.“