Mit dem aus Bioabfall erzeugten Gas können rechnerisch 3000 Einfamilienhäuser und dazu gewerbliche Gebäude mit grünem Gas versorgt werden.
AbfallEine der größten Biogasanlagen Deutschlands ist in Sankt Augustin in Betrieb gegangen
Eine feuchte Luft wie in den Tropen herrscht in der großen Halle, die Luft steht. Für einen Müllwagen mit Bonner Kennzeichen öffnet sich gerade das große Klapptor. Er kippt seine Ladung ab und fährt schnell wieder hinaus. Die Biomasse wird auf ein Förderband verladen und dann zum Fermenter transportiert.
Eine der modernsten Biogasanlagen in Deutschland ist in Sankt Augustin Betrieb gegangen. „Damit setzen wir ein deutliches Zeichen in Zeiten des Klimawandels und leisten einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Energieversorgung“, betonte Landrat Sebastian Schuster, der seit 24 Jahren Verwaltungs- und Aufsichtsratsvorsitzender der Rhein-Sieg-Abfallbeseitigungsgesellschaft (RSAG) ist.
„Mit dem hier aus Bioabfall erzeugten Gas können jetzt rechnerisch 3000 Einfamilienhäuser und dazu gewerbliche Gebäude mit grünem Gas versorgt werden“, ergänzte RSAG-Vorstand Ludgera Decking. Bioabfall wurde am Standort schon immer verwertet. 2018 fiel dann aber der Beschluss, die neue Biogasanlage zu bauen.
Der Speicher der Biogasanlage in Sankt Augustin ist an seiner runden Haube zu erkennen
Im März 2021 war der Spatenstich dafür. Nach gut zweieinhalb Jahren ist die neue Anlage in Betrieb. Seit dem Sommer wird sie schon getestet und eingestellt. Der Gasspeicher ist an seiner runden Haube zu erkennen. Links neben ihm befindet sich der rechteckige Fermenter mit einem großen Rührwerk im Inneren. Er ist das Herzstück der Anlage.
Darin wird mithilfe von Mikroorganismen unter Ausschluss von Sauerstoff der vorsortierte Bioabfall zu Gas umgewandelt. Dieses wird dann unter der Kuppel gespeichert. Rechts neben der Kuppel hat die Biomasseheizung ihren Platz. Die dort erzeugte Wärme wird ebenfalls ins Netz eingespeist. 36 Millionen Euro wurden für das Projekt investiert, fünf Millionen davon sind eine Förderung des Bundes. Schuster betonte, der Zeitplan vom Abriss der alten Anlage bis zum Neubau sei „fast perfekt eingehalten“ worden. Der Kostenrahmen sei zwar voll ausgeschöpft worden, aber nicht überschritten. Das sei „doch mal ein gutes Zeichen, dass mit öffentlichen Geldern sorgfältig umgegangen werden kann“.
Plastikteile im Biomüll in der Biogasanlage in Sankt Augustin müssen aussortiert werden
Durch die große Halle, in der der Biomüll gesammelt wird, bevor er in den Fermenter kommt, führte Silvio Busch, der Leiter der neuen Anlage. Unter den heraussortierten Plastikteilen fand sich diesmal ein grüner Gummihandschuh. „Leider werfen noch immer einige Menschen achtlos Plastiktüten oder andere Plastikteile in den Biomüll, die dann zu Problemen bei der Verarbeitung führen können“, erläuterte Decking. Das koste Geld, das durch die Gebühren wieder bezahlt werden müsse. Im Gespräch mit der Redaktion zeigte sich Schuster „sehr zufrieden“ mit dem Projekt.
Früher habe die alte Mülldeponie so gestunken, dass Menschen die A3 gemieden hätten, die an ihr direkt vorbeigeführt habe, meinte er scherzhaft. Diese Zeiten seien jetzt „zum Glück längst vorbei“. Das 10 000 Quadratmeter große Areal des Entsorgungs- und Verwertungsparks entspreche nun modernsten Ansprüchen. Bei starker Hitze brütet der Biokompost jedoch noch immer leicht in der Halle. Markus Lübken, Geschäftsführer der Stadtwerke und Wasserversorgung Sankt Augustin, stellte lachend fest: „Das ist der Geruch, aus dem die Energiewende ist.“
60.000 Tonnen Bioabfall aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis werden jährlich in Sankt Augustin verwertet
19 Städte und Gemeinden des Rhein-Sieg-Kreises und des Bonner Stadtgebietes liefern 60 000 Tonnen Bioabfall pro Jahr an der Anlage an. Davon sind 18 000 Tonnen Grünschnitt. Daraus entstehen bis zu 2,3 Millionen Kubikmeter Biomethan jährlich, das entspricht rund 22,8 Millionen Kilowattstunden Energie. Zusätzlich werden rund 25 000 Tonnen gütezertifizierter Kompost erzeugt. Sie können von den Bauern direkt abgeholt und auf den Feldern verteilt werden. Kaskadennutzung der Biomasse nennt sich das. Die Anlage spart jährlich 4582 Tonnen CO2 ein.