„Die kommen hierher als kleines Kind, das immer wieder nach deiner Hand greift – irgendwann winken sie dann und drehen sich um“, sagt die Sankt Augustiner Erzieherin.
Letzter Kita-TagWie eine Erzieherin den Spagat zwischen Abschied und Willkommen meistert
Zahlreiche Fächer in den Fluren der Kindertagesstätten im Rhein-Sieg-Kreis wechseln in diesen Tagen ihre Besitzer. Mit dem Start ins neue Kita-Jahr beginnt für viele kleine Kinder ein neuer Lebensabschnitt. Die „Kleinen“ entdecken – meist noch an der Hand ihrer Eltern – eine ganz neue Welt und wagen die ersten kleinen Schritte in Richtung Unabhängigkeit. Die „Großen“ verlassen die Kitas und stürzen sich in das große Abenteuer Schule. Inmitten dieses Kommens und Gehens erleben auch die Erzieherinnen und Erzieher eine ganz besondere Zeit. Eine von ihnen ist Beatrix John.
John arbeitet seit 33 Jahren in verschiedenen Positionen als Erzieherin. In dieser Zeit hat die stellvertretende Leiterin der Kita „Alter Bahnhof“ in Sankt Augustin schon so einige Kinder zur Tür „hinausgeschmissen“. Das Ritual gibt es im „Alten Bahnhof“ seit vielen Jahren. Zwei Erzieher schnappen sich ein Kind und schwingen es auf eine Matte vor der Eingangstür – begleitet von tosendem Applaus der Familien. In diesen Momenten ist die 55-Jährige besonders stolz auf die „selbstbewussten kleinen Menschen“, die sie rund vier Jahre begleitet hat.
Zum Abschied von den Kindern gehört für Erzieher auch immer Wehmut dazu
18 Kinder haben auf diesem Wege in den vergangenen Wochen die Sankt Augustiner Kita verlassen. „Die kommen hierher als kleines Kind, das immer wieder vertrauensvoll nach deiner Hand greift – irgendwann winken sie dann und drehen sich um“, beschreibt die Königswinterin. Auf diesen Moment würden die Kinder lange vorbereitet. Sicherheitserziehung, Lernwerkstätten – in der Kindergartenzeit werde konkret auf das letzte Jahr und den Übergang zur Schule hingearbeitet.
„Wir gehen diesen Weg gemeinsam und freuen uns dann ganz besonders, wenn die Kinder den Übergang souverän meistern“, sagt John. Dennoch gehöre zum Abschied von den Kindern auch immer ein bisschen Wehmut dazu. Jeder Erzieher und jede Erzieherin habe seinen eigenen Umgang. „Manchen ist es wichtig, selbst die Namensschilder von den Fächern der Kinder abzupiddeln“, berichtet die 55-Jährige. Sicherlich gelte aber für alle, dass ihnen die Kinder „so schnell nicht aus dem Kopf gehen“.
Zeit für allzu viele Gedanken nach dem Abschied der künftigen Schulkinder bleibe aber nicht. Die Eingewöhnungsphase schließe nahtlos an den Abschied an. „Das ist wie ein Staffellauf“, sagt die Erzieherin. Außerdem sei trotz Kloß im Hals eine professionelle Distanz wichtig, um wieder offen für die neuen Kinder zu sein.
Die werden seit der letzten Woche nach und nach eingewöhnt. Zwölf Kinder unter drei Jahren sind es in diesem Jahr – alle bekommen die Zeit, die sie brauchen. „Kein Kind soll hier lange weinen“, sagt Beatrix John und weist auf die Wichtigkeit der ersten Trennung der Kleinen von ihren Eltern hin. „Das kann Auswirkungen auf das ganze Leben haben.“
Oft sei die Erwartungshaltung vor der Eingewöhnung hoch, die Eltern müssten sich und vor allem ihren Kindern trotz allem Druck aber ausreichend Zeit einräumen. „Nur ein Prozent der Kinder kommt, sieht und siegt“, sagt John. Bei allen anderen könnten auch mal Tränen kullern – und das sei auch völlig in Ordnung. Entscheidend für eine gute Eingewöhnung sei ein guter Draht zwischen Elternteil und Erzieher.
Nach der Einschulung kommen viele Kinder mit der Schultüte in die Kita
„Wenn die miteinander cool sind, entspannen sich auch die Kinder“, weiß die langjährige Erzieherin. Eine besondere Rolle spielten dabei Rituale, um den Kindern Sicherheit zu geben. So würde immer dasselbe Fenster angesteuert, um nochmal zum Abschied zu winken, an Dinge angeknüpft, die gut liefen. Dabei müssten eben auch die Eltern verlässlich mitspielen. „Ein Universalrezept für alle Kinder gibt es nicht, wir probieren es bei allen ganz individuell aus“, sagt John.
Wer dafür über viele Jahre die nötige Energie aufbringt, der muss für seinen Job brennen. „Die Kinder und ihre Familien begleiten mich auch außerhalb der Kita“, beschreibt die Erzieherin. Immer wieder – bevorzugt unter der Dusche – würde sie an den Job denken. „Das ploppt auf, belastet mich aber nicht.“ Bei allem Enthusiasmus sei es aber auch wichtig, loslassen zu können.
Dass es bei den künftigen Schulkindern ein „Loslassen light“ ist, freut die 55-Jährige. Viele kämen nach der Einschulung mit der Schultüte vorbei, oder auch mal während der Ferien. Einige würden irgendwann sogar mit ihren eigenen Kindern zur Eingewöhnung kommen. Durch die räumliche Nähe zur Schule bleibe der Kontakt in vielen Fällen erhalten, bei Bedarf würde es in den ersten Schulwochen auch noch Unterstützung seitens der Erzieherinnen und Erzieher geben. Alles mit einem Ziel: „Kleine Menschen sollen hier groß und stark werden – nicht mehr und nicht weniger.“