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Amtsgericht SiegburgE-Scooter-Fahrer nach brutaler Jagd auf Fußgänger in Bonn verurteilt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Jogger joggt bei diesigem Wetter

Mit getuntem Roller hat der Angeklagte einen Jogger angefahren, der schwerwiegende Schäden davontrug. (Symbolbild)

Mit einem getuntem E-Scooter fuhr ein 52-Jähriger unter Drogeneinfluss einen Jogger an. Der 70-Jährige ist seitdem schwerbehindert, Pflegestufe 5.

Mit einem getunten Scooter fuhr er in Bonn-Beuel einen 70-Jährigen an. Dieser ist seitdem schwerbehindert, Pflegestufe 5. Der Täter, 52, hatte zuvor Videos auf YouTube gestellt, wo zu sehen ist, wie er Fußgänger und Radfahrende mit seinem Scooter regelrecht „jagt“. In seinem Blut wurden Amphetamine nachgewiesen.

Saal 36 des Siegburger Amtsgerichts ist prall gefüllt am 12. Dezember. Neben Zeuginnen und Zeugen sind zahlreiche Verwandte und Freunde des Geschädigten erschienen. Nach mehr als vier Stunden der Gerichtsverhandlung wird Richterin Julia Dibbert das Urteil aussprechen, eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren und drei Monaten.

In Sankt Augustin fuhr der E-Scooter-Fahrer mit seinem Sohn unter Drogen

Der in Bonn lebende Täter ist nicht nur wegen Fahrlässigkeit im Straßenverkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unter Drogeneinfluss, sondern zusätzlich wegen schwerer Körperverletzung und der Gefährdung eines Menschenlebens angeklagt. Die Tatbestände fielen in den Zeitraum einer Bewährungsstrafe. Der 52-Jährige ist mehrfach vorbestraft – unter anderem wegen Diebstahl, des Konsums, Verkaufs von Betäubungsmitteln, Fahrens unter Alkoholeinfluss und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Im September 2022 erhielt die Sankt Augustiner Polizei einen anonymen Anruf mit dem Hinweis, dass ein Mann häufig unter Alkoholeinfluss mit einem E-Scooter fahre. Sie erwischten ihn, als er gerade seinen damals siebenjährigen Sohn von der Schule abholte.

Angeklagter kollidierte mit 70-jährigem Jogger in Bonn-Beuel

„Er ist auf dem Gehweg gefahren, stand mit dem Kind auf dem Roller“, erzählt eine Kommissarin. Er habe einen stark verwirrten Eindruck gemacht, undeutlich gesprochen. Beim Drogentest verfehlte er sechsmal seine Nasenspitze mit dem Finger und schwankte so sehr, dass er nicht gerade gehen konnte – er stand unter Amphetamin-Einfluss.

Er zeigte keine Intention, abzubremsen.
Zeuge

Nur einige Monate später, Anfang April 2023, fuhr der 52-Jährige auf dem Weg zur Arbeit in Bonn-Beuel nahe dem alten jüdischen Friedhof Bonn-Schwarzrheindorf einen Jogger an. Er war mit einem getunten Roller unterwegs, der laut Zeugenangaben deutlich schneller als die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde unterwegs war.

„Er zeigte keine Intention, abzubremsen“, sagt ein Zeuge, der dem Angeklagten und dem Jogger auf dem Fahrrad entgegengekommen war. Kurz nachdem er an dem 70-Jährigen vorbeigefahren war, hörte er den Zusammenstoß: „Er muss ihm richtig in die Seite reingefahren sein.“ Der Jogger lag bewusstlos auf dem Rücken.

Angeklagter versuchte zweimal zu flüchten, Zeugen hielten ihn fest

Der Täter versuchte sofort zu flüchten, wie der Zeuge berichtet: „‚Ich muss zur Arbeit‘, sagte er. Ich habe ihn festgehalten und erklärt, dass wir die Polizei rufen müssen.“ Dies habe der Täter zunächst akzeptiert. Als der Radfahrer jedoch mit einem anderen Zeugen Erste Hilfe leistete, versuchte der Täter erneut, zu flüchten.

Die Polizei wies 60 Nanogramm Amphetamine in seinem Blut nach. Er habe „einige Tage vorher“ Drogen konsumiert, gibt der Angeklagte an. Das sei in Anbetracht der nachgewiesenen Menge nicht nachvollziehbar, entgegnet Rechtsmedizinerin Anja Wegner.

Ich habe meinen früheren Partner verloren.
Ehefrau des Geschädigten

Der Täter selbst sagt, der Jogger sei quer über die Straße von rechts nach links vor den Roller gelaufen. Eine Aussage, die beide Zeugen abstreiten: Der 70-Jährige habe lediglich über die Schulter geblickt. Das Opfer erlitt schwere Hirnverletzungen und mehrere Frakturen.

„Er findet nicht zurück in sein bisheriges Leben. Ich habe meinen früheren Partner verloren, die Kinder ihren Vater, seine Enkel werden ihn nie kennenlernen“, sagt die Ehefrau des Geschädigten. Ihr Mann habe sechs Monate im Krankenhaus verbracht, leide noch immer unter heftigem Erinnerungsverlust, einer halbseitigen Lähmung, Schwindel und Wortfindungsstörungen.

Videos auf YouTube zeigen den Täter bei „Jagden“ mit getuntem Roller

Er bereue zutiefst, was er getan habe, sagt der Angeklagte zur Ehefrau des Geschädigten: „Ich hab’ mir das nie vorstellen können, dass mir sowas mal passieren kann.“ Seit dem Unfall habe er aufgehört, Roller zu fahren und davon Videos zu drehen. „Lüge!“ ruft jemand von den Zuschauenden. Richterin Julia Dibbert ermahnt.

Der Angeklagte zeigt auf seinem YouTube-Kanal Videos über das Tuning von Rollern und von „Jagden“, wie er sie dort selbst bezeichnet. Dabei verfolgt er Radler oder Fußgänger und überholt diese knapp, in rasender Geschwindigkeit. Noch vor sechs Monaten, also deutlich nach dem Tatbestand von April 2023, wurde ein neues Video auf dem Kanal hochgeladen. Ein Follower kommentiert darunter die Frage, warum „der Shop“ nicht mehr funktioniere.

Auf Nachfrage, ob er einen Onlinehandel zum Tuning von Rollern betrieben habe, sagt der Angeklagte, er wolle sich dazu nicht äußern. „Ich nehme dem Angeklagten seine Reue nicht ab. Schon die erste Tat hätte ihn dazu veranlassen müssen, komplett mit E-Scootern aufzuhören. Stattdessen prahlt er mit seinen Videos“, sagt Nebenkläger-Anwalt Christian Kaldenhoff.

Die Richterin verkündet eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren und drei Monaten – drei Monate für den ersten, zwei Jahre für den zweiten Tatbestand. Die gehäuften Vorstrafen und die Fluchtversuche des Täters verschärften die Strafe.