Das Siegburger Theater widmet sich der katastrophalen Karriere von René Benko – in der Rolle des Pleitiers brilliert Christoph Wolff.
Premiere der StudiobühneDas Galeria-Drama als Theaterstück im Kaufhof in Siegburg
René Benko kommt nach Siegburg. Der Immobilienmogul, zu dessen Signa-Gruppe Galeria gehörte, stellt sich enttäuschten Kunden und vor allem seiner Kaufhof-Belegschaft, die monatelang bangen musste, dann doch gefeuert wurde und sich fragt, warum es für sie keine Zukunft mehr an der Kaiserstraße gab. Schön wäre es gewesen.
In wenigen Wochen schuf die Studiobühne im Siegburger Kaufhof einen neuen Spielort
Aber jetzt kam es ganz anders: Die Studiobühne Siegburg machte binnen weniger Wochen aus der ehemaligen Saturnetage einen neuen Spielort, nahm sich Benko vor und begann umgehend mit den Proben zu „Kaufhof Monopoly – Eine Anleitung, wie werde ich Milliardär?“.
Christophs Wolff, den viele noch in der Rolle des trinkfesten Butlers aus Dinner for One in Erinnerung haben werden, brilliert als Benko. Bei der Hauptprobe des Einpersonenstücks zeigt er, dass er auch einen weit weniger sympathischen Charakter als den gutmütigen Butler James verkörpern kann.
Verhängnisvolle Raffgier minimalistisch in Szene gesetzt
Die verhängnisvolle Raffgier, die am Ende Tausende ihre Arbeitsplätze kostete, wird minimalistisch wie effektiv in Szene gesetzt: Zuschauer sehen im Theaterraum ihre Plätze zunächst durch Würfel aus über einen Rahmen gespannte Klarsichtfolie besetzt, Sinnbild für Benkos Immobilien und Geld. Von Beginn an reißt er sich einen nach dem anderen unter den Nagel und stapelt sie auf der zunächst leeren Bühne aufeinander.
Wolff hat sich einen leichten Wiener Akzent angeeignet und schwankt zwischen Schmäh, Zorn und Selbstmitleid. Er erklärt den Zuschauern, „ihr seid alle kleine Fische“, die in seinem Haus sitzen, ja gar seine Luft atmen. In seiner Rückschau ist der Weg zu Reichtum kinderleicht gewesen. Schon als Kind habe er beeindrucken wollen, als junger Mann aus einem einfachen Mietshaus ein Zehnmillionen-Objekt gemacht, später sogar das Chrysler-Hochhaus in New York gekauft, die Kaufhof und Karstadt-Filialen.
Mit einem Wollknäuel demonstriert er seine Netzwerke. Alle wollten mitverdienen, von Immobilien habe keiner eine Ahnung gehabt. Wichtig sei die Besetzung der Beiräte in den geschickt konstruiertern Gesellschaften, das müsse man nur richtig machen „und dann kann man die Schlossallee kaufen“.
Klara Herkenhöhner steuert zu den Monologen einen Soundtrack an der Querflöte zwischen Pop und Klassik bei und personifiziert zu dem in einer roten Krachledernen eine gewisse Alpenidylle. Sie schafft auch musikalisch einen krassen Gegensatz zu den kalten strategischen Überlegungen Benkos, der sie während ihres Spiels immer wieder grob anherrscht, wenn er vermeintlich Großes zu verkünden hat.
Geschäftsprinzip à la Dick und Doof
Wie sein letztlich einfaches Geschäftsprinzip in der Signa: Zwei Gesellschaften werden gegründet, der Einfachheit halber „Dick und Doof“ genannt. Dick besitzt die Warenhäuser und vermietet an Doof, wo der eigentliche Einzelhandel angesiedelt ist und entsprechende Umsätze generiert werden müssen. Wie das gehen soll, ist Benko eher egal.
Praktisch: Dick kann beliebig Mieten erhöhen, sodass der Wert der Immobilien immer weiter steigt, anhaltend niedrige Zinsen tun das Übrige. Noch praktischer: Als das Konstrukt wackelt, spülen drei Insolvenzen hunderte von Millionen Euro in die Kassen. Doch dann platzt die Blase und Benko ist am Ende.
Packend ist mitanzusehen, wie Wolff Benko mal narzisstisch als Genie personifiziert, mal als Verrzweifelten, der das Schicksal seiner Familie bejammert, um die sich doch am Ende alles drehen sollte. Alles sei doch legal gewesen, und doch werde er als das leibhaftige Böse gesehen. Jeder hätte in seiner Lage das Gleiche tun können.
Am Ende sitzt er zwischen seinen hohlen Zellophanwürfeln und gesteht dem Publikum ein, dass ihm selbst der Siegburger Kaufhof nicht mehr gehört. Fast könnte er einem leid tun. Doch dann bekommen die (echten) gefeuerten Mitarbeiterinnen das letzte Wort und kippen die Stimmung.
Stabil-Instabiles Bühnenbild
„Wenn wir das Thema nicht aufgegriffen hätten, dann hätten wir die Bühne hier auch nicht verdient“, sagt der Leiter der Studiobühne René Böttcher. Das Stück, das er mit Markus Menhofer schrieb, lehnte er dramaturgisch an Calle Fuhrs „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ an. Stabil-instabil sollten die Würfel wirken, die der Siegburger Künstler Volker Bremer für die Bühne baute.
Stabil-instabil triff wohl auch für die Studiobühne selbst zu: Noch im Sommer vergangenen Jahres hatte Böttcher händeringend nach einer neuen Bühne gesucht, zumal er einen Spielplan erstellen musste. Hilfe kam letztlich auf Initiative der schwarz-grünen Ratsmehrheit von den Stadtbetrieben, die die nötigen Verhandlungen mit dem Vermarkter der Kaufhof-Immobilie aufnahmen und gemeinsam mit dem Technischen Dezernat der Stadt komplexe baurechtliche Fragen lösten.
Den eigentlichen Bühnenraum mit abgestuften Podesten und Lichttraversen umschließt ein schwarzer Vorhang, davor findet sich ein stilvoll-gemütliches Foyer mit gemütlichen Sofas, Tischen und einer kleinen Bar. Da Theater nimmt nur einen kleineren Teil der Etage hin, der mit Stahlgittern abgetrennt ist. Weiter hinten im Raum stehen Schaufensterpuppen, wie eine surrealistische Erinnerung an die Kaufhofvergangenheit.
Der Siegburger Künstler Hermann Josef Hack gestaltete einen Flur zu den Toiletten hin und griff dazu die Themen Freiheit und Klimawandel auf. Hack ist auch Am Turm auf dem ehemaligen Phrixgelände präsent, wo sich Verwaltungs- und Proberäume für die Studiobühne, die Schauspielschule und das Theater Tollhaus für Kinder und Jugendliche sowie für das Bürgertheater befinden.
Die Premiere am heutigen Samstag ist ausverkauft, die nächste Aufführung am Samstag, 6. Oktober, 15 Uhr. Die Studiobühne hat bislang 40 000 Euro in die temporäre Bühne investiert, die sie bis kommenden Sommer nutzen kann, und bittet zur Finanzierung um Spenden. Informationen hierzu und zu weiteren Aufführungen im Internet.