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DebatteSiegburger Soziologieprofessor plädiert für Grundeinkommen

Lesezeit 4 Minuten

Michael Opielka arbeitet in seinem Büro mitten in Siegburg vor einem Regal mit unzähligen Büchern.

Siegburg – Wie könnte ein gutes Leben für alle aussehen? Diese Frage hat Michael Opielka schon früh umgetrieben. Einen wichtigen Impuls gab ihm das Buch „Haben oder Sein“, in dem der Psychoanalytiker Erich Fromm die Idee des Grundeinkommens erörtert.

Beim Gang durch die Altstadt von Tübingen, wo Opielka Anfang der 80er Jahre studierte, hatte er eine intuitive Einsicht: „Ich war mir auf einmal absolut sicher, dass diese Idee richtig ist“, sagt der Soziologieprofessor heute. Damals hatte er bereits in einem Kibbuz gearbeitet und als angehender Diplom-Erziehungswissenschaftler seine erste Forschungsarbeit darüber geschrieben: „Seele in guter Gesellschaft“.

Zahlreiche Bücher und Aufsätze

Seitdem sind 37 Jahre vergangen, zahlreiche Aufsätze und Bücher hat der gebürtige Stuttgarter veröffentlicht, der an der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena Sozialpolitik lehrt. Und er hat 1987 in Siegburg das Institut für Sozialökologie (ISÖ) gegründet. Ein Forschungs-Institut, das Institutionen und Verbände berät – etwa, wenn es um die Zukunft der Altenhilfe geht. Hier entwickelte das ISÖ jüngst ein Szenario für die Jahre von 2030 bis 2045.

Für die Kreisstadt sprach damals ihre verkehrsgünstige Lage. „Wir sind fast ein virtuelles Institut“, erklärt Opielka die Tatsache, dass diese Denkfabrik in der Kreisstadt kaum bekannt ist. Die Wissenschafter leben in ganz Deutschland verstreut, kommunizieren meist über Telefon und Internet und kommen einmal im Monat im Haus an der Ringstraße zusammen. Praktisch für den Chef, der im Institutsgebäude auch wohnt. Von dort aus geht der Blick zum Michaelsberg. „Ich bin Katholik und Anthroposoph und sehe auf einer tieferen Ebene keinen Widerspruch“, sagt der 61-Jährige, der sich einer „ganzheitlichen“ Wissenschaftsbewegung zuordnet.

Verschiedene Ebenen und Disziplinen zu verbinden ist für Opielka ein Lebensthema. So hat er in der Kinderpsychiatrie gearbeitet, ist Coach, Supervisor und Gruppenanalytiker. Er war ein sozialpolitischer Vordenker der Grünen, etwa in den 80er Jahren als wissenschaftlicher Referent in der Bundestagsfraktion.

Opielka zählte zu den Mitgliedern der ersten Stunde. „Mir war allerdings klar, dass wir eine ökologische Nachhaltigkeit nur bekommen, wenn wir die soziale Dimension miteinbeziehen. Damit gehörte ich bei den Grünen immer zu einer Minderheit.“ Opielka ist bei den Grünen geblieben, doch vertritt er auch auf Tagungen der SPD, CDU oder der Linken seine Thesen über „Soziale Nachhaltigkeit“.

Menschen leben über ihre Verhältnisse

So heißt sein neues Buch, das den Untertitel trägt „Auf dem Weg zur Internalisierungsgesellschaft“. Damit meint der Zukunftsforscher eine Gesellschaft, „die mit dem auskommt, was sie hat“. Als „Drama der Gegenwart“ nämlich bezeichnet es der Autor, dass die Menschen in den Industrieländern über ihre Verhältnisse leben. „Wir verschieben Umweltlasten und Sozialkosten an die Armen im reichen Norden und vor allem im ärmeren Süden.“

Die Interessen von benachteiligten Menschen würden außerdem gegen den Klimaschutz ausgespielt. Ein garantiertes Grundeinkommen nähme den „Druck aus dem globalisierten Kessel“, indem die Existenzsicherung nicht mehr allein von der Erwerbsarbeit abhängt, schreibt Opielka. Das Grundeinkommen spielt eine zentrale Rolle in der Diskussion um soziale Nachhaltigkeit. Die befeuert der Vater einer Tochter und Großvater von zwei Enkeln auch mit Publikationen, Vorträgen und TV-Auftritten; außerdem ist er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Netzwerks Grundeinkommen.

Michael Opielka stammt aus einer Arbeiterfamilie. „Wir haben in einer kleinen Wohnung gelebt: Großmutter, Eltern und fünf Kinder.“ Er weiß, wie sich Armut anfühlt: „Ich war mal drei Jahre lang arbeitslos, habe ordnerweise Bewerbungen geschrieben.“ Aber „ich habe immer versucht, nur Dinge zu tun, für die ich eine Leidenschaft habe. Ich war zum Beispiel Rektor der Alanus-Hochschule. Eines Morgens bin ich aufgewacht und wusste, dass es Zeit für einen Wechsel ist“. Neben den wissenschaftlichen Publikationen schreibt der Literatur-Liebhaber selbst Lyrik und hat jüngst einen Romanessay mit dem Titel „Villa Mare“ veröffentlicht.

Acht Stunden in der Woche nimmt allein die Lektüre diverser Zeitungen in Anspruch. Wie ist ein solches Pensum zu schaffen? Das Piano steht vorwiegend unbenutzt im Wohnzimmer. „Ich spiele leider ziemlich schlecht Klavier“, sagt Schubert-Fan Opielka. „Ich fahre wenig Auto, arbeite in der Bahn und versuche, Zeitvernichter zu reduzieren.“ Auf Nachfrage nennt der Professor „übermäßiges Putzen und TV-Unterhaltung“.

Zeit für die Sportschau aber müsse am Wochenende sein, räumt der Fan des VfB Stuttgart ein, der allerdings auch die Leiden der Anhänger des 1. FC Köln teilt.