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Flüchtiger Reiz der UnschärfeKünstlerin Katja Zander im Portrait

Lesezeit 3 Minuten

Verwischte Konturen schärfen den Blick: Zahlreiche Gemälde warten noch auf ihre Vollendung.

Siegburg – Zieht Anna ihre rote Mütze ins Gesicht, verschwindet die Welt um sie herum. Denn die Fünfjährige träumt gern. Das hat sie mit ihrer Schöpferin gemeinsam, der Malerin Katja Zander. „Wäre ich kurzsichtig, würde ich meine Brille gern absetzen. Die Unschärfe reizt mich, das Vorübergehende, Flüchtige“, sagt die 36-Jährige. Das zeigt sie in ihrem Kinderbuch „Anna und die rote Mütze“ , vor allem aber in ihren Bildern, die im Atelierhaus am Trerichsweiher entstehen.

Markenzeichen von Zanders Ölmalerei sind die verwischten Konturen oder auch ein nebliger Dunst, der Landschaften und Figuren weich einhüllt. Mitunter meint man, aus einem Autofenster ins Freie zu blicken, wo die Motive schnell und unscharf vorbeiziehen.

Die Künstlerin Katja Zander in ihrem Atelier am Trerichsweiher. Manche Bilder wirken wie der Blick aus einem fahrenden Auto.

„Der Pinselstrich im Bild hat mich eigentlich immer gestört“, sagt Katja Zander. Die gestischen Spuren hat sie getilgt und dafür die Nass-in-Nass-Technik genutzt oder zahlreiche lasierende Farbschichten auf die Leinwand aufgetragen.

Bis sie ihren eigenen Stil fand, habe es zehn Jahre gedauert, sagt Katja Zander, die aus Eisenach stammt. Gemalt habe sie schon immer gern, doch ihre Eltern beharrten darauf, dass sie etwas „Bodenständiges“ lernte. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester, „Aber ich wollte etwas von der Welt sehen, und zwar per Schiff.“

Unfall durchkreuzte Pläne

Sie plante, auf der Gorch Fock anzuheuern und Psychologie auf der Bundeswehrhochschule zu studieren. Doch ein Unfall durchkreuzte diese Pläne. Ein Schicksalsschlag mit gutem Ausgang, denn statt bei der Marine landete die damals 22-Jährige an der Alanus-Hochschule, wo sie Kunst studierte.

Im Jahr 2015 wurde sie im Frauenmuseum Bonn mit dem Valentine-Rothe-Preis ausgezeichnet. Die Jury lobte ihre „hohe malerische Qualität“, die formale Klarheit und eigenwillige Bildsprache zwischen Absurdität und Rätsel. Denn wie die Surrealisten kombiniert Katja Zander gern Motive, die scheinbar nicht zusammenpassen, platziert etwa einen jonglierenden Mann in einem blauen „Meer aus Zuckerwatte“, wie sie selbst ein Bild beschreibt.

Die Farbe Rot spielt in der Arbeit Katja Zanders eine große Rolle.

Den Blick fürs Ungewöhnliche will sie auch bei den Teilnehmerinnen ihre zahlreichen Malkurse schärfen. Der nächste findet an frischer Luft auf dem Gelände der Galerie Sattelgut statt (29. Juni bis 3. Juli). In Corona-Zeiten kein Problem, lediglich das Mittagessen, das Zanders Mann als professioneller Koch selbst zubereitet, können die Künstlerinnen nicht an einem Tisch gemeinsam einnehmen.

„Zum Malen braucht man Mut“, ist Katja Zander überzeugt. Ihre Schülerinnen motiviert sie deshalb, auch mal die kreative Komfortzone zu verlassen. „Viele haben ab einem bestimmten Punkt Angst davor, das Bild kaputtzumachen, wenn sie weitermalen. Aber man sollte darüber hinwegspringen, denn aus dem vermeintlichen Fehler kann etwas Neues, ganz Eigenes entstehen.“

„Man kann es Menschen ansehen, ob sie gern beobachten“

Zander nennt als Beispiel Francis Bacon, „der eigentlich lachende Gesichter malen wollte“. Was dem Briten auf geniale Weise missglückte. Katja Zander will, dass ihre Kursteilnehmer den eigenen Stil finden. „Das kann auch bedeuten, dass man alles schief malt.“Das Streben nach akademischer Korrektheit sei da oft hinderlich. Kunst, das betont die Lehrerin gern, hat nicht nur mit Handwerk, sondern auch „mit intensivem Sehen zu tun. Man kann es Menschen ansehen, ob sie gern beobachten“.

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Die Zeit dafür gönnt sich die Mutter eines zehnjährigen Sohnes in der Corona-Pandemie verstärkt. „Ich genieße diese Phase sogar ein wenig und spüre eine größere Ruhe als sonst“, bekennt Zander, die manchmal zweimal am Tag ins Atelier fährt. Auf der Minusseite stehen die ausgefallenen Ausstellungen. Doch allmählich springt der Kunstbetrieb wieder an. So will die Siegburgerin, die auch Mitglied der Gedok ist, im Herbst mit der Britin Zoe Toms in der „Fabrik 45“ in Bonn ausstellen – das Motto der Schau: „Instinkt“.