Im Prozess um die brutale Tötung einer 31-Jährigen im Januar in Siegburg hat der Angeklagte vor dem Bonner Landgericht ein Geständnis abgelegt.
Prozessauftakt in BonnFrau in Siegburg mit 135 Messerstichen getötet – Angeklagter gesteht
Es ist 9.15 Uhr am Montag im Saal 0.15 des Bonner Landgerichts, der Vorsitzende des Schwurgerichts, Klaus Reinhoff, hat gerade die Verhandlung um einen Mord in Siegburg eröffnet. Nachdem Staatsanwältin Carola Stangier in knappen Worten die Anklage vorgelesen hat, bittet Rechtsanwalt Jürgen Schüttler ums Wort. Der Verteidiger des Angeklagten gibt eine Erklärung ab, die aus nur einem Satz besteht: „Mein Mandant bestätigt, dass er die Geschädigte am 1. 1. 2024 getötet hat.“
Am 22. Februar bekommt eine jüngere Schwester des 30-jährigen Angeklagten einen Anruf, ein Mann meldet sich und sagt, ihr Bruder verkehre in der Kölner Obdachlosenszene und sehe verwahrlost aus, sie solle sich mal um ihn kümmern. Die Frau fährt mit einem Begleiter voller Sorge zur Wohnung des Bruders an der Josef-Mohr-Straße im Siegburger Stadtteil Deichhaus, schließt sie mit einem Zweitschlüssel auf – und entdeckt im Badezimmer eine Tote.
Die Leiche lag in der Badewanne einer Wohnung in Siegburg-Deichhaus
Sie liegt mit angewinkelten Beinen in der fast randvoll mit Wasser gefüllten Badewanne, die Hände hinter dem Rücken, auf der linken Schulter ein grünes Tuch, mit einem Strick um den Hals. Die Schwester läuft schreiend nach draußen und ruft die Polizei. Zwei Streifenbeamte kommen als erste an den Tatort, beruhigen die Frau, die im Treppenhaus steht und weint, fordern einen Notfallseelsorger an, dann geht eine Polizistin (28) in die Wohnung.
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Und findet ein Chaos vor: „Messiehaft verwüstet“, schildert sie dem Gericht ihre Eindrücke: Essensreste, Fäkalien, Blut an Türen, Wänden, auf dem Fußboden – und Verwesungsgeruch.
Gerichtsmediziner zählen später 135 Messerstiche, darunter eine mindestens zehn Zentimeter lange Schnittverletzung am Hals; dazu Quetschungen und Risswunden. Die Mordkommission der Bonner Polizei unter der Leitung des Ersten Kriminalhauptkommissars Dietmar Kaiser geht davon aus, dass die 31-Jährige zwischen dem 28. Dezember 2023 und dem 31. Januar 2024 getötet worden ist, also wochenlang in der Wohnung gelegen hat.
Der Tatverdächtige wurde am Kölner Heumarkt festgenommen
Dringend tatverdächtig ist der Mieter, ein wegen Drogenkriminalität polizeibekannter 30-Jähriger, den Fahnder am 23. Februar, einen Tag nach der Entdeckung des Leichnams, in einem Hinterhof unweit des Kölner Heumarkts festnehmen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
Er ist offenbar ein schwieriger Charakter, hat sich mit seinem ersten Pflichtverteidiger überworfen, so dass die Kammer ihm Rechtsanwalt Schüttler als Beistand zugeordnet hat. Wiederholt redet er im Prozess dazwischen, ebenso oft mahnt ihn der Vorsitzende Richter zur Ruhe. Der 1994 in Siegburg geborene Angeklagte, so ist von seinem Bewährungshelfer zu hören, neige dazu, sich als Opfer hinzustellen. Den Eltern, die eine schwierige Ehe geführt hätten, hält er vor, schuld an einer Darmerkrankung zu sein.
Bereits früh wurde er straffällig, kam in einer Clique mit Drogen in Kontakt, so dass die Eltern den Heranwachsenden für zwei bis drei Jahre zu den Großeltern der Mutter nach Neuseeland reisen ließen, „ein Verschickungsprogramm zur Besserung“, wie es der psychiatrische Sachverständige Dr. Wolfgang Schwachulla ausdrückte. Es half aber nichts: In Übersee wurde der Siegburger Handlanger eines Onkels, der dort im Rauschgiftmilieu agierte und synthetische Drogen verkaufte.
Täter und Opfer lernten sich in der Adventszeit 2023 kennen
Zurück in der Heimat zeugte er mit 19 ein Kind, 2018 ging er wegen Drogenkriminalität in Haft, wurde 2023 entlassen und quartierte sich sogleich in der Siegburger Wohnung ein, die seine Mutter und Schwester gemietet hatten. Anfang Dezember des vergangenen Jahres gab es die verhängnisvolle Begegnung mit dem späteren Opfer; die Hintergründe schilderte der Angeklagte dem Bewährungshelfer in der U-Haft, der diese Aussage dem Gericht am Montag zu Protokoll gab.
Danach habe er die Frau im Advent in der Drogen- und Obdachlosenszene kennengelernt, sie nur kurz mit in die Wohnung genommen, sie sei aber nicht mehr gegangen; also sei er, wieder mal das Opfer, dort nur noch erschienen, um sich frisch zu machen. In der Silvesternacht 2023 wurde er nach exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum ins Bonner Waldkrankenhaus eingeliefert, entließ sich selbst noch am 1. Januar, ging in seine Dachgeschosswohnung und fand dort die Untermieterin gemütlich in der Badewanne vor.
Da habe er einen Stock genommen, um sie zu vertreiben, sie habe sich mit einem Messer gewehrt, das er ihr entrissen und damit zugestochen habe. Als sie tot gewesen sei, habe er in Panik einen Kumpel angerufen, der auch gekommen sei und ihm geraten habe, die Ursprungstat durch weitere Messerstiche zu vertuschen. Wer der Kumpel war? Unklar.
Die Tote, die schwer rauschgiftsüchtig gewesen sein soll, hinterlässt einen anderthalbjährigen Sohn, der bereits kurz nach der Geburt in die Obhut eines Jugendamts genommen und zu Pflegeeltern gegeben wurde. Das Kind ist in dem Verfahren als Nebenkläger zugelassen worden. „Es wird irgendwann mal fragen, was mit seiner Mutter geschehen ist. Ich hoffe, dass der Prozess diese Frage klären wird“, sagte Rechtsanwalt Volker Fritze, der den Jungen vertritt. Wenn das Schwurgericht am 7. November sein Urteil fällt, wird man es wissen.