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Katholisches Kinderheim Pauline von Mallinckrodt in SiegburgDas Heim kann die Familie nicht ersetzen

Lesezeit 4 Minuten

Siegburg – So richtig bei der Sache sind sie nicht, die Jugendvertreter des katholischen Kinderheims Pauline von Mallinckrodt in Siegburg-Wolsdorf. In der einen Ecke bemalen sich zwei Mädchen gegenseitig mit Kugelschreibern, in einer anderen reden zwei Jungs so laut, dass es Sonja Boddenberg irgendwann zu viel wird. Sie seufzt laut, guckt die Mädchen an, ermahnt die beiden Jungen. Danach herrscht einigermaßen Ruhe. Seit einer knappen Stunde sitzt Heimleiterin Sonja Boddenberg mit den Kindern und Jugendlichen zusammen. Einmal im Monat treffen sich die Vertreter der einzelnen Wohngruppen im Partyraum des Heims, um über Probleme und Projekte zu diskutieren.

Heute geht es in der „Kinder- und Jugendvertretung“ darum, ob man jugendliche Betreuer im Heim zulassen möchte. Denn nicht alle Kinder des Heims würden mit ihren Problemen zu den erwachsenen Betreuern gehen, finden die Gruppenvertreter. Seit sie die Stelle als Heimleiterin übernommen hat, sitzt Boddenberg immer mittendrin, hört zu, macht sich Notizen und moderiert die Sitzungen.

Weniger Kontakt zu den Kindern

Sie freue sich immer auf diese monatlichen Treffen, sagt Boddenberg. Denn seit ihrem Wechsel 2008 in die Heimleitung habe sie sehr viel weniger direkten Kontakt zu den Kindern als während ihrer vorherigen Arbeit als Psychologin. Heute ist sie vor allem Geschäftsführerin einer Institution mit 157 Mitarbeitern und 120 Kindern. Zu den Mitarbeitern gehören allein 100 Pädagogen, die größtenteils in Schichten arbeiten, da die Kinder auch nachts betreut werden.

Hinzu kommen Gärtner, Küchenmitarbeiter, Hausmeister und junge Leute, die im Heim ein freiwilliges soziales Jahr machen. „Ich habe viele Termine, viele Facharbeitskreise und muss viele Bewerbungsgespräche führen“, beschreibt Boddenberg ihren Arbeitsalltag. Die 39-Jährige verbringt die meiste Zeit in ihrem Büro, kümmert sich um die Finanzen, initiiert neue Projekte, spricht viel mit ihren Mitarbeitern und hält Kontakt zu verschiedenen Jugendämtern, die für die Zuweisungen zuständig sind.

Die meisten Kinder kommen aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Auch Diskussionen mit den Eltern, die sich von ihren Kindern trennen mussten, gehören zu Boddenbergs Aufgaben. Die seien häufig anderer Meinung, was das Beste für ihr Kind sei, sagt sie, brächten manchmal auch einen Anwalt mit.

Eigene Familie bleibt unersetzbar

Trotz der 24-stündigen Betreuung und dem Leben in kleinen Gruppen könne die eigene Familie nie ersetzt werden, sagt Boddenberg. „Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Ziel ist es, so viele Kinder wie möglich zu ihren Familien zurückzuschicken.“ Solange die Kinder jedoch im Heim sind, sollen sie sich dort angenommen fühlen.

Sie kennt jedes Kind beim Namen und zum Geburtstag hat sie für jeden eine Tüte mit Süßigkeiten parat. Fallen an einem Abend einmal überraschend zu viele Betreuer für eine Gruppe aus, übernachtet sie auch mal in der Wohngruppe. Zum Kinderheim Pauline von Mallinckrodt gehören insgesamt fünf Häuser mit insgesamt 15 Wohngruppen und ein Kindergarten für kleine Heimbewohner, aber auch für Kinder von außen.

Die meisten der Kinder sind im Haupthaus an der Jakobstraße in Siegburg-Wolsdorf untergebracht. Auch Boddenberg und der Rest der Verwaltung sitzen dort. Für die Wohngruppen des Haupthauses und den Kindergarten gibt es dort eine zentrale Küche. Die vier Außenwohngruppen sind in Siegburg verteilt. Es gibt unter anderem eine Gruppe für Kinder mit Entwicklungsstörungen, Ängsten, Unruhen oder Leistungsschwächen. Dann gibt es eine Gruppe für Kinder, die plötzlich aus ihrer Familie herausgenommen werden mussten, und bei denen nicht klar ist, ob sie wieder zu ihren Eltern zurück können.

Arbeit mit Kindern immer ein Traum

„Jedes Kind in einem Heim musste früher heftige Erlebnisse erleiden“, sagt Boddenberg, die auch für die pädagogischen Konzepte der Gruppen verantwortlich ist. Auf diese Aufgabe ist sie gut vorbereitet. Denn als sie 2001 als Psychologin in dem Heim anfing, diagnostizierte sie die Probleme von neu ankommenden Kindern, ordnete sie einer Gruppe zu und entschied über geeignete Therapieformen. Schon vor ihrem Psychologiestudium in Bonn war klar, dass sie später mit Kindern arbeiten wollte.

Mit 18 Jahren leitete sie verschiedene Pfadfindergruppen, organisierte gemeinsame Ausflüge und das Sommercamp. Ganz am Ende der Kinder- und Jugendvertretungssitzung passiert es dann doch: Nach gut einer Stunde voller Diskussionen wirft eines der Mädchen, die sich zuvor gegenseitig mit Kulis bemalt hatten, das volle Wasserglas von Sonja Boddenberg um. Die Kinder halten den Atem an, doch die Leiterin beendet die Sitzung in aller Ruhe.