Köln-KrimiEin Faible für Ecken und Kanten
Siegburg – Schwarz-Weiß-Malerei ist ihm suspekt. „Rosagrau“ heißt das Debütalbum der Band „Conte“, für das Mathias Wünsche die Lieder komponiert und die Texte geschrieben hat, die so widersprüchlich sind wie der Titel und so tiefgründig wie die Protagonisten in seinen Krimis. Und so vielschichtig wie der Siegburger selbst.
Mathias Wünsche ist Autor, Musiker und Komponist, leitet unter der Woche in Köln eine Caritas-Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche und erfindet sich abends und an den Wochenenden seine eigene Welt. „Die kann ich wenigstens steuern“, sagt er. Und doch steuert er sie zumeist in den Abgrund. Literaturkritiker nennen seine Köln-Krimis, von denen der jüngste „Ein Männlein steht im Walde“ soeben bei Emons erschienen ist, „Psychothriller mit Tiefgang“. Auch seine jüngste Romanfigur, der Detektiv Lou Parker, hat seine dunklen Seiten, kämpft mit seinen Depressionen und hat mit seinen 36 Jahren schon einige Abstürze erlebt.
Klein-Chicago von Köln
„Menschen mit Ecken und Kanten“, sagt Wünsche, „sind mir lieber als frisch rasierte.“ Ihn interessiert vor allem das Innenleben, er gibt seinen Figuren von Seite zu Seite mehr „Gesicht, Herz und Rückgrat“. Natürlich haben seine Krimis alles, was ein Krimi haben muss, doch die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen, denn: „Ich bin kein Missionar“, meint Wünsche, der sich vor zehn Jahren „der Liebe wegen“ in Siegburg ansiedelte. Ein Autor sollte seine Leser „in keine Richtung drängen, sondern ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst eine Geschichte zu spinnen“. Dazu dient, was bei Wünsche zwischen den Zeilen steht: die bisweilen auch humorvollen Untertöne. Dazu animiert reichlich Kölner Lokalkolorit. Das kennt der mittlerweile 57-Jährige seit seiner Kindheit. Am Eigelstein, in jenem Viertel, das in den 60er-Jahren als Klein-Chicago von Köln verrufen war, ist Mathias Wünsche in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen.
Der Vater hat, weil er in Köln Flugblätter gegen die Nazis verteilte, zehn Jahre im KZ geschmachtet und danach eine Suppenküche für Obdachlose aufgemacht. „Das alles hat mich geprägt“, sagt Mathias Wünsche. Diese Prägung ihn wohl auch bewogen, nach der Lehre als Maler und Anstreicher auf dem Abendgymnasium das Abitur nachzuholen und Sozialpädagogik zu studieren. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er mit Kindern und Jugendlichen, er hat auch schon ein paar Kinderkrimis veröffentlicht, „Rea und die Catnapper“ und „Die Südstadtdetektive“. 2016 soll „Zara Zunder“ auf den Markt kommen, eine Fantasygeschichte für Vorschulkinder – ein Vorlesebuch. Aber wenn Wünsche in Schulen liest, wird mehr daraus. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Cirsten Gülker liest er in verteilten Rollen und zu Gitarrenklängen. „Die Musik ist meine Liebe, das Schreiben meine Heimat“, sagt Wünsche und gesteht: „Ich bin kein Virtuose, aber ich kann in der Band immerhin den Rhythmus angeben.“
Eines Tages vom Schreiben leben
Seit Oktober 2010 gibt es die Band Conte mit Cirsten Gülker als Leadsängerin und Mathias Wünsche vor allem als Texter und Komponist. Gleichermaßen inspiriert von Bob Dylan und Wolfgang Niedecken, sind die Songs, meist mit einem Hauch Melancholie, gewissermaßen auf wenige Zeilen komprimierte Romane.
Eines der Stücke heißt „Künstler“ und verrät ein wenig von dem Traum des Texters, nämlich eines Tages vom Schreiben leben zu können, aber: „Irgendwann darf ich ja auch in Rente gehen“, schmunzelt er. Denn er hat noch viel vor. Nicht nur seine Beziehungssatire „Rittersöhnchen“, die er schrieb, weil er sich über Hera Lindt ärgerte, harrt einer Überarbeitung und Veröffentlichung.