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Wärmeplanung für SiegburgIdeen für eine klimafreundliche Zukunft

Lesezeit 5 Minuten
Eine Baugrube mit einem Bohrer für Erdwärme

Bohrungen für Geothermie auf der Baustelle für die neue Vierfachturnhalle im Haufeld.

Stadtbetriebe und Stadtwerke planen im Auftrag des Rats die Wärmeversorgung für Siegburg – dabei sind auch Bürgerinnen und Bürger gefragt.

KWP, die Abkürzung geht vielen Verantwortlichen in Rathäusern und Stadtwerken schon selbstverständlich über die Lippen, und auch in der breiten Öffentlichkeit soll die Kommunale Wärmeplanung bekannter werden: Hintergrund ist eine bundesweite Mammutaufgabe, die bundesweite CO₂-Neutralität zum Jahr 2045. Dabei wird die Frage, wie vor Ort in den Städten und Gemeinden geheizt wird, in Wohnungen und Unternehmen, von entscheidender Bedeutung sein.

Welche erneuerbaren Energien kommen künftig für Siegburg infrage?

Der Siegburger Stadtrat hat die Stadtbetriebe bereits im vergangenen Jahr mit der Umsetzung beauftragt, und die machen jetzt mit ihrer Tochtergesellschaft, den Stadtwerken, einen ersten Aufschlag: Stadtbetriebe-Vorstand André Kuchheuser sowie der Geschäftsführer der Stadtwerke, Andreas Roth, und Prokurist Tim Wesener stellten den geplanten Ablauf für die Erstellung der Wärmeplanung vor.

„Wie heizt denn Siegburg derzeit eigentlich?“, ist eine entscheidende Frage. Wärme macht Wesener zufolge rund 50 Prozent des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs aus. Er betont: „Wenn ich auf null beziehungsweise auf eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung herunterwill, muss ich unter anderem wissen, welche Lücke ich schließen muss, mit welchen lokalen erneuerbaren Energien ich künftig arbeiten kann.“

Klar sei ihm, dass es erst einmal um theoretische Potenziale gehe. „Der spannende Teil ist aus meiner Sicht, sich nach Bestands- und Potenzialanalyse im Zielszenario zu überlegen, wie ein intelligenter Mix auf Basis lokaler Potenziale aussehen könnte.“ Hier könne es später zum Beispiel Wärme aus Wärmepumpen geben, dort ein Wärmenetz. Auch die Wirtschaftlichkeit müsse genau untersucht werden. „Die Bürger betrifft das Ergebnis der Wärmeplanung erst dann, wenn wirklich zum Beispiel ein Wärmenetz gebaut worden ist; nicht, wenn ein Gebiet in der Planung als voraussichtliches Wärmeversorgungsgebiet ausgewiesen wird.“

Wärmeplanung für Siegburg: Kein Beschluss im stillen Kämmerlein

Die Feststellung von Eignungsgebieten in der kommunalen Wärmeplanung ist also nicht schon gleichbedeutend mit einer Gebietsausweisung im Bebauungsplan. Die Wärmeplanung werde zudem nicht im stillen Kämmerlein beschlossen, Bürgerinnen und Bürger sollten einbezogen werden.

Drei Männer vor einer Baugrube

Stadtbetriebe-Vorstand André Kuchheuser sowie der Geschäftsführer der Stadtwerke Andreas Roth und Prokurist Tim Wesener an der Baustelle für die neue Vierfachturnhalle im Haufeld

„Wir schrecken vor keiner Analyse zurück“, ergänzt Kuchheuser. Das Abwassernetz werde auf Abwärme überprüft, Sieg und Mühlengraben auf das Potenzial für Wasserkraft, auch er sieht Wasserstoff eher als Zukunftsprojekt. Allerdings liege Siegburg potenziell an einer Versorgungstrasse. Als besonders wichtig sieht Kuchheuser „Inselprojekte“ beim Einsatz von erneuerbaren Energien an, die geplante Bebauung im Haufeld, in dem auch Anwohner mitversorgt werden sollen, das Oktopus-Bad oder die neuen Wohnhäuser an der Waldstraße.

Im Gespräch gingen Wesener und Kuchheuser auf weitere Detailfragen ein.

Was passiert auf der Zeitachse? In einem ersten Schritt läuft mit der Bestandsanalyse die Ermittlung des Status quo der Wärmeversorgung hinsichtlich Wärmebedarf oder -verbrauch und der für die Wärmeversorgung relevanten Energieinfrastrukturen, wobei ein „digitaler Zwilling“ der Kreisstadt entsteht. Daran schließt sich die Analyse von Potenzialen zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbare Energien an, für die Nutzung unvermeidbarer Abwärme und Energieeinsparmöglichkeiten durch Wärmebedarfsreduktion.

Ein eingerüstetes Wohnhaus

Auch auf die richtige Dämmung kommt es an: Arbeiten an einem Wohnhaus im Haufeld

Auf Grundlage von Bestands- und Potenzialanalyse wird Siegburg in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete unterteilt, z.B. für eine dezentrale Wärmeversorgung, ein Wärmenetzgebiet oder ein Wasserstoffnetzgebiet. Letzteres sieht Wesener nicht in einer kurzfristigen Perspektive. Das Zielszenario beschreibt, wie Siegburgs langfristige Entwicklung der Wärmeversorgung aussehen könnte. In einer Umsetzungsstrategie werden konkrete Einzelmaßnahmen ausgearbeitet und schließlich umgesetzt.

Wie kann man sich den digitalen Zwilling Siegburgs vorstellen? Jedes Gebäude in der Stadt wird in einem digitalen Modell abgebildet, einschließlich Daten, z.B. zu Wärmeverbrauch und Baualtersklassen. Betont wird allerdings, dass dazu mit aggregierten Daten gearbeitet wird, nicht mit aufwendigen Erhebungen in einzelnen Haushalten. Die Daten liefern etwa die Kehrbücher der Bezirksschornsteinfeger und Gasverbrauchsdaten des Netzbetreibers. Personenbezogene Daten dürfen nicht an die Kommunen übermittelt werden, aus Gründen des Datenschutzes.

Ersetzen die Kommunen eine Energieberatung? Nein. Die individuelle Beratung durch Energieberater bleibt nach wie vor nötig, um die beste individuelle Lösung für einen Heizungstausch bzw. den Umstieg auf erneuerbare Energien zu finden. Die Wärmeplanung hilft aber der Kommune, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten und Bürgerinnen und Bürgern, Fehlentscheidungen zu vermeiden, indem aufgezeigt wird, wo die größten Hebel und Potenziale zur CO2-Einsparung in der Wärmeversorgung vorhanden sind und welche Versorgungsoptionen bereits von Anfang an ausgeschlossen werden können.

In einem Bürgerforum will die Stadt offene Fragen klären und Ideen sanmmeln

Welche Wärmeerzeugungspotenziale könnten für Siegburg eine besondere Rolle spielen? Zu den für die Wärmeversorgung potenziell relevanten lokalen Wärmequellen zählt u.a. Erdwärme; allerdings nicht tiefe Geothermie, die erst ab ca. 400 m Tiefe beginnt und bis 5000 Meter reicht, sondern oberflächennahe, die Wärmegewinnung aus einer Tiefe von bis zu 400 Meter bezeichnet. Geprüft wird neben potenziellen Wärmequellen auch das wirtschaftliche Potenzial, wobei André Kuchheuser auf die enormen Kosten von Wärmenetzen hinweist, bei dem die Kommunen sicherlich Unterstützung brauchen würden. Die Wärmeplanung sei nicht zuletzt die Grundlage für den Ausbau solcher Wärmenetze.

Macht die Wärmeplanung zwingende Vorgaben für Heizungsbesitzer? Anforderungen an Heizungsanlagen sind anderweitig geregelt. So sieht etwa das Gebäudeenergiegesetz vor, dass der Betreiber einer Heizungsanlage mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen, die ab dem 1. Januar 2024 eingebaut wurde, sicherzustellen hat, dass ab dem 1. Januar 2029 mindestens 15 Prozent, ab dem 1. Januar 2035 mindestens 30 Prozent und ab 1. Januar 2040 mindestens 60 Prozent der Wärme aus Biomasse oder grünem oder blauen Wasserstoff erzeugt wird. In Verbindung mit dem Gebäudeenergiegesetz führt die Kommunale Wärmeplanung allerdings zu Einschränkungen bei der Zulässigkeit bestimmter Heizlösungen.

Mit einem ersten Bürgerforum gehen Stadtbetriebe und Stadtwerke am Donnerstag, 29. August, mit dem Thema Wärmeplanung an die Öffentlichkeit. Beginn ist um 18 Uhr im Stadtmuseum. Neben der Vorstellung der Planung geht es darum, Fragen zu beantworten und vor allem Ideen zu sammeln. Informationsveranstaltungen zu der laufenden Wärmeplanung wird es künftig regelmäßig geben.