Ein Kind von 77 JahrenHerman van Veen überzeugt vor 700 Zuschauern in Siegburg
Siegburg – Das forsche Weitersingen des „Warum ich so fröhlich bin“ von Kontrabass Kees Dijkstra war dem Meister nun doch zu viel. Herman van Veen brach die Nummer ab, legte die Hand auf Dijkstras Schulter und machte ihn gefühlte fünf Minuten lang zur Minna. Das Fantasie-Kauderwelsch war zwar nicht zu verstehen, doch ließen Tonfall, Mimik und ein kurzes „plemplem“ auf Schimpfe schließen. Beim genuschelten „Sieschbörg“ (offenbar Siegburg) und „Örschlöch“ war dann den Letzten klar, was Sache ist.
Eine viel zu schnell dahinfliegende Revue boten van Veen und sein Ensemble im Rhein-Sieg-Forum. Mit vielfältiger Musik, fröhlich-ausgelassen oder herzerwärmend, mit Geschichten voller Poesie („Das Leben geht von selbst und von selbst vorüber“), schrullig oder nachdenklich stimmend und 700 Menschen mit einem Schlag zum Schweigen bringend, mit Tänzchen und ein bisschen Magie. Auf höchstem musikalischen und technischen Niveau agierte das Quartett, mit ehrlicher Spielfreude und einer Empathie, als wollten sie jeden und jede im Saal persönlich umarmen.
Kaleidoskopisch entfaltete sich das Programm von Herman van Veen
Herman van Veen, der seine Gäste mit „Hallo Menschen“ begrüßte, ist ein Tausendsassa, ein reifer erfahrener Mann, der trotz seiner 77 Jahre Kind geblieben ist. Sein Ideenfundus ist unerschöpflich, er beherrscht das Clowneske, das Elegante und Freche, verletzt aber nie oder gerät unter die Gürtellinie.
Er kann Intimes auf den Punkt bringen, ohne es beim Namen zu nennen. Etwa, wenn er im sonoren Ton eines Börsenanalysten von seiner eigenen Entstehung berichtet. Zuerst ein Bad von Vater (sein Liebster) und Mutter (sein Schatz). Beide nacheinander im selben Wasser. Im Bett beschränkt sich der Dialog auf „Willst du auf dem Rücken oder auf dem Bauch liegen?“ „Rücken.“ „Ein Kissen unter den Popo?“ „Die Zimmerdecke hat es mal wieder nötig.“ „Und neun Monate später war ich da im gemütlichen Tässchen-Kaffee-Land. Ich bin ein Nachkriegskind und will, dass es so bleibt.“
Kaleidoskopisch entfaltete sich das Programm, verzauberte mit üppigen Farben und winzigen Facetten. Van Veens Magie mit einem verschwindenden Bällchen zündete ebenso wie die Choreinlage, bei der er das Publikum das Molto Allegro aus Mozarts Symphonie Nr. 40 summen ließ.
Van Veen berichtete in Siegburg rührend von seiner Großmutter
So stürmisch wie der Auftakt des Quartetts mit dem virtuos geigenden Duo van Veen/Jann Gnossen und einem Mix aus Vivaldi und Klezmer, so liebevoll und sacht war ein flämisches Lied, bei dem Hermannus Jantius, so van Veens vollständiger Vorname, plötzlich ins Countertenor-Fach wechselt. Seine Instrumentalisten beherrschen auch Gesang, das polyphone Intermezzo mit Gitarristin Edith Leekers, mit der er seit 1998 zusammenarbeitet, fesselte das Auditorium. Was wenig später vom Katzenlied-Trio „Miau“ kontrastiert wurde, wo van Veen die Bewunderung seiner Katze gegenüber auf seine eigene Art ausdrückte: „Meine Katze kann ihren Po lecken, ich nicht.“
Rührend erzählte er von seiner Großmutter („Das Herz der Oma wird immer noch warm, wenn sie den Opa sieht“), wünschte sich, mit seiner Mutter skypen zu können. Kernig blickte er auf seine Obstipation, zu deutsch: Verstopfung, zurück, den helfenden Rat des Arztes („Kacken Sie von jetzt an in Ruhe“) und seine fortan optimistische Herangehensweise: „Kacken ist nichts anderes, als verkehrtherum zu dinieren.“
Er vergaß auch seine Klassiker nicht, wie „Ich hab’ ein zärtliches Gefühl“ oder „Ich liebe dich“, wobei sich auch seine Fassung von Piafs „Non, je ne regrette rien“ sich tief ins Gemüt grub.