Mauer in Siegburg bröckeltLeinpfad wird wohl für Monate gesperrt bleiben
Siegburg – Oberhalb der Wasserlinie sind Steine und Beton aus der Ufermauer herausgebröckelt, stellenweise wuchert Moos aus breiten klaffenden Lücken. Bei niedrigem Pegel plätschert der Mühlengraben derzeit gemächlich durch die Kreisstadt, doch nach einem Unwetter oder langanhaltenden Regenfällen kann sich ein anderes Bild bieten. Dann steigt das Wasser mächtig an und entwickelt eine beträchtliche Strömung.
Kaputte Stellen in der Befestigung des linken Ufers zwischen Bahnhofstraße und Alleestraße beunruhigen die Stadtverwaltung so stark, dass ab heute der bei Spaziergängern und Radfahrern beliebte Leinpfad oberhalb der Mauer gesperrt wird, auf einer Länge von etwa 80 Metern.
Als „einsturzgefährdet“ sieht der Sachverständige Dirk Stelter die Mauer, die er seit mehreren Jahren kontrolliert. Der städtischen Pressestelle zufolge stieß er in den vergangenen Wochen vermehrt auf „Vergrößerungen von Rissen, neue Betonabplatzungen, Verschiebung von Mauerteilen und eine weiter fortschreitende Unterspülung“.
Passanten werden umgeleitet
Er folgert: „Die Mauer ist nicht mehr stabil, der Leinpfad nicht mehr sicher.“ Passanten werden über die Ringstraße umgeleitet, Bewohner eines Mehrfamilienhauses am Mühlengraben haben aber weiterhin Zugang. „Die Notwendigkeit der Maßnahme ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeit, dass sich im Herbst und Winter der Wasserstand erhöht“, erläutert Stelter. Beim Niedrigwasser der vergangenen Wochen habe er Standsicherheit und Unterspülungen gut im Auge behalten können. Wenn der Pegel steige, sei das nicht mehr möglich.
Stephen Marks, Leiter des städtischen Planungsamts, sagte vor Ort, man könne unmöglich sagen, ob Teile der Mauer schon morgen wegbrechen oder noch 20 Jahre halten. „Wir wollen nicht, dass das zu einem ernsten Problem wird“, betont er, Überlegungen für Ablauf und Art der Sanierungsarbeiten hätten bereits begonnen. Die könnten kompliziert werden: Einerseits müsse man die maroden Stellen trockenlegen, andererseits müsse der fischreiche Mühlengraben weiterfließen. Artenschutz sei zu beachten, „man kann nicht zu jeder Jahreszeit etwas machen“.
Verkehrsader
Der Mühlengraben fließt als knapp fünf Kilometer langer Kanal durch Siegburg, vom Siegwehr bis zur Einmündung in die Agger. Sein genaues Alter ist unbekannt, erstmals urkundlich erwähnt wurde er im 12. Jahrhundert.
Das größtenteils künstlich angelegte Gewässer war eine wichtige Verkehrsader, etwa zum Transport von Steinen aus den Wolsbergen. Zeitweise versorgte der Graben fünf Mühlen mit Wasser, die der Abtei auf dem Michaelsberg gehörten, außerdem die Kattunfabrik. (ah)
Im „längsten Fall“ könnten die Arbeiten eineinhalb bis zwei Jahre dauern. „Wir versuchen aber definitiv, das schnell hinzubekommen.“ Genehmigungsbehörde ist die Untere Wasserbehörde beim Rhein-Sieg-Kreis. Stelter hat als Ursache für den zunehmend schlechten Zustand der ohnehin alten Mauer auch die trockenen und heißen Sommer der vergangenen Jahre ausgemacht. Die Sonne heize den Beton außen auf, während das Innere kühl bleibe – dadurch entstehe Spannung.
Das Erdreich hinter der Mauer verliere zudem Feuchtigkeit und damit auch Volumen und Stabilität. Leidtragender ist vor allem Arslan Saat, Inhaber der Pizzeria Saat, der bislang Tische und Stühle für seine Gäste auf einem kleinen Plateau oberhalb der Mauer aufstellen konnte.
Er rechnet mit Umsatzeinbußen, wenn Gäste nicht mehr vom Leinpfad aus kommen können. Die Stadt gestattet ihm zwar, an der Bahnhofsstraße Tische aufzustellen. Das aber habe den Nachteil, dass dann Parkplätze vor der Pizzeria wegfallen. „Wer übernimmt die Verluste?“, fragt er, hohe Einbußen habe er schon durch die Corona-Pandemie gehabt.