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ZukunftswerkstattNostalgischer Zirkuswagen auf dem Michealsberg

Lesezeit 3 Minuten

Nostalgisch wirkt der Zirkuswagen auf dem Michaelsberg, doch der Aufbau auf dem alten Chassis ist brandneu. Die Veranda schließt an die Küche an, die noch eingebaut werden muss.

Siegburg – „Wenn etwas ganz toll ist, dann ist es astrein“, sagt Andrej Vogel und streicht mit der Hand über die Außenplanken des Zirkuswagens. Und tatsächlich: Kein Astloch findet sich in der Maserung des Lärchenholzes. Nostalgisch wirkt der Zirkuswagen mit dem rundlichen Aufbau, der kleinen Veranda und den schweren dunklen Türen.

Doch der Schein trügt. In Vogels Firma „Siebenender“ wurde auf ein altes Packwagen-Chassis aus den 70er Jahren und das Gerippe für das tonnenförmige Dach ein völlig neuer Aufbau gesetzt. Sehr zur Freude von Martina Clasen, Leiterin der Zukunftswerkstatt auf dem Michaelsberg, die den Wagen schon ab dem 29. Juli für die kreativen Ferienspiele auf dem Berg einsetzen kann.

Der Planwagen steht auf der Bastionswiese

Das schmucke Gefährt steht unterhalb der Bergstraße auf der Bastionswiese, mit einem Unimog zogen Vogel und seine Mitstreiter Martin Gampe und Carsten Huhn den Wagen von Hannover ins Rheinland. Neben vielen hochwertigen Materialien kamen auch antike und massive Türen mit schweren schmiedeeisernen Gittern vor den Fenstern zum Einsatz. „Die stammen aus Windeck, von der Burg Mauel“, erläuterte Andreas Mast, der in zweifacher Hinsicht mit der Anschaffung befasst war: einmal als Kämmerer, der die nötigen 95 000 Euro im städtischen Etat bereitstellte, einmal als für Jugend, Schule und Sport zuständiger Dezernent. Den Wagen übergab er gemeinsam mit Bürgermeister Franz Huhn.

Martina Clasen mit den Wagenbauern (von links) Martin Gampe, Carsten Huhn (mit Sohn Ivo Ernesto) und Andrej Vogel.

Clasen hob hervor, dass sich das Einsatzgebiet bei weitem nicht auf die Zukunftswerkstatt beschränken werde. Vorgesehen sei ein „niederschwelliges und beständiges Programm“, etwa mit Theaterprojekten von Julia Torres, einer Literaturwerkstatt oder einem Musikprojekt mit dem Bassisten Bentai Trawinski. Bestens geeignet ist dafür eine kleine Bühne, die unter dem Wagenboden herausgefahren werden kann, und ein textiles Vordach. Das Innere bietet auf zehn mal 2,55 Metern Fläche für einen Gruppenraum, eine Materialkammer und eine Küche, die in den kommenden Tagen noch eingebaut wird und an die eine kleine Veranda anschließt.

Der Wagenbau hat eine ungewöhnliche Vorgeschichte: 2012, so erläutert der studierte Sozialwissenschaftler Andrej Vogel, konnte er auf EU-Fördermittel zurückgreifen, um mit Jugendlichen ersten Zirkuswagen zu bauen. Im Laufe der Jahre entstanden viele solcher Anhänger, für Privatleute und öffentliche Einrichtungen ebenso wie für den Zirkus Roncalli. Als die Förderung auslief und Vogel immer noch Nachfrage verzeichnete, wurde die Firma gegründet, in der bis heute Jugendliche mitarbeiten können.

Wagenbau als Suchtprävention

Dabei hilft ihm Carsten Huhn, der ebenfalls Wagen baut, darunter eine „fliegende Sauna“, und der sich auf die Überführung der Gefährte versteht. Wichtig beim Bau seien Improvisation und Imaginieren, nichts komme bei den Arbeiten „von der Stange“. Huhn ist überzeugt, dass solche Arbeiten für Jugendliche eine hervorragende Suchtprävention darstellen. Menschen seien zunehmend gewohnt, für Probleme aller Art vorgefertigte Lösungen präsentiert zu bekommen. Gebe es diese auf einmal nicht mehr, drohe der Sturz in ein tiefes Loch.

Martina Clasen hatte sich nach eigenem Bekunden immer einen Zirkuswagen als Nachfolger für eine alten Bauwagen gewünscht und die Spezialisten im Internet ausfindig gemacht. „Jetzt müssen wir improvisieren, wie wir mit so einem Wahnsinnswagen umgehen.“

Informationen zur Zukunftswerkstatt auf der Website und unter 02241/208 51 20.