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Ära geht zu EndeSchuhgeschäft Landgraf am Siegburger Markt für immer geschlossen

Lesezeit 4 Minuten
Ein Schuhgeschäft an einem Marktplatz.

Schuhhaus Landgraf am Siegburger Markt schließt

Das Schuhhaus Landgraf schließt, am Markt geht eine Ära zu Ende. Die ehemalige Bleifeld-Filiale war 1992 übernommen worden.

Das Ende ist keine Überraschung und steht bereits seit mehr als einem Jahr fest, ein Hoffen und Bangen wie beim Kaufhof gab es nicht: Das Schuhhaus Landgraf am Siegburger Markt hat für immer geschlossen, vier Tage vor dem eigentlich letzten Tag, der eigentlich für den 7. Dezember geplant war.

Schließung in Siegburg stand seit Sommer 2023 fest

Die letzten Waren hätten sich schneller als geahnt abverkauft, so Geschäftsführerin Nicole Landgraf auf Anfrage. Bereits im Sommer 2023 hatte sie mitgeteilt, es werde keine Zukunft mehr für das Geschäft geben. Damals hatte Landgraf noch neun Filialen und 78 Mitarbeitende gezählt, für das Hauptgeschäft und das Kinderschuhgeschäft in Bonn soll nach dem bevorstehenden verkaufsoffenen Sonntag Schluss sein.

Die Entscheidung hatte sie mit ihrem Bruder Alex getroffen, nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus persönlichen Gründe und wegen äußerer Umstände. Umsätze hätten sich massiv Richtung E-Commerce verschoben, der Schwerpunkt von Landgraf habe aber auf dem stationären Handel gelegen. Auch Personalmangel sei ein Problem. „Die Baby-Boomer-Jahre zu Ende“, erläuterte die Unternehmerin jetzt noch einmal. Für verdiente Mitarbeitende, die in Ruhestand gehen, sei kaum Ersatz zu finden.

Ein Zettel an der Eingangstür eines Schuhgeschäfts.

Die Schaufensterauslagen waren schon seit Tagen leer gewesen, jetzt kam das endgültige Aus.

Für Verkäuferinnen und Verkäufer sei es schwierig, in der Innenstadt zu arbeiten und dort auch zu leben, die Mieten seien zu hoch. „Sie finden einfach keine jungen Leute mehr.“ In Bonn sei die Verkehrssituation mit Staus, Baustellen und fehlenden Parkplätzen als Problem hinzugekommen. „Uns fehlt die Laufkundschaft, die früher zum Einkaufsbummeln gekommen ist.“ Viele Stammkunden bedauerten die Schließungen sehr.

Die Geschäftsführerin betonte, Landgraf sei ein Familienunternehmen gewesen, was man bis zum Schluss habe merken können. 80 Prozent des Personals sei bis zum letzten Tag geblieben. „Ich wünsche mir, dass alle gute neue Stellen finden.“

Siegburg war nach Bonn der zweitstärkste Landgraf-Standort

Siegburg sei nach Bonn der zweitstärkste Standort gewesen. Wie es mit dem Ladenlokal in einem der bekanntesten Häuser der Kreisstadt weitergeht, vermochte Nicole Landgraf nicht zu sagen: Das Gebäude, zu dem auch das seit langem leerstehende Hotel Zum Stern in den oberen Etagen gehört, sei in Erbpacht gewesen und gehe an die Eigentümer zurück.

Stadtarchivar Jan Gerull hat sich mit der Geschichte des Geschäfts beschäftigt, die 1882 nicht am Markt, sondern ein paar Meter weiter in der Holzgasse begann: Dort verkaufte Daniel Bleifeld Maßschuhe und expandierte in mehrere Häuser. Die Adressen Holzgasse 60, 21, 25a und b gehörten „zum werdenden Bleifeld-Imperium“, so Gerull.

Als Bleifeld noch Schuhe an der Siegburger Holzgasse anbot

Bleifeld habe sich einer neuen Entwicklung nicht verschlossen: Schuhe lieferte nehmend die Industrie, nicht nur der Schuhmacher. Gerull: „Dank Fleiß und Tüchtigkeit der Familienmitglieder, so heißt es in einschlägigen Chroniken, wächst der Umsatz.“

Die Söhne Karl und Wilhelm expandierten 1927 in Bergisch Gladbach, 1936 in Kassel, später auch in Detmold. 1987 zog Bleifeld von der Holzgasse an den Siegburger Markt, nur fünf Jahre später wurde das Geschäft von Landgraf aus Bonn gekauft. Dieses Unternehmen wiederum hatte Paul Landgraf 1897 in Halle an der Saale gegründet, 1964 wurde in Bonn eröffnet. Nicole Landgraf zufolge gab es zeitweise 30 Filialen.

Autos parken vor einem Schuhgeschäft.

Bleifeld an der Siegburger Holzgasse in den 70er Jahren.

Das Hotel Zum Stern schloss 2022, die Pächter hatten in der Corona-Krise keine Perspektive mehr für den Betrieb gesehen. Nach mehr als 100 Jahren: 1899 bereits hatte auf dem Grundstück ein Hotel eröffnet, den Heimatblättern des Rhein-Sieg-Kreises zufolge gab es dort bereits 1639 ein Gasthaus. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel durch Bombenangriffe zerstört, aber schnell durch einen Neubau ersetzt, in dem Silvester 1949/50 Wiedereröffnung gefeiert wurde.

Stüssgen statt Schuhwerk in den 1960ern

1966 gab es im Erdgeschoss statt eines Schuhgeschäfts einen Stüssgen-Markt für Lebensmittel. Die Betreiberfamilie Linder schloss 1972 das Hotel, wechselnde Pächter folgten, und 2005 kamen Gäste des Weltjugendtags in den Zimmern unter. Stefan Willems und Christina Kämper-Willems vom Hotel Kaspar, die das Haus zuletzt gepachtet hatten, bemängelten fehlende Investitionen in das Gebäude.

Was das leerstehende Schuhgeschäft angeht, hat Bürgermeister Stefan Rosemann angekündigt, mit der Wirtschaftsförderung der Kreisstadt eine „nachhaltige Weiternutzung der Geschäftsräume in exponierter Lage“ zu unterstützen.