Seit eineinhalb Jahren wohnt Ingrid Eul im Seniorenzentrum Am Hohen Ufer. Nach einer Krankenhausbehandlung darf sie nicht mehr zurück.
PflegeSiegburger Seniorenzentrum will 80-Jährige wegen Atemgerät nicht mehr aufnehmen
Seit einer Operation hat Ingrid Eul Probleme mit ihrer Lunge, nachts wird sie immer wieder bewusstlos, wenn ihr die Luft fehlt. Im Seniorenzentrum Am Hohen Ufer blieb dann keine andere Möglichkeit, als den Rettungswagen zu rufen. Im Helios-Klinikum wussten die Ärzte allerdings Rat und versorgten sie auf der Station mit einem speziellen Atemgerät mit einer leichten Maske, das die Bewusstlosigkeit verhindern kann.
Doch das bereitet jetzt unerwartete Probleme: „Das Seniorenzentrum will meine Schwiegermutter nur ohne das Gerät wieder aufnehmen“, berichtet Alexander Bermann, der eine Pflegevollmacht für die 80-Jährige hat. Dabei habe man die Seniorin bereits vor einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen wollen.
Familie sucht mittlerweile Pflegeplatz im Umkreis von 200 Kilometern
„Das ist kein Gerät für eine Intensivstation“, sagt Bermann, der für die Haltung des Seniorenzentrums kein Verständnis hat. „Ein Freund von mir benutzt das seit 20 Jahren und nimmt es sogar mit in den Urlaub.“
Bermann geht davon aus, dass sich mit dem Bipap-Gerät (Biphasic Positive Airway Pressure), das auch Schlafapnoe-Patienten helfe, lebensbedrohliche Situationen verhindern lassen. Die Bedienung sei ausgesprochen einfach, Gespräche mit der Geschäftsführung des Seniorenzentrums seien aber ohne Erfolg geblieben.
Selbst im weiteren Umkreis habe er keinen anderen Platz für die Schwiegermutter gefunden, auch nicht in einem Heim in Hennef, wo man übrigens keine Bedenken gegen das Atemgerät gehabt habe. „Bei der Suche sind wir mittlerweile bei einem Radius von 200 Kilometern angekommen.“
Seniorin wohnt seit eineinhalb Jahren in dem Siegburger Pflegeheim
Seit eineinhalb Jahren war Ingrid Eul in dem Heim, Bermann zufolge hat sie die Atemprobleme seit einer Wirbeloperation wegen ihrer Osteoporose. Sie habe Schwierigkeiten, das Kohlendioxid abzuatmen, und auch schon eine Lungenembolie gehabt. Sie ohne das Gerät ins Heim zu geben, kommt für den Schwiegersohn nicht in Frage, das könne lebensgefährlich werden, fürchtet er.
Zurück in die Wohnung könne sie nicht, die habe sie ja aufgegeben, als sie ins Heim ging. Lange habe man die Schwiegermutter zuvor zuhause gepflegt, bis es nicht mehr zu leisten war. „Für uns als Familie ist das ein Dilemma.“
Die Geschäftsführerin des Seniorenzentrums Ludmila Becker erläutert auf Anfrage der Redaktion, dass Bipap-Beatmungsgeräte den aufgenommenen wie auch den abgenommen Atem kontrollierten, wozu die Maske immer eng anliegen müsse. „Eine derartige außerklinische Intensivversorgung hat der Bundesgesetzgeber im Oktober 2020 aus gutem Grund gesondert geregelt.“ Eine solche Beatmung werde „in dafür spezialisierten Einrichtungen oder durch spezialisierte ambulante Pflegedienste vorgenommen“.
Seniorenzentrum kann Druck des Krankenhauses nicht nachvollziehen
Dafür sei eine Fachkraftquote von 100 Prozent vorgegeben, eine entsprechende Fachabteilung gebe es im Seniorenzentrum aber nicht. „Daher ist uns, was wir sehr bedauern, die Versorgung von Frau Eul nicht möglich.“ Das Krankenhaus habe man gebeten, Frau Eul weiter zu versorgen, bis eine entsprechende Spezialeinrichtung gefunden sei. Der Bundesgesetzgeber habe für diese Art des Übergangs eine eigene Vergütungsziffer für das Krankenhaus bereitgestellt. „Daher können wir den Druck des Krankenhauses nicht nachvollziehen.“
Der Gesundheitszustand Ingrid Euls „ist so stabil, dass sie jederzeit in eine Pflegeeinrichtung entlassen werden kann“, teilt das Helios-Klinikum auf Anfrage mit. Grund für die letzten beiden Aufnahmen sei eine „Hyperkapnie“ gewesen, ein erhöhter Gehalt an Kohlendioxid im Blut, der von einem Bewusstseinsverlust bis hin zum Koma mit möglicher Todesfolge führen könne.
Schwiegersohn ist gegen Verlegung in ein weit entferntes Pflegeheim
Eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz des Beatmungsgeräts sei eine Einweisung in die Bedienung des Geräts, das Ein- und Ausschalten sowie das korrekte Aufsetzen der Beatmungsmaske. „Letzteres gewährleistet, dass die Maske dicht sitzt und nicht verrutscht.“ Üblicherweise würden Patienten und Angehörige sowie Pflegekräfte, die sich mit der Handhabung des Geräts nicht auskennen, von der jeweiligen Herstellerfirma vor Ort geschult — auch Alexander Bermann habe eine solche Einweisung der Herstellerfirma bekommen.
„Das Pflegeheim benötigt vor Ort keine speziellen technischen Voraussetzungen, um das Beatmungsgerät zu nutzen.“ Das Gerät sei Ingrid Eul inklusive Zubehör verordnet worden.
Bermann ist gegen eine Verlegung in eine weit entfernte Fachabteilung, Besuche bei der Schwiegermutter würden dann sehr schwer. Er pocht auf den Vertrag mit dem Seniorenzentrum. Dieser könne nur gekündigt werden, wenn sich der gesundheitliche Zustand eines Bewohners oder einer Bewohnerin drastisch verschlechtert habe. „Das ist aber nicht der Fall.“
Heimaufsicht sieht keinen Grund für Weigerung des Seniorenzentrums
Für die Weigerung des Seniorenzentrums sieht auch die WTG-Behörde (ehemals Heimaufsicht, WTG steht für Wohn- und Teilhabegesetz ) beim Rhein-Sieg-Kreis allerdings keinen Grund: „Nach Kenntnis der WTG-Behörde des Rhein-Sieg-Kreises handelt es sich beim Einsatz des Beatmungsgerät für Frau Eul nicht um eine Maßnahme der medizinischen Intensivpflege“, teilt die Pressestelle des Kreises auf Anfrage mit. „Der Einsatz des Gerätes ist der Situation bei Personen mit Schlafapnoe vergleichbar; diese Personen nutzen die Maske Zuhause nach entsprechender Einweisung eigenständig.“
Aufgrund dieser Situation und angesichts des bestehenden zivilrechtlichen Heimvertrages sehe die WTG-Behörde das Seniorenzentrum in der Pflicht, die Bewohnerin wieder aufzunehmen. Die Heimleitung sei entsprechend informiert worden. Zwischen Ingrid Eul und dem Seniorenzentrum Am Hohen Ufer bestehe ein zivilrechtlicher Miet- beziehungsweise Heimvertrag nach dem Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen.
Dieses Vertragsrecht unterliege ausschließlich dem Zivilrecht, so dass der Anspruch auf Vertragserfüllung auch zivilrechtlich geltend gemacht werden müsse. Eine Anordnung auf Wiederaufnahme durch die WTG-Behörde sei rechtlich nicht möglich.