Die „Fründe vom Brückberger Veedelszoch“ hatten keine Sekunde gezögert und zum 34. Mal den Umzug organisiert. Viele Jecke wählten kostümiert.
Karneval in SiegburgWie die Jecken Wahl und Veedelszoch am Brückberg meisterten

Norbert Knott von den Bröckberger Zochfründe erhält kostümiertkurz vor dem Zug im Wahllokal seinen Stimmzettel.
Copyright: Ralf Rohrmoser-von Glasow
„Bevor es los geht, gehen wir schnell ins Wahllokal Kreuzchen machen“, für Heike Knott und ihren Mann und Norbert vom Karnevalsverein „Fründe vom Brückberger Veedelszoch“ war das keine Frage. Im Zwergenkostüm mit roter Zipfelmütze meldeten sie sich bei Wahlvorstand Max Becker.
Dass Bundestagswahl und der erste Karnevalszug im Rhein-Sieg-Kreis auf denselben Tag fielen, sei eher günstig, fanden sie: „Das ist cool, das einzig Schlimme ist, dass wir früher losmüssen“, so Norbert Knott. Im Verein hätten wohl einige Briefwahl beantragt. „Für viele ist das aber wohl eher ein Anlass, wählen zu gehen“, meinte Norbert Knott. Direkt im Anschluss an den Wahlgang ging es nämlich hinüber zur Zugaufstellung.
Becker bestätigte den Eindruck. Es sind mehr als bei der Europawahl zu diesem Zeitpunkt, merkte er kurz vor der Mittagsmeldung an den Wahlleiter an. Am frühen Morgen stach das Wahllokal 110 in der Adolf-Kolping-Schule an der Arndtstraße in Siegburg-Brückberg heraus. Schon nach zwei Stunden hatten 160 Menschen ihre Stimmen abgegeben.
Vor dem Brückberger Wahllokal bildete sich am Morgen eine Schlange
Um 7.30 Uhr hätte schon eine kleine Schlange vor dem Schuleingang gestanden, obwohl die Tür erst um 8 Uhr geöffnet wurde. „Dann warten wir ab, bis es los geht“, hätten sie Geduld bewiesen. „Es gab etliche Kostümierte, ich schätze die Zahl auf gut zehn Prozent“, sagte Becker. Ansonsten sieht er ein paar Karnevalswagen vorbei ziehen, mehr erlebt er von Karneval nicht. „Es war niemand dabei, der alkoholisiert oder auffällig ist“, freute er sich über das jecke Wählervolk.

Im Kostüm strömten die Jecken ins Wahllokal.
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„Es war schön, eine gute Vorfreude für den Zug“, erzählten Elena und Serkan Özgen, beide bunt kostümiert, „wir könnten uns daran gewöhnen.“ Allerdings hatten sie noch eine Anregung: „Beim nächsten Mal bitte einen Sekt dazu.“ Und schon sc hoben sie ab zum Zug. „Das ist schon ein bisschen befremdlich, im Sinne von skurril“, gab sich Manuel Davydov, auch auf jeck getrimmt, ehrlich, „das hatten wir noch nicht, erst zum Wahllokal und dann ab zum Zoch.“ Aaron Pfalz nahm es sehr gelassen: „Das war ganz normal, das stört mich nicht.“
Im Brückberger Veedelszoch spielte die vorgezogene Wahl keine Rolle
Sehr differenziert ging es Michael Peifer an, der nur 75 Meter vom Wahllokal entfernt wohnt. „Das sind für mich zwei Welten“, erklärte er. „Wenn wir uns entscheiden müssten, Wahl oder Zug, hätte die Bundestagswahl den Vorzug bekommen.“ Die Familie ist enorm engagiert. „Unser mittlerer Sohn war schon stinkig“, ergänzte seine Partnerin Sabine Spengler, weil er noch nicht wählen gehen darf. „Er wird erst in ein paar Tagen 18 Jahre alt.“

An den roten Luftballons war „et Brückberger Hätzje“ gut zu erkennen.
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Clarissa Przibilla, Pressewartin der Fründe vom Brückberger Veedelszoch, erinnerte sich an die Nachricht, als der Wahltermin bekannt gegeben wurde: „Erst waren wir geschockt, und dann haben wir schnell eine Lösung gesucht und einen Post veröffentlicht: Der Zug geht.“ Ausgeschert ist niemand von den üblichen Teilnehmern. Eimy von den Siegburger Piraten fasste zusammen, wie die Stimmung unter den Jecken ist und drehte den Spieß einfach um: ‚„Dass die wählen müssen, wo wir Karneval feiern.“‘
Im Zug selbst spielte der Kampf um die Mandate für den Budnestag überhaupt keine Rolle. Zugleiterin Claudia Kelter setzte sich hinter dem ersten Polizeifahrzeug an die Spitze der etwa 20 Gruppen. 950 Menschen machten sich auf den Weg durch die schmalen Sträßchen auf dem Brückberg. Petrus muss ein Brückberger gewesen sein, hatte Norbert Knott spekuliert, das Wetter ist bei dem Veedelszoch fast immer schön.
Das haben wir meinem Papa zu verdfanken.
„Das haben wir meinem Papa zu verdanken“, war sich Ines Siebenmorgen sicher. Ihr Vater, Rolf Schäfer, war einer der Gründer dieses außergewöhnlichen Events eine Woche vor dem eigentlichen Karneval. Er hatte mit Freunden überlegt, dass hier auf dem Brückberg auch was passieren muss. Weil aber die Karnevalstage schon voll waren, entschieden sie sich 1988, eine Woche früher zu starten und schon hatten sie etwas Besonderes geschaffen.
Siebenmorgen hatte zuvor Stress im Wahllokal. Die Stimmen ihrer Mutter wollte sie in die Urne schmeißen, aber das ging nicht. In die Innenstadt zum dafür vorgesehenen Container konnte sie aber auch nicht, weil sie bei den grün-weißen Husaren eingeplant war. „Aber es gibt unheimlich nette Menschen in und bei der Stadt“, begeisterte sie sich. Der Wahlumschlag ihrer Mutter kam jedenfalls rechtzeitig an.

Die Deur Bloazers aus dem niederländischen Daeventer machten richtig Alarm mit ihren Blasinstrumenten..
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Hinter ihren Husaren folgte die Kindertagesstätte PänzHuus, die ihren 30. Geburtstag feierte. Mit silbern und gold glänzenden Kostümen strahlten sie, die Seifenblasenmaschine lief ununterbrochen, genau so wie der Strom an Kamelle und Süßem. Stark aufgestellt ist der Brückberger Zug mit Kapellen, ob es die Siegburger Musikanten, das Bläsercorps Much, der 1. Cölsche Hofstaat, das Tambourcorps Pohlhausen/Birk oder die Deur Bloazers Daeventer sind.
Die Niederländer kommen schon seit bald 15 Jahren. Sie sind mehr Brass- als Coverband, machen richtig gut Stimmung mi tihren Blasinstrumenten. Danny Jansen, der Übersetzer der Truppe, erzählte, dass sie gerne nach Siegburg kommen: „Während der Corona-Pandemie sind wir mit drei Leuten gekommen, um zu gucken, ob etwas los ist.“ Kein Zug, aber Spaß hatten sie wohl trotzdem.
„Et Brückberger Hätzje“ verschenkte liebevoll gestaltete Bonbons
An den roten Luftballons war „et Brückberger Hätzje“ schon von weitem zu erkennen. Durch Freundschaft verbunden schlägt seit 2018 ihr Herz für den Veedelszoch. Sie orientieren sich am Zugmotto: „Om Brückberg sind die Zwerge los, das feiern wir mit Klein und Groß!“ Sie haben daraus für sich gemacht: „Kleine Zwerge mit großem Hätzje“ und verschenkten liebevoll gestaltete Herzchen-Bonbons.
Auch die großen Gesellschaften machen gerne mit, neben den grün-weißen sind die schwarz-weißen Husaren dabei, die Siegburger Ehrengarde hatte gleich ihren Zug mitgebracht. Ihr Präsident Fared Wagner hatte in voller Gardeuniform im Stadtteil Deichhaus seine Stimme abgegeben. Das Schlimmste ist, wenn man gar nicht wählt, machte er klar.

Die Kindertagesstätte feierte im glänzenden Kostüm ihren 30. Geburtstag..
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Die Götterfunken, der harte Kern mit Käthe Laschke, die, wie ihre Mitstreiter sagen, immer einen Plan B in der Tasche hat, die Götterfunken, die Landsknechte von Köln, die Siegburger Piraten als Lebensmittelretter mit Herz alias die Siegburger Piraten - sie alle hatten viel Fantasie in ihre Kostüme gesteckt.
Immer ein Blickfang sind die Siegbugrer Clowns, mit einem Riesentruck zog der Junggesellenverein Brückberg durchs Veedel, die Kita Murkel feiert um so mehr, die Pfadfinder durften nicht fehlen - sie alle wurden begeistert gefeiert von den tausenden am Straßenrand.