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ResonanzenVon Siegburg in die Carnegie Hall nach New York

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Yulianna Avdeeva gab ein bemerkenswertes Konzert im Siegburger Stadtmuseum.

Yulianna Avdeeva gab ein bemerkenswertes Konzert im Siegburger Stadtmuseum.

Yulianna Avdeeva ist eine der gefragtesten Pianistinnen. Ihr Konzert im Stadtmuseum feierten die Besucher mit stehenden Ovationen.

Es ist keine gewagte Prognose, dass in zwei Wochen die Gäste in der New Yorker Carnegie Hall das Konzert von Yulianna Avdeeva genauso mit stehenden Ovationen feiern dürften, wie das die Besucher am Freitag im Siegburger Stadtmuseum taten. Die erhoben sich mit dem letzten, gehauchten Anschlag des final gar nicht mehr spektakulären, aber umso sensibler ausgeführten „Lento assai“ von Franz Liszts h-Moll Sonate fast schlaggleich von den Stühlen und bejubelten die russische Pianistin ausgiebig.

Sie waren Augen- und Ohrenzeugin eines atemberaubenden Konzerts, das in der Jahresbilanz des Siegburger Kulturlebens einen Spitzenplatz einnehmen wird. Dem musikalischen Leiter Markus Bröhl ist ein großer Wurf gelungen mit der Verpflichtung der 39-jährigen Wahlmünchnerin für seine Konzertreihe Resonanzen, die im kommenden Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. Die Gewinnerin des wichtigen Chopin Wettbewerbs in Warschau 2010 gehört zu den gefragtesten Pianisten unserer Zeit, spielt in den größten Häusern mit Größen am Dirigenten-Pult wie Dudamel, Alsop, Honeck, Trvino oder Vasily Petrenko.

Konzert im Stadtmuseum in Siegburg: Rasende Läufe über die gesamte Klaviatur

„Grande Polonaise“ hieß ihr Programm im Stadtmuseum, das sie Fréderic Copin und seinem Zeitgenossen Franz Liszt widmete und hierfür auch auf Hochgewächse der beiden Virtuosen setzte. Etwa auf das „Andante spianato et Grand Polonaise brillante op. 22“ des Polen Chopin, das in seinen beiden Teilen gegensätzlicher nicht sein kann. So schmeichelt das „Andante“ mit bedächtigem Tempo und wunderschöner Melodie das Gemüt. Sie war Vorspiel zur farbenglühenden Polonaise, die hinsichtlich Tempo und Wendungen höchste Disziplin und vollendete technische Reife forderte. Da wurden aus wuchtigen Akkordketten, bei denen Avdeeva gleichwohl diese unabdingbar federnde Leichtigkeit wahrte, lange Trillerpassagen, die wiederum in rasende Läufe über die gesamte Klaviatur mündeten.

Und so wie sie bei ihrem Federn Geschmeidigkeit in den Handgelenken mit hartem Anschlag verknüpft, scheinen bei den Trillern gummigeschmeidige Finger am Werk zu sein. Vor allem das Finale des Stücks hat es in sich mit rastloser Hochgeschwindigkeit, die aber in keinem Moment etwas verschluckt sondern immer feinnervig bleibt. Diese Grundsätzen hafteten allen Stücken des Abends an. Bei Chopin den „3 Mazurkas“, der herrlichen „Barcarole Fis-Dur op. 60“ mit seinem dynamischen Auf und Ab oder der Prélude cis-Moll op. 45“.

Von Dauer war zudem ihre stille Art, am Klavier zu sitzen. Mit aufrechter Haltung, verzichtend auf jedwede Selbstdarstellung wie dem heute oft üblichen Spiel mit den Gesten von leidvoll bis glückselig. Ihr ging es ums fehlerlose Abliefern der hochkomplexen Stücke, die sie allesamt auswendig meisterte. Ihr üblicher Verzicht auf Partituren wird dazu beitragen, den Deut schneller zu werden, um auf die Stufe der Virtuosität zu gelangen, die die beiden Meister in ihren Kompositionen hinterlegten.

Bei Liszt setzte Avdeeva neben eher selten gespielten Spätwerken wie dem düsteren „Unstern! - Sinistre“ und der „Bagatelle sans tonalité“, die gerade wegen ihrer Atonalität ihren Reiz in lustig-verspielten Anwandlungen hat, auf die „Sonate für Klavier h-Moll S. 178“. Sie zählt zu den wichtigsten Werken der Romantik überhaupt. Dies mit Würde zu unterstreichen, gelang der Russin fabelhaft. Jeden erreichte in der vollbesetzten Aula das durchdringende Feuer des Ewigkeitswerks und die Spielfreude Avdeevas, welche sichtbar die Musik genoss.